Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

Vor wenigen Monaten ausgesprochene Prophezeiung, die glänzenden Waffen¬
thaten des preußischen Heeres vom Sommer 1866 würden dem deutschen Vater-
lande und dessen Einheit kein Heil bringen, sei nur zu bald in Erfüllung
gegangen.

Nun, Herr Waldeck hat sich, wie ich bereits hervorgehoben, im entgegen¬
gesetzten Sinne ausgesprochen; und vielleicht hat Herr Waldeck einen begrün¬
deteren Anspruch auf den Titel des "ältesten Kämpfers für den Rechtsstaat in
Preußen", als Sie. Denn Herr Waldeck ist der Vater der Verfassung, welche
ja so oft von seinen Gegnern "la edarw Waldeck" genannt worden ist. Alle
Achtung vor Ihrem kritischen Talent und Ihrer Consequenz im Neinsagen, aber,
so glaube ich, eine positive That, wie diese That Waldecks, haben Sie nicht
aufzuweisen. Auch Ihr Parteigenosse Schulze-Delitsch. dessen große Verdienste
"Uf dem höchst positiven socialen und wirthschaftlichen Gebiete von Freund
und Feind, von In- und Ausland anerkannt sind, und dem vielleicht auch Sie
den Anspruch auf den Titel eines "Kämpfers für den Rechtsstaat" nicht streitig
Machen, hat in der Sitzung des Abgeordnetenhauses vom 29. Mai 1867 aus¬
drücklich anerkannt, wie sehr das Volk und seine Vertreter der Negierung zu
Dank verpflichtet sind für jene Erfolge, welche Sie als "Gewaltacte" und
"Trugbilder" brandmarken. Auch er schlägt den Takt zum Trommelwirbel der
Gewalt!

Aber weiter. Wozu sollen diese Parallelen zwischen Ihnen, Schulze-
Delitsch und Waldeck und Herrn Schrader dienen? Ich verfolge damit nur
den praktischen Zweck, auf Grund der oben constatirten Thatsachen zu fragen,
ob es ehrlich und wohlanständig ist. daß jenes Blatt, welches sich mit Ihrem
Namen ziert, diese himmelweiter Differenzen innerhalb Ihrer und seiner eigenen
Partei beharrlich ignorirt, vielmehr Ihre und seine Partei als eine fest-
geschlossene und einheitliche, welche sich im ausschließlichen Besitze des einen und
untheilbaren, alleinseligmachenden liberalen und fortschrittlichen Dogma befinde,
darstellt, während es jede anderweitige Abweichung, welche sich nicht der Auto-
Mt eines politischen Fortschrittspapstes unterwirft, als Fahnenflucht, Ketzerei
und Abfall vom richtigen Glauben bezeichnet?

Wir für unsere Person, wir Nationalliberalen, wissen recht gut, daß inner¬
halb unserer Partei zum öftern lebhafte Meinungsdifferenzen auftauchen. Wir
haben dessen auch kein Hehl und meiner Meinung auch gar keine Ursache,
uns darob zu schämen. Wäre es unsers Herrgotts Wille gewesen, daß alle
Menschen jeder Zeit accurat das Nämliche denken, fühlen und glauben, sollten,
so Wäre es ihm ohne Zweifel eine Kleinigkeit gewesen, uns alle mit einander
genau in der nämlichen Form zu backen. Da er das aber nicht gethan hat,
so vermuthen wir, daß es nicht sein Wille war. Wir sind daher weit entfernt,
stets unsere Meinung für die absolut unveränderliche und unverbesserliche


Vttnzboten II. 18S7. 60

Vor wenigen Monaten ausgesprochene Prophezeiung, die glänzenden Waffen¬
thaten des preußischen Heeres vom Sommer 1866 würden dem deutschen Vater-
lande und dessen Einheit kein Heil bringen, sei nur zu bald in Erfüllung
gegangen.

Nun, Herr Waldeck hat sich, wie ich bereits hervorgehoben, im entgegen¬
gesetzten Sinne ausgesprochen; und vielleicht hat Herr Waldeck einen begrün¬
deteren Anspruch auf den Titel des „ältesten Kämpfers für den Rechtsstaat in
Preußen", als Sie. Denn Herr Waldeck ist der Vater der Verfassung, welche
ja so oft von seinen Gegnern „la edarw Waldeck" genannt worden ist. Alle
Achtung vor Ihrem kritischen Talent und Ihrer Consequenz im Neinsagen, aber,
so glaube ich, eine positive That, wie diese That Waldecks, haben Sie nicht
aufzuweisen. Auch Ihr Parteigenosse Schulze-Delitsch. dessen große Verdienste
«Uf dem höchst positiven socialen und wirthschaftlichen Gebiete von Freund
und Feind, von In- und Ausland anerkannt sind, und dem vielleicht auch Sie
den Anspruch auf den Titel eines „Kämpfers für den Rechtsstaat" nicht streitig
Machen, hat in der Sitzung des Abgeordnetenhauses vom 29. Mai 1867 aus¬
drücklich anerkannt, wie sehr das Volk und seine Vertreter der Negierung zu
Dank verpflichtet sind für jene Erfolge, welche Sie als „Gewaltacte" und
»Trugbilder" brandmarken. Auch er schlägt den Takt zum Trommelwirbel der
Gewalt!

