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Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. II. Band.

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neral von Manteuffel. dessen Verdienste um Ausbreitung preußischer Gesinnung
in Schleswig nicht zu verachtten sind, hat das Land schon lange verlassen, es
heißt er habe verlangt, entweder Plessen oder er müsse gehen und man habe
sich in Berlin (leider!) für den Letzteren entschieden.

Dieser Unthätigkeit ist nun ein Ende gemacht. Während man bisher fast
nur das Militär-, Post- und Telegraphenwesen durch preußische Beamte nach
Preußischem Muster energisch und erfolgreich organisirt hatte, sind jetzt um¬
fassende Organisationsarbeiten im Werk. Die Einführung der preußischen
Steuereinrichtungen wird rasch und eifrig betrieben. Allerdings werden bei
der Eile vielleicht einige Fehler gemacht, aber ein solcher Uebergang wird viel
leichter getragen, wenn er rasch geschieht, abgesehen von den höheren Rechts¬
und Billigkeitsrücksichten, welche verlangen, daß wir auch in Bezug auf die
Leistungen an den Staat am 1. October, wo wir erst eigentlich in den Verband
des preußischen Staates eintreten, den übrigen Provinzen gleichgestellt sind.
Mancherlei Unzufriedenheit werden diese neuen Steuereinrichtungen allerdings
erregen. Die. welche mehr geben müssen, als früher, werden laut klagen,
während die jetzt günstiger Gestellten sich still halten werden. Zwar sind wir
noch nicht in den Zollverein aufgenommen, aber durch Einführung des Zoll¬
vereinstarifs ist ein Uebergang angebahnt, wenn auch nur zum Bortheil einiger
Classen von Kaufleuten und weniger Fabrikanten und zum allgemeinen Nach¬
theil der Producenten, welchen die Colonialwaaren jetzt mit den hoben Vereins-
zöllen belastet werden, während sie die Vereinsländischen Industrieproducte nach
wie vor (wenn auch etwas niedriger) verzollen müssen. Doch heißt es jetzt sicher,
daß wir spätestens am 1. October im Zollverein sind. Die Einführung des
Preußischen Geldes steht für die nächste Zeit bevor. Ebenso die neue Organi¬
sation der Gerichts- und Verwaltungsbezirke. Und so wird ein Stück unseres
staatlichen Gerümpels nach dem anderen fallen und die Zeit ist nicht mehr fern,
wo die Gerichtsbarkeit der Damenklöster. die Patrimonialgerichte, das besondere
dithmarsische Indigenat und andere Schönheiten zur Mythe geworden sein werden.

Es versteht sich von selbst, daß zur Durchführung dieser Veränderungen
eine Menge altpreußischer Beamten nöthig ist. stach und nach erscheint denn,
auch ein neuer Beamter nach dem anderen, zum Entsetzen der alten, an welche
Nun ganz andere Anforderungen an Arbeit und Pünktlichkeit gestellt werden.

Das schöne behagliche Leben auf dem Bureau unb dem Amthause ist dahin,
für immer dahin, hohe Anforderungen zustellen, aber auch zu erfüllen, ist nun
einmal Preußischer Stil. Solche unschuldige Versehen, wie daß bei der Vorbe¬
reitung zu den Reichstagswahlen ein ganzes Dorf schier vergessen ward --
der Kladderadatsch hat den Fall unsterblich gemacht -- werden jetzt kaum noch
vorkommen dürfen. Man weiß, daß der Oberpräsident einen Mann aus seiner
nächsten persönlichen Anhängerschaft zu der Vicepräsidentenstelle vorgeschlagen


neral von Manteuffel. dessen Verdienste um Ausbreitung preußischer Gesinnung
in Schleswig nicht zu verachtten sind, hat das Land schon lange verlassen, es
heißt er habe verlangt, entweder Plessen oder er müsse gehen und man habe
sich in Berlin (leider!) für den Letzteren entschieden.

Dieser Unthätigkeit ist nun ein Ende gemacht. Während man bisher fast
nur das Militär-, Post- und Telegraphenwesen durch preußische Beamte nach
Preußischem Muster energisch und erfolgreich organisirt hatte, sind jetzt um¬
fassende Organisationsarbeiten im Werk. Die Einführung der preußischen
Steuereinrichtungen wird rasch und eifrig betrieben. Allerdings werden bei
der Eile vielleicht einige Fehler gemacht, aber ein solcher Uebergang wird viel
leichter getragen, wenn er rasch geschieht, abgesehen von den höheren Rechts¬
und Billigkeitsrücksichten, welche verlangen, daß wir auch in Bezug auf die
Leistungen an den Staat am 1. October, wo wir erst eigentlich in den Verband
des preußischen Staates eintreten, den übrigen Provinzen gleichgestellt sind.
Mancherlei Unzufriedenheit werden diese neuen Steuereinrichtungen allerdings
erregen. Die. welche mehr geben müssen, als früher, werden laut klagen,
während die jetzt günstiger Gestellten sich still halten werden. Zwar sind wir
noch nicht in den Zollverein aufgenommen, aber durch Einführung des Zoll¬
vereinstarifs ist ein Uebergang angebahnt, wenn auch nur zum Bortheil einiger
Classen von Kaufleuten und weniger Fabrikanten und zum allgemeinen Nach¬
theil der Producenten, welchen die Colonialwaaren jetzt mit den hoben Vereins-
zöllen belastet werden, während sie die Vereinsländischen Industrieproducte nach
wie vor (wenn auch etwas niedriger) verzollen müssen. Doch heißt es jetzt sicher,
daß wir spätestens am 1. October im Zollverein sind. Die Einführung des
Preußischen Geldes steht für die nächste Zeit bevor. Ebenso die neue Organi¬
sation der Gerichts- und Verwaltungsbezirke. Und so wird ein Stück unseres
staatlichen Gerümpels nach dem anderen fallen und die Zeit ist nicht mehr fern,
wo die Gerichtsbarkeit der Damenklöster. die Patrimonialgerichte, das besondere
dithmarsische Indigenat und andere Schönheiten zur Mythe geworden sein werden.

Es versteht sich von selbst, daß zur Durchführung dieser Veränderungen
eine Menge altpreußischer Beamten nöthig ist. stach und nach erscheint denn,
auch ein neuer Beamter nach dem anderen, zum Entsetzen der alten, an welche
Nun ganz andere Anforderungen an Arbeit und Pünktlichkeit gestellt werden.

Das schöne behagliche Leben auf dem Bureau unb dem Amthause ist dahin,
für immer dahin, hohe Anforderungen zustellen, aber auch zu erfüllen, ist nun
einmal Preußischer Stil. Solche unschuldige Versehen, wie daß bei der Vorbe¬
reitung zu den Reichstagswahlen ein ganzes Dorf schier vergessen ward —
der Kladderadatsch hat den Fall unsterblich gemacht — werden jetzt kaum noch
vorkommen dürfen. Man weiß, daß der Oberpräsident einen Mann aus seiner
nächsten persönlichen Anhängerschaft zu der Vicepräsidentenstelle vorgeschlagen


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_349917/487>, abgerufen am 29.06.2024.