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Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. II. Band.

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Wie wird nun der Staatshaushalt in England wirklich formell behandelt?

Erstens, Vor allen Dingen giebt es in England gar kein Budget in
dem Sinne, den wir damit verbinden, d. h. es giebt keinen die ganze Ein¬
nahme und Ausgabe des Staates begreifenden Etat, der von der Regierung
dem Parlamente jährlich vorgelegt und nach der Bewilligung in der Form des
Gesetzes festgestellt würde. Vielmehr: was das Parlament jährlich bewilligt
und was dann in der Form eines Gesetzes festgestellt wird, ist nur ein Theil
der Staatseinnahmc und Ausgabe.

Zweitens. Der bei weitem größte Theil der Einnahme (ungefähr vier
Fünftel davon) und beinahe die Hälfte der Ausgaben beruht auf permanenten
Gesetzen, nicht auf jährlicher Bewilligung des Parlaments.

Die Gesammteinnahme und Ausgabe betrug in den letzten Jahren zwischen
60 und 70 Millionen Sterling. Davon bewilligte das Parlament jährlich nur
etwa 13 Millionen in der Einnahme und gegen 40 Millionen in der Ausgabe.
Es wurden also einige und S0 Millionen respective 30 Millionen ohne beson¬
dere parlameniarische Bewilligung auf Grund permanenter, freilich mit Zustim¬
mung des Parlaments erlassener Gesetze erhoben respective verausgabt.

Drittens. Welcher A>t sind nun, wird man s>ager, diese gesetzlich
feststehenden Einnahmen und Ausgaben?

Was die Einnahmen anlangt, so steht, wie gesagt, deren weit über¬
wiegende Masse gesetzlich fest, also stellen wir wohl die Frage zweckmäßiger
so: welche Einnahmen stehen nicht gesetzlich fest, beruhen auf jährlicher Be¬
willigung? Die Tendenz geht im Allgemeinen dahin, die auf Jahresbewilligung
beruhenden Einnahmen zu beschränken, aber der Jahresbcwilligung doch immer
einen erheblichen Betrag zu überlassen. Wie, durch welche Steuern und Ab¬
gaben derselbe aufzubüngen? das hängt natürlich von der wechselnden Finanz-
und Handelspolitik ab. In den letzten Jahren bestand ter aus der Jahres¬
bewilligung ruhende Theil der Einnahme regelmäßig aus dem Ertrage:

1) der Einkommensteuer,
2) einzelner Abgaben von bestimmten Artikeln, z. B. Thee, Zucker.
Die gesetzlich feststehenden Ausgaben sind hauptsächlich folgende:
die Civilliste und die Apanagen der königlichen Familie;
die Zinsen der Staatsschuld (1866: über 26 Millionen) und der Schatz¬
scheine;
die Gekalte und Pensionen des diplomatischen Dienstes;
Geholte und Pensionen der richteilichen Beamten (M. nicht des sub¬
alternen Gerichtspersonals);
Gehalte einiger hoher Functionäre, z. B. des Sprechers des Unterhauses,
des Generalcontrolcurs des Schatzes, der Mitglieder der Oberrechcn-
tammer.

Wie wird nun der Staatshaushalt in England wirklich formell behandelt?

Erstens, Vor allen Dingen giebt es in England gar kein Budget in
dem Sinne, den wir damit verbinden, d. h. es giebt keinen die ganze Ein¬
nahme und Ausgabe des Staates begreifenden Etat, der von der Regierung
dem Parlamente jährlich vorgelegt und nach der Bewilligung in der Form des
Gesetzes festgestellt würde. Vielmehr: was das Parlament jährlich bewilligt
und was dann in der Form eines Gesetzes festgestellt wird, ist nur ein Theil
der Staatseinnahmc und Ausgabe.

Zweitens. Der bei weitem größte Theil der Einnahme (ungefähr vier
Fünftel davon) und beinahe die Hälfte der Ausgaben beruht auf permanenten
Gesetzen, nicht auf jährlicher Bewilligung des Parlaments.

Die Gesammteinnahme und Ausgabe betrug in den letzten Jahren zwischen
60 und 70 Millionen Sterling. Davon bewilligte das Parlament jährlich nur
etwa 13 Millionen in der Einnahme und gegen 40 Millionen in der Ausgabe.
Es wurden also einige und S0 Millionen respective 30 Millionen ohne beson¬
dere parlameniarische Bewilligung auf Grund permanenter, freilich mit Zustim¬
mung des Parlaments erlassener Gesetze erhoben respective verausgabt.

Drittens. Welcher A>t sind nun, wird man s>ager, diese gesetzlich
feststehenden Einnahmen und Ausgaben?

