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Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. II. Band.

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Der PanslaMsmus in Bautzen.

Die königl. sächsische Kreisstadt Bautzen oder Budissin. der Vorort des
östlichen Theils unserer viergliedriaen Monarchie, ist im engeren wie im wetteren
Vaterlande gegenwärtig als fleißige Producentin von ..Leinwand. Barchent.
Strumpf, und Tuchfabrikaten" bekannt. Selbst des patriotischen Pastors Franz
Otto Stichart "Sächsische Vaterlandsfunde", die bezüglich der kleinen aber
werthvollen Perle des deutschen Vaterlandes ziemlich genau Bescheid weiß und
keine Gelegenheit unbenutzt läßt, um der Jugend die hohe politische und cultur-
geschichtliche Bedeutung derselben nach allen Richtungen hin klar zu machen,
sckeint über Bautzen mangelhaft unterrichtet zu sein, denn sie weih von diesem
merkwürdigen Orte nur zu sagen, daß derselbe durch die oben erwähnten Fabri-
We berühmt ist. 11.237 Einwohner zählt, ein Gymnasium, ein katholisches Dom-
M, zwei Schullehrerseminare, eine Simultankirche besitzt. Und doch hat Bautzen
eine andere, höhere Bedeutung, die. grade weil sie den Historikern und Geo.
graphen unseres angeblich gründlichen Volkes entgangen ist. nicht länger unter
den Scheffel gestellt bleiben darf, sondern auf den Leuchter gehoben werden
muß. um zu leuchten, wie sie es verdient.

Wenn von politischen Parteien in Sachsen die Rede war. so hatte man
bisher eigentlich nur zwei angenommen und die Sitze derselben nach Dresden
und Leipzig verlegt. Weit gefehlt! Die Partei, welcher die Zukunft gebört.
ist nicht an der Elbe und nicht an der Pleiße, sondern an dem oberen Laufe
der Spree zu suchen, sie ist weder national-liberal, noch particularistisch-großdeutsch
geartet. -- sie ist überhaupt nicht deutsch, sondern national-slawisch und wird
durch ein Triumvirat geleitet, dessen Namen durch ihren fremdartigen Klang
sogleich verrathen, daß in Bautzen von Deutschland und den Deutschen seit lange
nicht mehr die Rede ist: sie heißen Schmaler. Deutschmann und Pech und
repräsentiren das Wendenvolk der Ober- und Niederlausitz, das, des deutschen
Druckes müde, des Tages harrt, an welchem es eingesetzt werden wird in die
Herrlichkeit, zu welcher es von Alters her berufen ist. um im Verein mit seinen
stammverwandten Brüdern an der Donau. Moldau. Moskwa und Wolga die
Herrschaft über die wurmstichige germanisch-romanische Culturwelt Europas zu
übernehmen. Benutzen wir die augenblickliche Abwesenheit dieser zum zweiten
großen Slawencongreß nach Moskau gewanderter Männer der Zukunft, um uns
über die Grundlagen ihres Regiments, wie über Tendenz und Umfang ihres
Strebens zu orientiren.


Der PanslaMsmus in Bautzen.

Die königl. sächsische Kreisstadt Bautzen oder Budissin. der Vorort des
östlichen Theils unserer viergliedriaen Monarchie, ist im engeren wie im wetteren
Vaterlande gegenwärtig als fleißige Producentin von ..Leinwand. Barchent.
Strumpf, und Tuchfabrikaten" bekannt. Selbst des patriotischen Pastors Franz
Otto Stichart „Sächsische Vaterlandsfunde", die bezüglich der kleinen aber
werthvollen Perle des deutschen Vaterlandes ziemlich genau Bescheid weiß und
keine Gelegenheit unbenutzt läßt, um der Jugend die hohe politische und cultur-
geschichtliche Bedeutung derselben nach allen Richtungen hin klar zu machen,
sckeint über Bautzen mangelhaft unterrichtet zu sein, denn sie weih von diesem
merkwürdigen Orte nur zu sagen, daß derselbe durch die oben erwähnten Fabri-
We berühmt ist. 11.237 Einwohner zählt, ein Gymnasium, ein katholisches Dom-
M, zwei Schullehrerseminare, eine Simultankirche besitzt. Und doch hat Bautzen
eine andere, höhere Bedeutung, die. grade weil sie den Historikern und Geo.
graphen unseres angeblich gründlichen Volkes entgangen ist. nicht länger unter
den Scheffel gestellt bleiben darf, sondern auf den Leuchter gehoben werden
muß. um zu leuchten, wie sie es verdient.

