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Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. II. Band.

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Wicklung zahlreiche neue kleine Grundsteine hinzubringen wollen. DaS ganze
fremdartige Product des Jahres 1866 widerstrebt solcher Emendation, Es läßt
z, B. sehr zweifelhaft, wie die Geschäfte der neuen Föderation besorgt werden,
welchen Antheil die Kommissare der verbündeten Regierungen, die ständigen
Commissionen des Bundesrathes an den laufenden Geschäften haben sollen.
Ursache ist wahrscheinlich, daß der preußischen Regierung das Detail selbst noch
nicht deutlich ist, und daß sie nur an dem Einen festhalten wird, die Summe
der Gewalt nicht aus den Händen zu geben. Ihr liegt vor allem daran, gegen¬
über den Bundesgenossen sich immer auf den festen Organismus des preußischen
Staates stützen zu können, und andrerseits den Bundesgenossen und deren
höchsten Beamten wieder durch eine gewisse Betheiligung das Gefühl der Mit¬
wirkung zu geben. Bei solchem Spielraum, den die Regierung sich für künftige
Bildungen vorbehalten hat, kann von einer politischen Verantwortlichkeit der
Bundcscommissare oder des Bundeskanzlers gegenüber dem Reichstag noch nicht
die Rede sein. Die darauf bezüglichen Anträge der Linken wurden mit Fug
abgelehnt, aber auch die Amendements von Bennigsen, welche nur die ersten
Ansätze zu Verantwortlicher Fachministerien zu schaffen versuchen, riefen einen
lebhaften Kampf bei der Abstimmung am 28. hervor, welcher mit der völligen
vorläufigen Abwerfung des Artikel 12 durch 1 Stimme Majorität endete.
Es wäre kein gutes Omen für das Gelingen der Vereinbarung, wenn ähn¬
liche Abstimmungsconflicte wiederkehrten.

Den Mitgliedern der gemäßigten Opposition, welche sehr aufrichtig das
Gelingen der Vereinbarung wünschen, kann im Eifer ihrer Arbeit wohl begegnen,
daß sie übersehen, wie sehr auch 'die äußere Lage schnell zu großen Modifica-
tionen der Bundesverfassung drängen wird. Die Veröffentlichung der militä¬
rischen Bündnisse mit den Südstaaten hat große Sensation hervorgerufen und
man hat dieselben als einen unerwarteten Beweis für die Stärke der preußi¬
schen Position bei uns mit Freuden begrüßt, in Frankreich und Oestreich mit
Zorn oder Resignation aufgenommen. Gewiß sind diese Bündnisse ein Beweis
der starken Position, welche Preußen im Herbst vorigen Jahres einnahm. Ob
auch ihre Veröffentlichung ein Zeichen des 'fortschreitenden preußischen Einflusses
war, vermag nicht zu übersehen, wer außerhalb der Geschäfte steht. Aber man
möchte daran zweifeln. Denn offenbar war die nächste Absicht der Veröffent-
lichung, das Ministerium Hohenlohe in Bayern von dem Vorwurf frei zu
machen, daß es die Bayern an Preußen ausliefere, und dadurch seinen Sturz
zu verhindern. Daß Preußen wenige Monate nach dem Bündniß schon um
die Herrschaft östreichischen oder französischen Einflusses in den größeren Süd¬
staaten besorgt sein muß, ist nicht bequem. Ferner aber ist Preußen durch diese
Veröffentlichung und durch die dem Reichstag verkündigte Aussicht auf den
Zutritt der Südstaaten zu einem Zollparlament aus der vornehmen Kälte


Wicklung zahlreiche neue kleine Grundsteine hinzubringen wollen. DaS ganze
fremdartige Product des Jahres 1866 widerstrebt solcher Emendation, Es läßt
z, B. sehr zweifelhaft, wie die Geschäfte der neuen Föderation besorgt werden,
welchen Antheil die Kommissare der verbündeten Regierungen, die ständigen
Commissionen des Bundesrathes an den laufenden Geschäften haben sollen.
Ursache ist wahrscheinlich, daß der preußischen Regierung das Detail selbst noch
nicht deutlich ist, und daß sie nur an dem Einen festhalten wird, die Summe
der Gewalt nicht aus den Händen zu geben. Ihr liegt vor allem daran, gegen¬
über den Bundesgenossen sich immer auf den festen Organismus des preußischen
Staates stützen zu können, und andrerseits den Bundesgenossen und deren
höchsten Beamten wieder durch eine gewisse Betheiligung das Gefühl der Mit¬
wirkung zu geben. Bei solchem Spielraum, den die Regierung sich für künftige
Bildungen vorbehalten hat, kann von einer politischen Verantwortlichkeit der
Bundcscommissare oder des Bundeskanzlers gegenüber dem Reichstag noch nicht
die Rede sein. Die darauf bezüglichen Anträge der Linken wurden mit Fug
abgelehnt, aber auch die Amendements von Bennigsen, welche nur die ersten
Ansätze zu Verantwortlicher Fachministerien zu schaffen versuchen, riefen einen
lebhaften Kampf bei der Abstimmung am 28. hervor, welcher mit der völligen
vorläufigen Abwerfung des Artikel 12 durch 1 Stimme Majorität endete.
Es wäre kein gutes Omen für das Gelingen der Vereinbarung, wenn ähn¬
liche Abstimmungsconflicte wiederkehrten.

Den Mitgliedern der gemäßigten Opposition, welche sehr aufrichtig das
Gelingen der Vereinbarung wünschen, kann im Eifer ihrer Arbeit wohl begegnen,
daß sie übersehen, wie sehr auch 'die äußere Lage schnell zu großen Modifica-
tionen der Bundesverfassung drängen wird. Die Veröffentlichung der militä¬
rischen Bündnisse mit den Südstaaten hat große Sensation hervorgerufen und
man hat dieselben als einen unerwarteten Beweis für die Stärke der preußi¬
schen Position bei uns mit Freuden begrüßt, in Frankreich und Oestreich mit
Zorn oder Resignation aufgenommen. Gewiß sind diese Bündnisse ein Beweis
der starken Position, welche Preußen im Herbst vorigen Jahres einnahm. Ob
auch ihre Veröffentlichung ein Zeichen des 'fortschreitenden preußischen Einflusses
war, vermag nicht zu übersehen, wer außerhalb der Geschäfte steht. Aber man
möchte daran zweifeln. Denn offenbar war die nächste Absicht der Veröffent-
lichung, das Ministerium Hohenlohe in Bayern von dem Vorwurf frei zu
machen, daß es die Bayern an Preußen ausliefere, und dadurch seinen Sturz
zu verhindern. Daß Preußen wenige Monate nach dem Bündniß schon um
die Herrschaft östreichischen oder französischen Einflusses in den größeren Süd¬
staaten besorgt sein muß, ist nicht bequem. Ferner aber ist Preußen durch diese
Veröffentlichung und durch die dem Reichstag verkündigte Aussicht auf den
Zutritt der Südstaaten zu einem Zollparlament aus der vornehmen Kälte


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_349917/43>, abgerufen am 03.07.2024.