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Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. II. Band.

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Eskobedo nach Mexiko geführt und vor ein "geheimes" Kriegsgericht gestellt
worden, -- es stehe indessen zu hoffen, daß es dem Einfluß des amerikanischen
Ministerresidenten gelingen werde, das Leben des Bruders des Kaisers von
Oestreich und Königs von Ungarn zu retten.

Noch bevor dieser letzte Aufzug der mexikanischen Tragödie begonnen, in
den Tagen, welche die Kunde von dem furchtbaren Loose der Erzherzogin oder
Kaiserin Charlotte brachten, ist zu Wien ein "Reise nach Mexiko" überschric-
benes Buch erschienen, dessen Autor ebenso interessant ist, wie sein Inhalt.
Eine der östreichischen Damen, weiche das Kaiserpaar über das Meer geleiteten,
hat ihre Reiseerinnerungen in einem 244 Seiten umfassenden Bande nieder¬
gelegt, der ein lebensvolles Bild der socialen Zustände entwirft, welche die
östreichisch-französische Expedition in dem Lande vorfand, dessen Rettung das
junge Kaiserpaar zu versuchen den Muth hatte.

Der Begabung und der natürlichen Sphäre ihres Geschlechts entsprechend,
hat die Verfasserin von einer Schilderung der politischen Situation, welche sie
vorfand, abgesehen und die Darstellung von Land und Leuten zu ihrer Auf¬
gabe gemacht, diese aber so geschickt und tüchtig gelöst, daß die genannte Schrift
nicht anders als empfohlen werden kann.

Man braucht nur die ersten Blätter des vierten oder eines der folgenden
Capitel (der Eingang schildert die Abentheuer der Ueberfahrt) durchlaufen zu
haben, um sich verwundert zu fragen, wie es möglich gewesen, daß der Erz¬
herzog, dessen Urtheilsfähigkeit außer Zweifel steht -- zu dem Versuch einer
Unterwerfung und Neugestaltung des mexikanischen Staates überhaupt vermocht
worden und daß er von der Stunde seiner Landung an das Gelingen seines
Unternehmens je einen Augenblick für möglich gehalten -- welche Vorstellungen
Napoleon der Dritte von der Lage der mexikanischen Dinge gehabt, als er seine
Ehre und seinen Credit dem Erzherzoge, Frankreich und dem übrigen Europa
gegenüber aufs Spiel gestellt, in dem er die moralische Garantie für den Aus¬
gang des Abentheuers übernahm! Anfang und Ende dieses unglücklichen Kreuz-
zugs gegen die Barbarei und Verwilderung der verkommenen Kolonie des ver¬
kommenen Spanien liegen so eng neben einander, daß kaum zu sagen ist, wo
der eine aufhört und das andere anfängt.

Es ging von Hause aus so schlecht, als es irgend gehen konnte. Sehen
wir zuvörderst von den politischen Zuständen ab, welche der Kaiser vorfand und
von welchen die obengenannte Schrift des Grafen K6ratry und ein inter¬
essanter Journalartikel desselben Autors ein treues Bild entworfen haben, und
hören wir, was die schlichte weibliche Beobachterin von den ersten Eindrücken,
deren Zeugin sie war. berichtet, so wissen wir bereits, daß das Unternehmen
des kühnen Habsburgers von Hause aus ein unheilverheißendes war.

In Veracruz, dem berüchtigten MrcUll ä'seolilnatiou der französischen Ex-


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Eskobedo nach Mexiko geführt und vor ein „geheimes" Kriegsgericht gestellt
worden, — es stehe indessen zu hoffen, daß es dem Einfluß des amerikanischen
Ministerresidenten gelingen werde, das Leben des Bruders des Kaisers von
Oestreich und Königs von Ungarn zu retten.

Noch bevor dieser letzte Aufzug der mexikanischen Tragödie begonnen, in
den Tagen, welche die Kunde von dem furchtbaren Loose der Erzherzogin oder
Kaiserin Charlotte brachten, ist zu Wien ein „Reise nach Mexiko" überschric-
benes Buch erschienen, dessen Autor ebenso interessant ist, wie sein Inhalt.
Eine der östreichischen Damen, weiche das Kaiserpaar über das Meer geleiteten,
hat ihre Reiseerinnerungen in einem 244 Seiten umfassenden Bande nieder¬
gelegt, der ein lebensvolles Bild der socialen Zustände entwirft, welche die
östreichisch-französische Expedition in dem Lande vorfand, dessen Rettung das
junge Kaiserpaar zu versuchen den Muth hatte.

Der Begabung und der natürlichen Sphäre ihres Geschlechts entsprechend,
hat die Verfasserin von einer Schilderung der politischen Situation, welche sie
vorfand, abgesehen und die Darstellung von Land und Leuten zu ihrer Auf¬
gabe gemacht, diese aber so geschickt und tüchtig gelöst, daß die genannte Schrift
nicht anders als empfohlen werden kann.

