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Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. II. Band.

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treten haben, ein Mann vor allen darf den.Kopf hoch tragen, darf sagen, er
habe nicht umsonst gelebt, mit ungetrübter Besnedigung auf das Wert der Ver¬
söhnung und des Ausgleichs, auf sein Wer! blicken. Man sah ihn nicht im
Krönungszuge, in stiller Verborgenheit verbrachte er die Festwoche, aber auch
unsichtbar blieb er die Hauptperson der Handlung. Franz Denk repräsentirte
schon längst das Gewissen des ungarischen Volkes, in der letzten Zeit vertritt
er auch den Willen der Nation. In ihm verkörperte sich die Unbeugsamkeit und
Zähigkeit des magyarischen Charakters, aber gleichzeitig auch der seine politische
Takt, den die Ungarn durch ihre Vergangenheit, durch ihre Gewohnheit, im
- öffentlichen Leben sich zu bewegen, vor den andern östreichischen Stämmen vor¬
aus haben. Seine Interessen gehen über die Landesgrenzen nicht weit hinaus,
ihm ist, wie jedem Ungar, die Heimath die ganze Welt, innerhalb dieser Schranken
führte Deälk seine Sache so glänzend und so geschickt durch, offenbarte er sich
als Meister der Politik, wie nur wenige Staatsmänner Europas. Er ist ein
einzelner Mann, ohne ererbtes Ansehen, ohne ein mächtiges Besitzthum, ohne
eine bestechende Persönlichkeit, ein einfacher Kleinedelmann. Und mit diesem
einzelnen Manne muß die Regierung, mit ihm allein stets rechnen; sie hat das
Land gewonnen, steht er an ihrer Seite, sein Widerstand sagt ihr, daß sie auf
die Zustimmung des Volkes niemals hoffen darf. Von allen Ungarn hält DeÄ
die größte Macht in den Händen, von allen Ungarn ist Deä>k derjenige, in
dessen Händen sie am sichersten ruht, der sie nie mißbrauchen, nie anders als im
bestgemeinten allgemeinen Interesse verwenden wird. Wahrlich, um Deal ist
Ungarn mehr zu beneiden, als um alle seine vielgerühmten Schätze und Reich¬
thümer! Doch jetzt genug der Krönungsreflexionen.

Die Festwoche ist vorbei, der Jubel verklungen, die Tage tüchtiger, schwerer
Arbeit sind wieder angebrochen. Namentlich an die Deutschöstreicher und ihre
Vertreter im wiener Reichstage tritt die Mahnung heran, ungesäumt den Aus¬
bau der Verfassung zu beginnen, und nachdem Oestreich sich mit Ungarn aus¬
geglichen hat. nun auch die Ungarn ihrerseits zu zwingen, sich mit den übrigen
östreichischen Ländern auszugleichen. Bis jetzt haben die Deutschöstreicher nur
Pflichten, die Ungarn nur Rechte als Verfassungsparagraphe aufzuweisen, daß
ein billiger Austausch stattfinde, ist nicht unräthlich, sondern unbedingt noth¬
wendig, soll nicht im zweigetheilten Oestreich derselbe Jammer und die gleiche
Ohnmacht herrschen, wie in dem frühern einheitlichen Staate. Aus reiner
Menschenliebe und überströmender Zärtlichkeit werden die Ungarn keine großen
Zugeständnisse den Nachbarn diesseits der Leitha gewähren. Ganz abgesehen von
dem hervorstechendsten Zuge im politischen Charakter der Ungarn, der Selbst¬
genügsamkeit, sind diese in der Lage, daß sie die Deutschöstreicher ruhig an sich
können herankommen lassen. Ungarn hat durch eine weitere Verschleppung des
Verfassungswerkes nichts mehr zu fürchten, und fühlt sich in seinem Dasein ge-


treten haben, ein Mann vor allen darf den.Kopf hoch tragen, darf sagen, er
habe nicht umsonst gelebt, mit ungetrübter Besnedigung auf das Wert der Ver¬
söhnung und des Ausgleichs, auf sein Wer! blicken. Man sah ihn nicht im
Krönungszuge, in stiller Verborgenheit verbrachte er die Festwoche, aber auch
unsichtbar blieb er die Hauptperson der Handlung. Franz Denk repräsentirte
schon längst das Gewissen des ungarischen Volkes, in der letzten Zeit vertritt
er auch den Willen der Nation. In ihm verkörperte sich die Unbeugsamkeit und
Zähigkeit des magyarischen Charakters, aber gleichzeitig auch der seine politische
Takt, den die Ungarn durch ihre Vergangenheit, durch ihre Gewohnheit, im
- öffentlichen Leben sich zu bewegen, vor den andern östreichischen Stämmen vor¬
aus haben. Seine Interessen gehen über die Landesgrenzen nicht weit hinaus,
ihm ist, wie jedem Ungar, die Heimath die ganze Welt, innerhalb dieser Schranken
führte Deälk seine Sache so glänzend und so geschickt durch, offenbarte er sich
als Meister der Politik, wie nur wenige Staatsmänner Europas. Er ist ein
einzelner Mann, ohne ererbtes Ansehen, ohne ein mächtiges Besitzthum, ohne
eine bestechende Persönlichkeit, ein einfacher Kleinedelmann. Und mit diesem
einzelnen Manne muß die Regierung, mit ihm allein stets rechnen; sie hat das
Land gewonnen, steht er an ihrer Seite, sein Widerstand sagt ihr, daß sie auf
die Zustimmung des Volkes niemals hoffen darf. Von allen Ungarn hält DeÄ
die größte Macht in den Händen, von allen Ungarn ist Deä>k derjenige, in
dessen Händen sie am sichersten ruht, der sie nie mißbrauchen, nie anders als im
bestgemeinten allgemeinen Interesse verwenden wird. Wahrlich, um Deal ist
Ungarn mehr zu beneiden, als um alle seine vielgerühmten Schätze und Reich¬
thümer! Doch jetzt genug der Krönungsreflexionen.

Die Festwoche ist vorbei, der Jubel verklungen, die Tage tüchtiger, schwerer
Arbeit sind wieder angebrochen. Namentlich an die Deutschöstreicher und ihre
Vertreter im wiener Reichstage tritt die Mahnung heran, ungesäumt den Aus¬
bau der Verfassung zu beginnen, und nachdem Oestreich sich mit Ungarn aus¬
geglichen hat. nun auch die Ungarn ihrerseits zu zwingen, sich mit den übrigen
östreichischen Ländern auszugleichen. Bis jetzt haben die Deutschöstreicher nur
Pflichten, die Ungarn nur Rechte als Verfassungsparagraphe aufzuweisen, daß
ein billiger Austausch stattfinde, ist nicht unräthlich, sondern unbedingt noth¬
wendig, soll nicht im zweigetheilten Oestreich derselbe Jammer und die gleiche
Ohnmacht herrschen, wie in dem frühern einheitlichen Staate. Aus reiner
Menschenliebe und überströmender Zärtlichkeit werden die Ungarn keine großen
Zugeständnisse den Nachbarn diesseits der Leitha gewähren. Ganz abgesehen von
dem hervorstechendsten Zuge im politischen Charakter der Ungarn, der Selbst¬
genügsamkeit, sind diese in der Lage, daß sie die Deutschöstreicher ruhig an sich
können herankommen lassen. Ungarn hat durch eine weitere Verschleppung des
Verfassungswerkes nichts mehr zu fürchten, und fühlt sich in seinem Dasein ge-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_349917/492>, abgerufen am 22.07.2024.