Aber weiter. Wozu sollen diese Parallelen zwischen Ihnen, Schulze-
Delitsch und Waldeck und Herrn Schrader dienen? Ich verfolge damit nur
den praktischen Zweck, auf Grund der oben constatirten Thatsachen zu fragen,
ob es ehrlich und wohlanständig ist. daß jenes Blatt, welches sich mit Ihrem
Namen ziert, diese himmelweiter Differenzen innerhalb Ihrer und seiner eigenen
Partei beharrlich ignorirt, vielmehr Ihre und seine Partei als eine fest-
geschlossene und einheitliche, welche sich im ausschließlichen Besitze des einen und
untheilbaren, alleinseligmachenden liberalen und fortschrittlichen Dogma befinde,
darstellt, während es jede anderweitige Abweichung, welche sich nicht der Auto-
Mt eines politischen Fortschrittspapstes unterwirft, als Fahnenflucht, Ketzerei
und Abfall vom richtigen Glauben bezeichnet?

Wir für unsere Person, wir Nationalliberalen, wissen recht gut, daß inner¬
halb unserer Partei zum öftern lebhafte Meinungsdifferenzen auftauchen. Wir
haben dessen auch kein Hehl und meiner Meinung auch gar keine Ursache,
uns darob zu schämen. Wäre es unsers Herrgotts Wille gewesen, daß alle
Menschen jeder Zeit accurat das Nämliche denken, fühlen und glauben, sollten,
so Wäre es ihm ohne Zweifel eine Kleinigkeit gewesen, uns alle mit einander
genau in der nämlichen Form zu backen. Da er das aber nicht gethan hat,
so vermuthen wir, daß es nicht sein Wille war. Wir sind daher weit entfernt,
stets unsere Meinung für die absolut unveränderliche und unverbesserliche