Man braucht nur die ersten Blätter des vierten oder eines der folgenden
Capitel (der Eingang schildert die Abentheuer der Ueberfahrt) durchlaufen zu
haben, um sich verwundert zu fragen, wie es möglich gewesen, daß der Erz¬
herzog, dessen Urtheilsfähigkeit außer Zweifel steht — zu dem Versuch einer
Unterwerfung und Neugestaltung des mexikanischen Staates überhaupt vermocht
worden und daß er von der Stunde seiner Landung an das Gelingen seines
Unternehmens je einen Augenblick für möglich gehalten — welche Vorstellungen
Napoleon der Dritte von der Lage der mexikanischen Dinge gehabt, als er seine
Ehre und seinen Credit dem Erzherzoge, Frankreich und dem übrigen Europa
gegenüber aufs Spiel gestellt, in dem er die moralische Garantie für den Aus¬
gang des Abentheuers übernahm! Anfang und Ende dieses unglücklichen Kreuz-
zugs gegen die Barbarei und Verwilderung der verkommenen Kolonie des ver¬
kommenen Spanien liegen so eng neben einander, daß kaum zu sagen ist, wo
der eine aufhört und das andere anfängt.

Es ging von Hause aus so schlecht, als es irgend gehen konnte. Sehen
wir zuvörderst von den politischen Zuständen ab, welche der Kaiser vorfand und
von welchen die obengenannte Schrift des Grafen K6ratry und ein inter¬
essanter Journalartikel desselben Autors ein treues Bild entworfen haben, und
hören wir, was die schlichte weibliche Beobachterin von den ersten Eindrücken,
deren Zeugin sie war. berichtet, so wissen wir bereits, daß das Unternehmen
des kühnen Habsburgers von Hause aus ein unheilverheißendes war.

In Veracruz, dem berüchtigten MrcUll ä'seolilnatiou der französischen Ex-


Grenjbotm ii. 186?. 66
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[0521] Eskobedo nach Mexiko geführt und vor ein „geheimes" Kriegsgericht gestellt worden, — es stehe indessen zu hoffen, daß es dem Einfluß des amerikanischen Ministerresidenten gelingen werde, das Leben des Bruders des Kaisers von Oestreich und Königs von Ungarn zu retten. Noch bevor dieser letzte Aufzug der mexikanischen Tragödie begonnen, in den Tagen, welche die Kunde von dem furchtbaren Loose der Erzherzogin oder Kaiserin Charlotte brachten, ist zu Wien ein „Reise nach Mexiko" überschric- benes Buch erschienen, dessen Autor ebenso interessant ist, wie sein Inhalt. Eine der östreichischen Damen, weiche das Kaiserpaar über das Meer geleiteten, hat ihre Reiseerinnerungen in einem 244 Seiten umfassenden Bande nieder¬ gelegt, der ein lebensvolles Bild der socialen Zustände entwirft, welche die östreichisch-französische Expedition in dem Lande vorfand, dessen Rettung das junge Kaiserpaar zu versuchen den Muth hatte. Der Begabung und der natürlichen Sphäre ihres Geschlechts entsprechend, hat die Verfasserin von einer Schilderung der politischen Situation, welche sie vorfand, abgesehen und die Darstellung von Land und Leuten zu ihrer Auf¬ gabe gemacht, diese aber so geschickt und tüchtig gelöst, daß die genannte Schrift nicht anders als empfohlen werden kann. Man braucht nur die ersten Blätter des vierten oder eines der folgenden Capitel (der Eingang schildert die Abentheuer der Ueberfahrt) durchlaufen zu haben, um sich verwundert zu fragen, wie es möglich gewesen, daß der Erz¬ herzog, dessen Urtheilsfähigkeit außer Zweifel steht — zu dem Versuch einer Unterwerfung und Neugestaltung des mexikanischen Staates überhaupt vermocht worden und daß er von der Stunde seiner Landung an das Gelingen seines Unternehmens je einen Augenblick für möglich gehalten — welche Vorstellungen Napoleon der Dritte von der Lage der mexikanischen Dinge gehabt, als er seine Ehre und seinen Credit dem Erzherzoge, Frankreich und dem übrigen Europa gegenüber aufs Spiel gestellt, in dem er die moralische Garantie für den Aus¬ gang des Abentheuers übernahm! Anfang und Ende dieses unglücklichen Kreuz- zugs gegen die Barbarei und Verwilderung der verkommenen Kolonie des ver¬ kommenen Spanien liegen so eng neben einander, daß kaum zu sagen ist, wo der eine aufhört und das andere anfängt. Es ging von Hause aus so schlecht, als es irgend gehen konnte. Sehen wir zuvörderst von den politischen Zuständen ab, welche der Kaiser vorfand und von welchen die obengenannte Schrift des Grafen K6ratry und ein inter¬ essanter Journalartikel desselben Autors ein treues Bild entworfen haben, und hören wir, was die schlichte weibliche Beobachterin von den ersten Eindrücken, deren Zeugin sie war. berichtet, so wissen wir bereits, daß das Unternehmen des kühnen Habsburgers von Hause aus ein unheilverheißendes war. In Veracruz, dem berüchtigten MrcUll ä'seolilnatiou der französischen Ex- Grenjbotm ii. 186?. 66

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_349917/521>, abgerufen am 01.07.2024.