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Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. II. Band.

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Herrscherhaus, wie geringe Ansprüche auf Achtung und Liebe dasselbe auch irrt
Grunde machen kann. Die Beamtenkreise, in den andern neu erworbenen Ge¬
bieten die Träger der Opposition, haben sich in den Herzogthümern leicht un¬
terworfen, nicht grade alle freudigen Herzens -- denn es graute manchem vor
preußischer Arbeit, Zucht und Ordnung, vor dem Aufgeben des otium eum äiß-
nituw -- aber politische Skrupel haben verhältnißmäßig wenige gehabt. Und im
Ganzen kann sich die Regierung auf ihre Willfährigkeit verlassen. Und endlich
woher sollte eine Schleswig-holsteinische Legion ihre Mannschaften nehmen? Die
Kämpfer der Kriege von 1848 -- 60 sind längst ruhige Bürger und Familien¬
väter; die, welche in dänischen Dienst gestanden haben, sind begreiflicherweise
erst recht nicht zu Schleswig-holsteinisch'fcanzösischen Freiheitshelden brauchbar.
Also die Gründe sind einleuchtend, welche bei uns ähnliche Thorheiten hintan¬
gehalten haben, wie sie die Kriegsvefürchtungcn dieses Frühjahrs in Hannover
erzeugten, ohne daß unser Land sich dessen besonders zu rühmen hätte. Bis
dasselbe lernt, sich wirtlich mit Stolz preußisch zu fühlen, wird noch eine ziem¬
liche Zeit vergehen, aber zu erleben hoffen wir doch selbst noch diese Zeit. Die
allgemeine Wehrpflicht, jetzt der Schrecken aller Kreise, wird eine Reihe guter
Preußen nach der andern erziehen, der Durchführung der Einrichtungen des
modernen Staates, so sehr sie anfangs nach allen Seiten hin Anstoß erregen
muß, wild die Versöhnung vollenden.

Bis jetzt sind wir in diesem Organisationswerke freilich noch nicht weit
gediehen. Unser Oberpräsident, Baron von Scheel-Plessen, hat bis vor Kurzem
so gut wie nichts gethan , um eine Verschmelzung mit Altpreußen zu bewirken.
Er steht auf dem Standpunkt, möglichst viele- "Eigenthümlichkeiten" als "be¬
rechtigte" retten zu wollen, und wenn der schlaue Politiker auch gewiß erkannt
hat, daß das mittelalterliche Staatswesen nothwendig viele Aenderungen erfah¬
ren müsse, so hat er doch durchaus keine Lust dazu, die ihm persönlich sehr
zusagenden Verhälinisse so gründlich umzugestalten, wie es nöthig ist. Bos¬
hafte Menschen wagen sogar die Behauptung, der Oberpräsident suche alles
auf dem Fuß zu erhalten, daß auch der vollständigste Umschwung der Dinge ihn
nicht um seinen Posten zu bringen brauche. Daß Herr Baron von Scheel"
Plessen einer der größten dänischen Grundbesitzer und das einer seiner Brüder
dänischer Diplomat ist, mag neben der Erinnerung an seine Antecedentien zü
solchen Gedanken verführen. Jedenfalls hat er nicht angefangen, mit der Um¬
formung der Herzogthümer Ernst zu machen. Ebensowenig Interesse haben
daran natürlich die Beamten aus der dänischen Schule, mit denen er sich no'
gab oder die meisten sonstigen Oberbeamten , die von den Verbesserungen aller¬
dings eine sehr viel weniger behagliche Stellung für sich zu erwarten Hütten-
Herr von Zedlitz in Schleswig ist nicht der Mann dazu, dem Oberpräsidenten
gegenüber das wirklich Nothwendige energisch und mit Erfolg zu vertreten. M


Herrscherhaus, wie geringe Ansprüche auf Achtung und Liebe dasselbe auch irrt
Grunde machen kann. Die Beamtenkreise, in den andern neu erworbenen Ge¬
bieten die Träger der Opposition, haben sich in den Herzogthümern leicht un¬
terworfen, nicht grade alle freudigen Herzens — denn es graute manchem vor
preußischer Arbeit, Zucht und Ordnung, vor dem Aufgeben des otium eum äiß-
nituw — aber politische Skrupel haben verhältnißmäßig wenige gehabt. Und im
Ganzen kann sich die Regierung auf ihre Willfährigkeit verlassen. Und endlich
woher sollte eine Schleswig-holsteinische Legion ihre Mannschaften nehmen? Die
Kämpfer der Kriege von 1848 — 60 sind längst ruhige Bürger und Familien¬
väter; die, welche in dänischen Dienst gestanden haben, sind begreiflicherweise
erst recht nicht zu Schleswig-holsteinisch'fcanzösischen Freiheitshelden brauchbar.
Also die Gründe sind einleuchtend, welche bei uns ähnliche Thorheiten hintan¬
gehalten haben, wie sie die Kriegsvefürchtungcn dieses Frühjahrs in Hannover
erzeugten, ohne daß unser Land sich dessen besonders zu rühmen hätte. Bis
dasselbe lernt, sich wirtlich mit Stolz preußisch zu fühlen, wird noch eine ziem¬
liche Zeit vergehen, aber zu erleben hoffen wir doch selbst noch diese Zeit. Die
allgemeine Wehrpflicht, jetzt der Schrecken aller Kreise, wird eine Reihe guter
Preußen nach der andern erziehen, der Durchführung der Einrichtungen des
modernen Staates, so sehr sie anfangs nach allen Seiten hin Anstoß erregen
muß, wild die Versöhnung vollenden.