Wenn von politischen Parteien in Sachsen die Rede war. so hatte man
bisher eigentlich nur zwei angenommen und die Sitze derselben nach Dresden
und Leipzig verlegt. Weit gefehlt! Die Partei, welcher die Zukunft gebört.
ist nicht an der Elbe und nicht an der Pleiße, sondern an dem oberen Laufe
der Spree zu suchen, sie ist weder national-liberal, noch particularistisch-großdeutsch
geartet. — sie ist überhaupt nicht deutsch, sondern national-slawisch und wird
durch ein Triumvirat geleitet, dessen Namen durch ihren fremdartigen Klang
sogleich verrathen, daß in Bautzen von Deutschland und den Deutschen seit lange
nicht mehr die Rede ist: sie heißen Schmaler. Deutschmann und Pech und
repräsentiren das Wendenvolk der Ober- und Niederlausitz, das, des deutschen
Druckes müde, des Tages harrt, an welchem es eingesetzt werden wird in die
Herrlichkeit, zu welcher es von Alters her berufen ist. um im Verein mit seinen
stammverwandten Brüdern an der Donau. Moldau. Moskwa und Wolga die
Herrschaft über die wurmstichige germanisch-romanische Culturwelt Europas zu
übernehmen. Benutzen wir die augenblickliche Abwesenheit dieser zum zweiten
großen Slawencongreß nach Moskau gewanderter Männer der Zukunft, um uns
über die Grundlagen ihres Regiments, wie über Tendenz und Umfang ihres
Strebens zu orientiren.


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[0437] Der PanslaMsmus in Bautzen. Die königl. sächsische Kreisstadt Bautzen oder Budissin. der Vorort des östlichen Theils unserer viergliedriaen Monarchie, ist im engeren wie im wetteren Vaterlande gegenwärtig als fleißige Producentin von ..Leinwand. Barchent. Strumpf, und Tuchfabrikaten" bekannt. Selbst des patriotischen Pastors Franz Otto Stichart „Sächsische Vaterlandsfunde", die bezüglich der kleinen aber werthvollen Perle des deutschen Vaterlandes ziemlich genau Bescheid weiß und keine Gelegenheit unbenutzt läßt, um der Jugend die hohe politische und cultur- geschichtliche Bedeutung derselben nach allen Richtungen hin klar zu machen, sckeint über Bautzen mangelhaft unterrichtet zu sein, denn sie weih von diesem merkwürdigen Orte nur zu sagen, daß derselbe durch die oben erwähnten Fabri- We berühmt ist. 11.237 Einwohner zählt, ein Gymnasium, ein katholisches Dom- M, zwei Schullehrerseminare, eine Simultankirche besitzt. Und doch hat Bautzen eine andere, höhere Bedeutung, die. grade weil sie den Historikern und Geo. graphen unseres angeblich gründlichen Volkes entgangen ist. nicht länger unter den Scheffel gestellt bleiben darf, sondern auf den Leuchter gehoben werden muß. um zu leuchten, wie sie es verdient. Wenn von politischen Parteien in Sachsen die Rede war. so hatte man bisher eigentlich nur zwei angenommen und die Sitze derselben nach Dresden und Leipzig verlegt. Weit gefehlt! Die Partei, welcher die Zukunft gebört. ist nicht an der Elbe und nicht an der Pleiße, sondern an dem oberen Laufe der Spree zu suchen, sie ist weder national-liberal, noch particularistisch-großdeutsch geartet. — sie ist überhaupt nicht deutsch, sondern national-slawisch und wird durch ein Triumvirat geleitet, dessen Namen durch ihren fremdartigen Klang sogleich verrathen, daß in Bautzen von Deutschland und den Deutschen seit lange nicht mehr die Rede ist: sie heißen Schmaler. Deutschmann und Pech und repräsentiren das Wendenvolk der Ober- und Niederlausitz, das, des deutschen Druckes müde, des Tages harrt, an welchem es eingesetzt werden wird in die Herrlichkeit, zu welcher es von Alters her berufen ist. um im Verein mit seinen stammverwandten Brüdern an der Donau. Moldau. Moskwa und Wolga die Herrschaft über die wurmstichige germanisch-romanische Culturwelt Europas zu übernehmen. Benutzen wir die augenblickliche Abwesenheit dieser zum zweiten großen Slawencongreß nach Moskau gewanderter Männer der Zukunft, um uns über die Grundlagen ihres Regiments, wie über Tendenz und Umfang ihres Strebens zu orientiren.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_349917/437>, abgerufen am 24.08.2024.