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Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. II. Band.

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12 leichten Geschütze aber sämmtlich auf dem Oberdeck führte. Manchem von
uns steht das kleine, scharfgebaute Kriegsschiff noch lebhaft vor Augen,
ein flüchtiges Fahrzeug mit zierlicher Takelage! Man hat nach dem Unter¬
gange des Schiffs die Takelage als zu hoch bezeichnet, und diese "Ueber-
mastung" als Ursache des Unglücks angegeben. Aber die Dimensionen der
Bemastung waren gar nicht so übermäßig: der Großmast war nur 62 Fuß
hoch, wovon 61 Fuß über Deck ragten und davon kamen noch 9 Fuß auf den
Top, der Fockmast war noch um 3 Fuß, der hinterste, der Kreuznaht, um 6 Fuß
kürzer, und das bei einem Schiff, dessen Rumpf im Ganzen 105 Fuß Länge
(zwischen den Perpendikeln). 28'/4 Fuß größte Breite in der oberen Wasserlinie
und eine Tiefe im Raum (Oberkante des Deckbalkens bis Oberkante des Kiels)
von 11 Fuß hatte. Die "Amazone" war ursprünglich, noch ehe an die Bil¬
dung einer preußischen Marine zu denken war, als Schulschiff für die Navi¬
gationsschüler in Grabow, einer unterhalb Stettin an der Oder gelegenen Vor¬
stadt, gebaut und benutzt worden, ward aber dann von König Friedrich
Wilhelm dem Vierten, als man an Gründung einer Seemacht ging, als erstes
Kriegsschiff für die Flotte überwiesen.

Als solches machte sie mehrfach weitere Uebungsrcisen. unter anderen
die in weiteren Kreisen bekannte Reise nach Brasilien, und ward später als
Schulschiff für die Seecadetten benutzt, wie jetzt die "Niobe", fand aber bei
der letzten derartigen Fahrt mit einer leider zahlreichen Besatzung von See¬
cadetten, einem guten Theil der hoffnungsvollen Jugend unserer Flotte, unter
dem tüchtigen Lieutenant Hermann an der holländischen Küste ihren Unter¬
gang, indem sie wahrscheinlich durch den übermächtigen Orkan auf den Strand
getrieben wurde. Tief wurde der Verlust im ganzen Lande empfunden. Die
.Amazone" hatte als Segler vorzügliche Eigenschaften: unter Segel machte sie
bei günstigen Witterungsverhältnissen bis zu 12,8 Knoten in der Stunde, d. h.
mehr als 3 deutsche Meilen in der Stunde, während Seedampfcr durchschnittlich
nur 10 Knoten machen (1 Knoten ^ 1 Seemeile d. h. V< deutsche Meile in
der Stunde), und außerdem zeichnete sie sich noch dadurch aus, daß sie so scharf
Wie wenige Schiffe beim Winde zu segeln vermochte.

Auch der kleine Schooner " Frau enlob ", 3, im Jahre 1853 aus freiwilligen
Geldbeiträgen deutscher Frauen erbaut, der die ostasiatische Expedition mitmachte,
fand durch einen Orkan in der südchinesischen See seinen Untergang. Der
sonstige Abgang an Segelschiffen, den die preußische Flotte seit ihrer Grün¬
dung erlitten hat, beschränkt sich auf wenige Fahrzeuge: das Transportschiff
"Merkur". 6, das beim Entstehen der Marine von der königl. Seehandlung
übernommen wurde, dann seiner Zeit als Schiffsjungenübungsschiff in der
Ostsee diente, und endlich wegen der gefährlichen in seinen Jnhölzern wüthen¬
den Trockensäule abgewrackt und als altes Holz verkauft werden mußte; das


12 leichten Geschütze aber sämmtlich auf dem Oberdeck führte. Manchem von
uns steht das kleine, scharfgebaute Kriegsschiff noch lebhaft vor Augen,
ein flüchtiges Fahrzeug mit zierlicher Takelage! Man hat nach dem Unter¬
gange des Schiffs die Takelage als zu hoch bezeichnet, und diese „Ueber-
mastung" als Ursache des Unglücks angegeben. Aber die Dimensionen der
Bemastung waren gar nicht so übermäßig: der Großmast war nur 62 Fuß
hoch, wovon 61 Fuß über Deck ragten und davon kamen noch 9 Fuß auf den
Top, der Fockmast war noch um 3 Fuß, der hinterste, der Kreuznaht, um 6 Fuß
kürzer, und das bei einem Schiff, dessen Rumpf im Ganzen 105 Fuß Länge
(zwischen den Perpendikeln). 28'/4 Fuß größte Breite in der oberen Wasserlinie
und eine Tiefe im Raum (Oberkante des Deckbalkens bis Oberkante des Kiels)
von 11 Fuß hatte. Die „Amazone" war ursprünglich, noch ehe an die Bil¬
dung einer preußischen Marine zu denken war, als Schulschiff für die Navi¬
gationsschüler in Grabow, einer unterhalb Stettin an der Oder gelegenen Vor¬
stadt, gebaut und benutzt worden, ward aber dann von König Friedrich
Wilhelm dem Vierten, als man an Gründung einer Seemacht ging, als erstes
Kriegsschiff für die Flotte überwiesen.