Vttnzboten II. 18S7. 60
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0473" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/191167"/>
          <p xml:id="ID_1534" prev="#ID_1533"> Vor wenigen Monaten ausgesprochene Prophezeiung, die glänzenden Waffen¬<lb/>
thaten des preußischen Heeres vom Sommer 1866 würden dem deutschen Vater-<lb/>
lande und dessen Einheit kein Heil bringen, sei nur zu bald in Erfüllung<lb/>
gegangen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1535"> Nun, Herr Waldeck hat sich, wie ich bereits hervorgehoben, im entgegen¬<lb/>
gesetzten Sinne ausgesprochen; und vielleicht hat Herr Waldeck einen begrün¬<lb/>
deteren Anspruch auf den Titel des &#x201E;ältesten Kämpfers für den Rechtsstaat in<lb/>
Preußen", als Sie. Denn Herr Waldeck ist der Vater der Verfassung, welche<lb/>
ja so oft von seinen Gegnern &#x201E;la edarw Waldeck" genannt worden ist. Alle<lb/>
Achtung vor Ihrem kritischen Talent und Ihrer Consequenz im Neinsagen, aber,<lb/>
so glaube ich, eine positive That, wie diese That Waldecks, haben Sie nicht<lb/>
aufzuweisen. Auch Ihr Parteigenosse Schulze-Delitsch. dessen große Verdienste<lb/>
«Uf dem höchst positiven socialen und wirthschaftlichen Gebiete von Freund<lb/>
und Feind, von In- und Ausland anerkannt sind, und dem vielleicht auch Sie<lb/>
den Anspruch auf den Titel eines &#x201E;Kämpfers für den Rechtsstaat" nicht streitig<lb/>
Machen, hat in der Sitzung des Abgeordnetenhauses vom 29. Mai 1867 aus¬<lb/>
drücklich anerkannt, wie sehr das Volk und seine Vertreter der Negierung zu<lb/>
Dank verpflichtet sind für jene Erfolge, welche Sie als &#x201E;Gewaltacte" und<lb/>
»Trugbilder" brandmarken. Auch er schlägt den Takt zum Trommelwirbel der<lb/>
Gewalt!</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1536"> Aber weiter. Wozu sollen diese Parallelen zwischen Ihnen, Schulze-<lb/>
Delitsch und Waldeck und Herrn Schrader dienen? Ich verfolge damit nur<lb/>
den praktischen Zweck, auf Grund der oben constatirten Thatsachen zu fragen,<lb/>
ob es ehrlich und wohlanständig ist. daß jenes Blatt, welches sich mit Ihrem<lb/>
Namen ziert, diese himmelweiter Differenzen innerhalb Ihrer und seiner eigenen<lb/>
Partei beharrlich ignorirt, vielmehr Ihre und seine Partei als eine fest-<lb/>
geschlossene und einheitliche, welche sich im ausschließlichen Besitze des einen und<lb/>
untheilbaren, alleinseligmachenden liberalen und fortschrittlichen Dogma befinde,<lb/>
darstellt, während es jede anderweitige Abweichung, welche sich nicht der Auto-<lb/>
Mt eines politischen Fortschrittspapstes unterwirft, als Fahnenflucht, Ketzerei<lb/>
und Abfall vom richtigen Glauben bezeichnet?</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1537" next="#ID_1538"> Wir für unsere Person, wir Nationalliberalen, wissen recht gut, daß inner¬<lb/>
halb unserer Partei zum öftern lebhafte Meinungsdifferenzen auftauchen. Wir<lb/>
haben dessen auch kein Hehl und meiner Meinung auch gar keine Ursache,<lb/>
uns darob zu schämen. Wäre es unsers Herrgotts Wille gewesen, daß alle<lb/>
Menschen jeder Zeit accurat das Nämliche denken, fühlen und glauben, sollten,<lb/>
so Wäre es ihm ohne Zweifel eine Kleinigkeit gewesen, uns alle mit einander<lb/>
genau in der nämlichen Form zu backen. Da er das aber nicht gethan hat,<lb/>
so vermuthen wir, daß es nicht sein Wille war. Wir sind daher weit entfernt,<lb/>
stets unsere Meinung für die absolut unveränderliche und unverbesserliche</p><lb/>
          <fw type="sig" place="bottom"> Vttnzboten II. 18S7. 60</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0473] Vor wenigen Monaten ausgesprochene Prophezeiung, die glänzenden Waffen¬ thaten des preußischen Heeres vom Sommer 1866 würden dem deutschen Vater- lande und dessen Einheit kein Heil bringen, sei nur zu bald in Erfüllung gegangen. Nun, Herr Waldeck hat sich, wie ich bereits hervorgehoben, im entgegen¬ gesetzten Sinne ausgesprochen; und vielleicht hat Herr Waldeck einen begrün¬ deteren Anspruch auf den Titel des „ältesten Kämpfers für den Rechtsstaat in Preußen", als Sie. Denn Herr Waldeck ist der Vater der Verfassung, welche ja so oft von seinen Gegnern „la edarw Waldeck" genannt worden ist. Alle Achtung vor Ihrem kritischen Talent und Ihrer Consequenz im Neinsagen, aber, so glaube ich, eine positive That, wie diese That Waldecks, haben Sie nicht aufzuweisen. Auch Ihr Parteigenosse Schulze-Delitsch. dessen große Verdienste «Uf dem höchst positiven socialen und wirthschaftlichen Gebiete von Freund und Feind, von In- und Ausland anerkannt sind, und dem vielleicht auch Sie den Anspruch auf den Titel eines „Kämpfers für den Rechtsstaat" nicht streitig Machen, hat in der Sitzung des Abgeordnetenhauses vom 29. Mai 1867 aus¬ drücklich anerkannt, wie sehr das Volk und seine Vertreter der Negierung zu Dank verpflichtet sind für jene Erfolge, welche Sie als „Gewaltacte" und »Trugbilder" brandmarken. Auch er schlägt den Takt zum Trommelwirbel der Gewalt! Aber weiter. Wozu sollen diese Parallelen zwischen Ihnen, Schulze- Delitsch und Waldeck und Herrn Schrader dienen? Ich verfolge damit nur den praktischen Zweck, auf Grund der oben constatirten Thatsachen zu fragen, ob es ehrlich und wohlanständig ist. daß jenes Blatt, welches sich mit Ihrem Namen ziert, diese himmelweiter Differenzen innerhalb Ihrer und seiner eigenen Partei beharrlich ignorirt, vielmehr Ihre und seine Partei als eine fest- geschlossene und einheitliche, welche sich im ausschließlichen Besitze des einen und untheilbaren, alleinseligmachenden liberalen und fortschrittlichen Dogma befinde, darstellt, während es jede anderweitige Abweichung, welche sich nicht der Auto- Mt eines politischen Fortschrittspapstes unterwirft, als Fahnenflucht, Ketzerei und Abfall vom richtigen Glauben bezeichnet? Wir für unsere Person, wir Nationalliberalen, wissen recht gut, daß inner¬ halb unserer Partei zum öftern lebhafte Meinungsdifferenzen auftauchen. Wir haben dessen auch kein Hehl und meiner Meinung auch gar keine Ursache, uns darob zu schämen. Wäre es unsers Herrgotts Wille gewesen, daß alle Menschen jeder Zeit accurat das Nämliche denken, fühlen und glauben, sollten, so Wäre es ihm ohne Zweifel eine Kleinigkeit gewesen, uns alle mit einander genau in der nämlichen Form zu backen. Da er das aber nicht gethan hat, so vermuthen wir, daß es nicht sein Wille war. Wir sind daher weit entfernt, stets unsere Meinung für die absolut unveränderliche und unverbesserliche Vttnzboten II. 18S7. 60

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_349917
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_349917/473
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_349917/473>, abgerufen am 22.07.2024.