Was die Einnahmen anlangt, so steht, wie gesagt, deren weit über¬
wiegende Masse gesetzlich fest, also stellen wir wohl die Frage zweckmäßiger
so: welche Einnahmen stehen nicht gesetzlich fest, beruhen auf jährlicher Be¬
willigung? Die Tendenz geht im Allgemeinen dahin, die auf Jahresbewilligung
beruhenden Einnahmen zu beschränken, aber der Jahresbcwilligung doch immer
einen erheblichen Betrag zu überlassen. Wie, durch welche Steuern und Ab¬
gaben derselbe aufzubüngen? das hängt natürlich von der wechselnden Finanz-
und Handelspolitik ab. In den letzten Jahren bestand ter aus der Jahres¬
bewilligung ruhende Theil der Einnahme regelmäßig aus dem Ertrage:

1) der Einkommensteuer,
2) einzelner Abgaben von bestimmten Artikeln, z. B. Thee, Zucker.
Die gesetzlich feststehenden Ausgaben sind hauptsächlich folgende:
die Civilliste und die Apanagen der königlichen Familie;
die Zinsen der Staatsschuld (1866: über 26 Millionen) und der Schatz¬
scheine;
die Gekalte und Pensionen des diplomatischen Dienstes;
Geholte und Pensionen der richteilichen Beamten (M. nicht des sub¬
alternen Gerichtspersonals);
Gehalte einiger hoher Functionäre, z. B. des Sprechers des Unterhauses,
des Generalcontrolcurs des Schatzes, der Mitglieder der Oberrechcn-
tammer.

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[0046] Wie wird nun der Staatshaushalt in England wirklich formell behandelt? Erstens, Vor allen Dingen giebt es in England gar kein Budget in dem Sinne, den wir damit verbinden, d. h. es giebt keinen die ganze Ein¬ nahme und Ausgabe des Staates begreifenden Etat, der von der Regierung dem Parlamente jährlich vorgelegt und nach der Bewilligung in der Form des Gesetzes festgestellt würde. Vielmehr: was das Parlament jährlich bewilligt und was dann in der Form eines Gesetzes festgestellt wird, ist nur ein Theil der Staatseinnahmc und Ausgabe. Zweitens. Der bei weitem größte Theil der Einnahme (ungefähr vier Fünftel davon) und beinahe die Hälfte der Ausgaben beruht auf permanenten Gesetzen, nicht auf jährlicher Bewilligung des Parlaments. Die Gesammteinnahme und Ausgabe betrug in den letzten Jahren zwischen 60 und 70 Millionen Sterling. Davon bewilligte das Parlament jährlich nur etwa 13 Millionen in der Einnahme und gegen 40 Millionen in der Ausgabe. Es wurden also einige und S0 Millionen respective 30 Millionen ohne beson¬ dere parlameniarische Bewilligung auf Grund permanenter, freilich mit Zustim¬ mung des Parlaments erlassener Gesetze erhoben respective verausgabt. Drittens. Welcher A>t sind nun, wird man s>ager, diese gesetzlich feststehenden Einnahmen und Ausgaben? Was die Einnahmen anlangt, so steht, wie gesagt, deren weit über¬ wiegende Masse gesetzlich fest, also stellen wir wohl die Frage zweckmäßiger so: welche Einnahmen stehen nicht gesetzlich fest, beruhen auf jährlicher Be¬ willigung? Die Tendenz geht im Allgemeinen dahin, die auf Jahresbewilligung beruhenden Einnahmen zu beschränken, aber der Jahresbcwilligung doch immer einen erheblichen Betrag zu überlassen. Wie, durch welche Steuern und Ab¬ gaben derselbe aufzubüngen? das hängt natürlich von der wechselnden Finanz- und Handelspolitik ab. In den letzten Jahren bestand ter aus der Jahres¬ bewilligung ruhende Theil der Einnahme regelmäßig aus dem Ertrage: 1) der Einkommensteuer, 2) einzelner Abgaben von bestimmten Artikeln, z. B. Thee, Zucker. Die gesetzlich feststehenden Ausgaben sind hauptsächlich folgende: die Civilliste und die Apanagen der königlichen Familie; die Zinsen der Staatsschuld (1866: über 26 Millionen) und der Schatz¬ scheine; die Gekalte und Pensionen des diplomatischen Dienstes; Geholte und Pensionen der richteilichen Beamten (M. nicht des sub¬ alternen Gerichtspersonals); Gehalte einiger hoher Functionäre, z. B. des Sprechers des Unterhauses, des Generalcontrolcurs des Schatzes, der Mitglieder der Oberrechcn- tammer.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_349917/46>, abgerufen am 01.07.2024.