Bis jetzt sind wir in diesem Organisationswerke freilich noch nicht weit
gediehen. Unser Oberpräsident, Baron von Scheel-Plessen, hat bis vor Kurzem
so gut wie nichts gethan , um eine Verschmelzung mit Altpreußen zu bewirken.
Er steht auf dem Standpunkt, möglichst viele- „Eigenthümlichkeiten" als „be¬
rechtigte" retten zu wollen, und wenn der schlaue Politiker auch gewiß erkannt
hat, daß das mittelalterliche Staatswesen nothwendig viele Aenderungen erfah¬
ren müsse, so hat er doch durchaus keine Lust dazu, die ihm persönlich sehr
zusagenden Verhälinisse so gründlich umzugestalten, wie es nöthig ist. Bos¬
hafte Menschen wagen sogar die Behauptung, der Oberpräsident suche alles
auf dem Fuß zu erhalten, daß auch der vollständigste Umschwung der Dinge ihn
nicht um seinen Posten zu bringen brauche. Daß Herr Baron von Scheel»
Plessen einer der größten dänischen Grundbesitzer und das einer seiner Brüder
dänischer Diplomat ist, mag neben der Erinnerung an seine Antecedentien zü
solchen Gedanken verführen. Jedenfalls hat er nicht angefangen, mit der Um¬
formung der Herzogthümer Ernst zu machen. Ebensowenig Interesse haben
daran natürlich die Beamten aus der dänischen Schule, mit denen er sich no'
gab oder die meisten sonstigen Oberbeamten , die von den Verbesserungen aller¬
dings eine sehr viel weniger behagliche Stellung für sich zu erwarten Hütten-
Herr von Zedlitz in Schleswig ist nicht der Mann dazu, dem Oberpräsidenten
gegenüber das wirklich Nothwendige energisch und mit Erfolg zu vertreten. M


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[0486] Herrscherhaus, wie geringe Ansprüche auf Achtung und Liebe dasselbe auch irrt Grunde machen kann. Die Beamtenkreise, in den andern neu erworbenen Ge¬ bieten die Träger der Opposition, haben sich in den Herzogthümern leicht un¬ terworfen, nicht grade alle freudigen Herzens — denn es graute manchem vor preußischer Arbeit, Zucht und Ordnung, vor dem Aufgeben des otium eum äiß- nituw — aber politische Skrupel haben verhältnißmäßig wenige gehabt. Und im Ganzen kann sich die Regierung auf ihre Willfährigkeit verlassen. Und endlich woher sollte eine Schleswig-holsteinische Legion ihre Mannschaften nehmen? Die Kämpfer der Kriege von 1848 — 60 sind längst ruhige Bürger und Familien¬ väter; die, welche in dänischen Dienst gestanden haben, sind begreiflicherweise erst recht nicht zu Schleswig-holsteinisch'fcanzösischen Freiheitshelden brauchbar. Also die Gründe sind einleuchtend, welche bei uns ähnliche Thorheiten hintan¬ gehalten haben, wie sie die Kriegsvefürchtungcn dieses Frühjahrs in Hannover erzeugten, ohne daß unser Land sich dessen besonders zu rühmen hätte. Bis dasselbe lernt, sich wirtlich mit Stolz preußisch zu fühlen, wird noch eine ziem¬ liche Zeit vergehen, aber zu erleben hoffen wir doch selbst noch diese Zeit. Die allgemeine Wehrpflicht, jetzt der Schrecken aller Kreise, wird eine Reihe guter Preußen nach der andern erziehen, der Durchführung der Einrichtungen des modernen Staates, so sehr sie anfangs nach allen Seiten hin Anstoß erregen muß, wild die Versöhnung vollenden. Bis jetzt sind wir in diesem Organisationswerke freilich noch nicht weit gediehen. Unser Oberpräsident, Baron von Scheel-Plessen, hat bis vor Kurzem so gut wie nichts gethan , um eine Verschmelzung mit Altpreußen zu bewirken. Er steht auf dem Standpunkt, möglichst viele- „Eigenthümlichkeiten" als „be¬ rechtigte" retten zu wollen, und wenn der schlaue Politiker auch gewiß erkannt hat, daß das mittelalterliche Staatswesen nothwendig viele Aenderungen erfah¬ ren müsse, so hat er doch durchaus keine Lust dazu, die ihm persönlich sehr zusagenden Verhälinisse so gründlich umzugestalten, wie es nöthig ist. Bos¬ hafte Menschen wagen sogar die Behauptung, der Oberpräsident suche alles auf dem Fuß zu erhalten, daß auch der vollständigste Umschwung der Dinge ihn nicht um seinen Posten zu bringen brauche. Daß Herr Baron von Scheel» Plessen einer der größten dänischen Grundbesitzer und das einer seiner Brüder dänischer Diplomat ist, mag neben der Erinnerung an seine Antecedentien zü solchen Gedanken verführen. Jedenfalls hat er nicht angefangen, mit der Um¬ formung der Herzogthümer Ernst zu machen. Ebensowenig Interesse haben daran natürlich die Beamten aus der dänischen Schule, mit denen er sich no' gab oder die meisten sonstigen Oberbeamten , die von den Verbesserungen aller¬ dings eine sehr viel weniger behagliche Stellung für sich zu erwarten Hütten- Herr von Zedlitz in Schleswig ist nicht der Mann dazu, dem Oberpräsidenten gegenüber das wirklich Nothwendige energisch und mit Erfolg zu vertreten. M

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_349917/486>, abgerufen am 26.06.2024.