Als solches machte sie mehrfach weitere Uebungsrcisen. unter anderen
die in weiteren Kreisen bekannte Reise nach Brasilien, und ward später als
Schulschiff für die Seecadetten benutzt, wie jetzt die „Niobe", fand aber bei
der letzten derartigen Fahrt mit einer leider zahlreichen Besatzung von See¬
cadetten, einem guten Theil der hoffnungsvollen Jugend unserer Flotte, unter
dem tüchtigen Lieutenant Hermann an der holländischen Küste ihren Unter¬
gang, indem sie wahrscheinlich durch den übermächtigen Orkan auf den Strand
getrieben wurde. Tief wurde der Verlust im ganzen Lande empfunden. Die
.Amazone" hatte als Segler vorzügliche Eigenschaften: unter Segel machte sie
bei günstigen Witterungsverhältnissen bis zu 12,8 Knoten in der Stunde, d. h.
mehr als 3 deutsche Meilen in der Stunde, während Seedampfcr durchschnittlich
nur 10 Knoten machen (1 Knoten ^ 1 Seemeile d. h. V< deutsche Meile in
der Stunde), und außerdem zeichnete sie sich noch dadurch aus, daß sie so scharf
Wie wenige Schiffe beim Winde zu segeln vermochte.

Auch der kleine Schooner „ Frau enlob ", 3, im Jahre 1853 aus freiwilligen
Geldbeiträgen deutscher Frauen erbaut, der die ostasiatische Expedition mitmachte,
fand durch einen Orkan in der südchinesischen See seinen Untergang. Der
sonstige Abgang an Segelschiffen, den die preußische Flotte seit ihrer Grün¬
dung erlitten hat, beschränkt sich auf wenige Fahrzeuge: das Transportschiff
„Merkur". 6, das beim Entstehen der Marine von der königl. Seehandlung
übernommen wurde, dann seiner Zeit als Schiffsjungenübungsschiff in der
Ostsee diente, und endlich wegen der gefährlichen in seinen Jnhölzern wüthen¬
den Trockensäule abgewrackt und als altes Holz verkauft werden mußte; das


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[0421] 12 leichten Geschütze aber sämmtlich auf dem Oberdeck führte. Manchem von uns steht das kleine, scharfgebaute Kriegsschiff noch lebhaft vor Augen, ein flüchtiges Fahrzeug mit zierlicher Takelage! Man hat nach dem Unter¬ gange des Schiffs die Takelage als zu hoch bezeichnet, und diese „Ueber- mastung" als Ursache des Unglücks angegeben. Aber die Dimensionen der Bemastung waren gar nicht so übermäßig: der Großmast war nur 62 Fuß hoch, wovon 61 Fuß über Deck ragten und davon kamen noch 9 Fuß auf den Top, der Fockmast war noch um 3 Fuß, der hinterste, der Kreuznaht, um 6 Fuß kürzer, und das bei einem Schiff, dessen Rumpf im Ganzen 105 Fuß Länge (zwischen den Perpendikeln). 28'/4 Fuß größte Breite in der oberen Wasserlinie und eine Tiefe im Raum (Oberkante des Deckbalkens bis Oberkante des Kiels) von 11 Fuß hatte. Die „Amazone" war ursprünglich, noch ehe an die Bil¬ dung einer preußischen Marine zu denken war, als Schulschiff für die Navi¬ gationsschüler in Grabow, einer unterhalb Stettin an der Oder gelegenen Vor¬ stadt, gebaut und benutzt worden, ward aber dann von König Friedrich Wilhelm dem Vierten, als man an Gründung einer Seemacht ging, als erstes Kriegsschiff für die Flotte überwiesen. Als solches machte sie mehrfach weitere Uebungsrcisen. unter anderen die in weiteren Kreisen bekannte Reise nach Brasilien, und ward später als Schulschiff für die Seecadetten benutzt, wie jetzt die „Niobe", fand aber bei der letzten derartigen Fahrt mit einer leider zahlreichen Besatzung von See¬ cadetten, einem guten Theil der hoffnungsvollen Jugend unserer Flotte, unter dem tüchtigen Lieutenant Hermann an der holländischen Küste ihren Unter¬ gang, indem sie wahrscheinlich durch den übermächtigen Orkan auf den Strand getrieben wurde. Tief wurde der Verlust im ganzen Lande empfunden. Die .Amazone" hatte als Segler vorzügliche Eigenschaften: unter Segel machte sie bei günstigen Witterungsverhältnissen bis zu 12,8 Knoten in der Stunde, d. h. mehr als 3 deutsche Meilen in der Stunde, während Seedampfcr durchschnittlich nur 10 Knoten machen (1 Knoten ^ 1 Seemeile d. h. V< deutsche Meile in der Stunde), und außerdem zeichnete sie sich noch dadurch aus, daß sie so scharf Wie wenige Schiffe beim Winde zu segeln vermochte. Auch der kleine Schooner „ Frau enlob ", 3, im Jahre 1853 aus freiwilligen Geldbeiträgen deutscher Frauen erbaut, der die ostasiatische Expedition mitmachte, fand durch einen Orkan in der südchinesischen See seinen Untergang. Der sonstige Abgang an Segelschiffen, den die preußische Flotte seit ihrer Grün¬ dung erlitten hat, beschränkt sich auf wenige Fahrzeuge: das Transportschiff „Merkur". 6, das beim Entstehen der Marine von der königl. Seehandlung übernommen wurde, dann seiner Zeit als Schiffsjungenübungsschiff in der Ostsee diente, und endlich wegen der gefährlichen in seinen Jnhölzern wüthen¬ den Trockensäule abgewrackt und als altes Holz verkauft werden mußte; das

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_349917/421>, abgerufen am 02.10.2024.