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Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. II. Band.

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Aehnlich aber wie-mit den Eisenbahnlinien ist es mit den Dampfschiffver¬
bindungen, und die Befestigung und Einrichtung des norddeutschen Bundes
wird eine vortreffliche Gelegenheit sein, die alten Fehler zu begehen oder gründ¬
lich gut zu machen. Dampfschiffahrt über See ist ein nicht sehr gewinnver-
sprechendes Unternehmen. Die Praktiker der freien Concurrenz Pflegen denn
auch bei der Gründung^ einer Actiengesellschaft zum Zwecke überseeischer Ver¬
bindungen flugs an den unnützen und verhaßten Staat zu appelliren, um Sub-
sidien zu erhalten. Die Postlasse muß dann gemeiniglich herhalten oder ein
allmächtiger Herrscher -- die Tinte -- giebt sich z" einem Unterstützung ver¬
leihenden Decrete her. Nun geht die Sacke gut und die Actionäre ver¬
dienen Geld.

Die Dampfschiffvcrbindung aber ist ein mächtiger Hebel zur Beförderung
des Handels. Er wirkt auf die kurze Periodicität der geistigen und stofflichen
Mittheilung belebend, annähernd; es sind häufigere Unternehmungen möglich,
man sieht sich eher persönlich, lernt sich in Bezug auf Leistungen und Bedürf¬
nisse kennen, kurz, der ganze Verkehr wird inniger und beschleunigt. Eine
Privatgesellschaft wird aber keine neue, nicht lohnende Strecken befahren; die
Kaufleute werden lamentiren über den Mangel des Regierungsinterefses am
Handel, werden, den Mund noch voll vom Lobe der freien Concurrenz, die
Hand öffnen und nach den Subsidien hinhalten, aber -- kein schlechtes Unter¬
nehmen wagen, um dem Handel mit anfänglichen Opfern emporzuhelfen.

Der Staat vertritt das Gesammtinteresse. Die Dampfschiffverbindungen
aber sind nicht blos ein Segen des Handels, sondern ebenso, wenn nicht mehr,
Gewinn der Industrie. Dieser werden Absatzgebiete erschlossen, ihre Muster
finden rascher den Weg in die Welt und ihr Einfluß auf den Geschmack macht
sich eingreifender geltend. Der Staat muß daher die Verkehrsmittel über See
in die Hand nehmen. Er muß seine Macht, Privilegien zu ertheilen, im Geiste
der Gerechtigkeit ausüben und das, was allen zu Gute kommt, in der Haupt¬
sache sich selber vindiciren. Er muß auch auf dem Gebiete des überseeischen
Transportwesens das Nichteinträgliche durch die Ausbeute des Einträglicher
möglich machen.

Die Dampfschiffverbindung der beiden Haupthafen Norddeutschlands be¬
schränkt sich zur Zeit auf die Verbindung mit Newyork; von anderen Strecken
ist schon häufig, aber ohne Erfolg die Rede gewesen. Die newyorker Linien
verdienen. Lager sie nun beide in einer Hand, der Hand des Staats, so
würden sie "och einträglicher sein; durch den Mehrertrag aber würden die
Opfer geliefert sein, die andere Linien fordern würden; man würde nun eben¬
falls Dampfschiffverbindungen herstellen können mit Rio Janeiro, den La Plata-
staaten :c,. noch mehr: da so wie so schon im Handel das Streben nach Spe-
cialisirung besteht, so würde man die Verbindungen der Häfen je nach ihrem


Grenzboten II. 18K7, 12

Aehnlich aber wie-mit den Eisenbahnlinien ist es mit den Dampfschiffver¬
bindungen, und die Befestigung und Einrichtung des norddeutschen Bundes
wird eine vortreffliche Gelegenheit sein, die alten Fehler zu begehen oder gründ¬
lich gut zu machen. Dampfschiffahrt über See ist ein nicht sehr gewinnver-
sprechendes Unternehmen. Die Praktiker der freien Concurrenz Pflegen denn
auch bei der Gründung^ einer Actiengesellschaft zum Zwecke überseeischer Ver¬
bindungen flugs an den unnützen und verhaßten Staat zu appelliren, um Sub-
sidien zu erhalten. Die Postlasse muß dann gemeiniglich herhalten oder ein
allmächtiger Herrscher — die Tinte — giebt sich z» einem Unterstützung ver¬
leihenden Decrete her. Nun geht die Sacke gut und die Actionäre ver¬
dienen Geld.

Die Dampfschiffvcrbindung aber ist ein mächtiger Hebel zur Beförderung
des Handels. Er wirkt auf die kurze Periodicität der geistigen und stofflichen
Mittheilung belebend, annähernd; es sind häufigere Unternehmungen möglich,
man sieht sich eher persönlich, lernt sich in Bezug auf Leistungen und Bedürf¬
nisse kennen, kurz, der ganze Verkehr wird inniger und beschleunigt. Eine
Privatgesellschaft wird aber keine neue, nicht lohnende Strecken befahren; die
Kaufleute werden lamentiren über den Mangel des Regierungsinterefses am
Handel, werden, den Mund noch voll vom Lobe der freien Concurrenz, die
Hand öffnen und nach den Subsidien hinhalten, aber — kein schlechtes Unter¬
nehmen wagen, um dem Handel mit anfänglichen Opfern emporzuhelfen.

Der Staat vertritt das Gesammtinteresse. Die Dampfschiffverbindungen
aber sind nicht blos ein Segen des Handels, sondern ebenso, wenn nicht mehr,
Gewinn der Industrie. Dieser werden Absatzgebiete erschlossen, ihre Muster
finden rascher den Weg in die Welt und ihr Einfluß auf den Geschmack macht
sich eingreifender geltend. Der Staat muß daher die Verkehrsmittel über See
in die Hand nehmen. Er muß seine Macht, Privilegien zu ertheilen, im Geiste
der Gerechtigkeit ausüben und das, was allen zu Gute kommt, in der Haupt¬
sache sich selber vindiciren. Er muß auch auf dem Gebiete des überseeischen
Transportwesens das Nichteinträgliche durch die Ausbeute des Einträglicher
möglich machen.

Die Dampfschiffverbindung der beiden Haupthafen Norddeutschlands be¬
schränkt sich zur Zeit auf die Verbindung mit Newyork; von anderen Strecken
ist schon häufig, aber ohne Erfolg die Rede gewesen. Die newyorker Linien
verdienen. Lager sie nun beide in einer Hand, der Hand des Staats, so
würden sie »och einträglicher sein; durch den Mehrertrag aber würden die
Opfer geliefert sein, die andere Linien fordern würden; man würde nun eben¬
falls Dampfschiffverbindungen herstellen können mit Rio Janeiro, den La Plata-
staaten :c,. noch mehr: da so wie so schon im Handel das Streben nach Spe-
cialisirung besteht, so würde man die Verbindungen der Häfen je nach ihrem


Grenzboten II. 18K7, 12
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_349917/93>, abgerufen am 22.07.2024.