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Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. II. Band.

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ich --; ja. was wollt ich doch sagen? Also: "die Getreuen belohnen," sagt'
sie, nämlich die Gräfin Bella, "und die meineidiger hochverräterischen Spitz-
buben bestrafen; ich selbst, sagt' die gnädige Comtesse, obgleich eine unschuldige
deutsche Jungfrau, sagt' sie, werde hocheigenhändig wenigstens einem halben
Dutzend Nationalvereinler mit dem Knopf meiner Reitpeitsche die Köpfe ein¬
schlagen, und wie viel deren der Baron Breithaupt von Schnurresheim genannt
zum Ritt auf der Boccage zum Warzentroste mit seinem tapferen Schwert
umbringen wird, das läßt sich gar nicht ermessen". Siehst Du, Kind,
so sagte die Gräfin und noch viel mehr, was ich Dir, als einer Beamten¬
tochter von Bildung, gar nicht alles wieder sagen kann; denn die Gräfin
braucht manchmal Worte, die man Unsereinem übel nimmt, aber ihr steh'n
sie gut, weil sie eine Amazone ist. die in vornehmer Gesellschaft lebt und
mit Pferden umgeht. Und ich glaube, daß es wahr ist. Denn vorgestern,
Wie der Preuß' die Recruten ausgehoben hat, da ist ein Haufen Conscribirter
in Biebrich vor das herzogliche Schloß gezogen und hat "Heil, unserm Herzog,
Heil" gesungen und gerufen: "Unser allergnädigster Herzog Adolf soll leben,
Vivat hoch und nochmals hoch" -- die Bursche hatten'S ein wenig im Ohr,
sonst hätten sie's nicht gethan, denn sie haben einen eriminalischen Respect vor
dem groben Preuß' -- und haben so lang Hoch gerufen, bis unser durchlauch¬
tigster Erbprinz auf den Balkon herausgekommen ist und hat mit ihnen "Hoch"
gerufen; und das hätt' er doch gewiß nicht gethan, wenn sein allergnädigster
Vater noch in Berlin mit dem Preuß' um die Domänen handelte, denn damit
könnt' er ihm doch den Handel verderben. Und deshalb glaub' ich, daß
es bald wieder anders wird, und daß es wackelig steht mit dem Preuß'.
Hast Du denn nicht gehört, wie vorige Nacht die Hunde so fürchterlich geheult
haben? und das bedeutet Krieg. Das hat mir meine selige Mutter, Deine
Großmutter, immer gesagt; und die hat die ganzen Kriegszeiten mit durchge¬
macht vom Anfang an, wo die latourschcn Grenadiere einmarschirten, bis ans
Ende, wo die donschen Kosaken auf ihren dürren Gäulchen geritten kamen.
Lach' mir nicht, Minchen, über Deine selige Großmutter. Was sie gesagt hat,
ist immer eingetroffen; und besonders vom Krieg; wenn man so viel vom
Krieg mitgemacht hat, wie Die, dann muß man auch etwas davon verstehen.
Und wenn Du auch den Hunden nicht glauben willst, dann glaub' doch den
Angestellten. Guck' nur einmal. Du wirst Dich doch erinnern, daß schon im
vorigen Herbst der Pieuß' von allen Staatsdienern den Huldigungsrevers
verlangt hat; und da haben sie alle gleich unterschrieben, mit Ausnahme von
ein paar alten Herren vom obersten Gericht, die haben Einen nach Numpen-
heim geschickt, und da hat sie der Herzog Adolf losgegeben von dem Diensteid.
Nun, und warum hat damals Keiner gemuckst? Warum sind sie damals alle
ohne Erlaubniß vom Herzog zum Preuß' übergegangen? Hab? El nun, weil


ich —; ja. was wollt ich doch sagen? Also: „die Getreuen belohnen," sagt'
sie, nämlich die Gräfin Bella, „und die meineidiger hochverräterischen Spitz-
buben bestrafen; ich selbst, sagt' die gnädige Comtesse, obgleich eine unschuldige
deutsche Jungfrau, sagt' sie, werde hocheigenhändig wenigstens einem halben
Dutzend Nationalvereinler mit dem Knopf meiner Reitpeitsche die Köpfe ein¬
schlagen, und wie viel deren der Baron Breithaupt von Schnurresheim genannt
zum Ritt auf der Boccage zum Warzentroste mit seinem tapferen Schwert
umbringen wird, das läßt sich gar nicht ermessen". Siehst Du, Kind,
so sagte die Gräfin und noch viel mehr, was ich Dir, als einer Beamten¬
tochter von Bildung, gar nicht alles wieder sagen kann; denn die Gräfin
braucht manchmal Worte, die man Unsereinem übel nimmt, aber ihr steh'n
sie gut, weil sie eine Amazone ist. die in vornehmer Gesellschaft lebt und
mit Pferden umgeht. Und ich glaube, daß es wahr ist. Denn vorgestern,
Wie der Preuß' die Recruten ausgehoben hat, da ist ein Haufen Conscribirter
in Biebrich vor das herzogliche Schloß gezogen und hat „Heil, unserm Herzog,
Heil" gesungen und gerufen: „Unser allergnädigster Herzog Adolf soll leben,
Vivat hoch und nochmals hoch" — die Bursche hatten'S ein wenig im Ohr,
sonst hätten sie's nicht gethan, denn sie haben einen eriminalischen Respect vor
dem groben Preuß' — und haben so lang Hoch gerufen, bis unser durchlauch¬
tigster Erbprinz auf den Balkon herausgekommen ist und hat mit ihnen „Hoch"
gerufen; und das hätt' er doch gewiß nicht gethan, wenn sein allergnädigster
Vater noch in Berlin mit dem Preuß' um die Domänen handelte, denn damit
könnt' er ihm doch den Handel verderben. Und deshalb glaub' ich, daß
es bald wieder anders wird, und daß es wackelig steht mit dem Preuß'.
Hast Du denn nicht gehört, wie vorige Nacht die Hunde so fürchterlich geheult
haben? und das bedeutet Krieg. Das hat mir meine selige Mutter, Deine
Großmutter, immer gesagt; und die hat die ganzen Kriegszeiten mit durchge¬
macht vom Anfang an, wo die latourschcn Grenadiere einmarschirten, bis ans
Ende, wo die donschen Kosaken auf ihren dürren Gäulchen geritten kamen.
Lach' mir nicht, Minchen, über Deine selige Großmutter. Was sie gesagt hat,
ist immer eingetroffen; und besonders vom Krieg; wenn man so viel vom
Krieg mitgemacht hat, wie Die, dann muß man auch etwas davon verstehen.
Und wenn Du auch den Hunden nicht glauben willst, dann glaub' doch den
Angestellten. Guck' nur einmal. Du wirst Dich doch erinnern, daß schon im
vorigen Herbst der Pieuß' von allen Staatsdienern den Huldigungsrevers
verlangt hat; und da haben sie alle gleich unterschrieben, mit Ausnahme von
ein paar alten Herren vom obersten Gericht, die haben Einen nach Numpen-
heim geschickt, und da hat sie der Herzog Adolf losgegeben von dem Diensteid.
Nun, und warum hat damals Keiner gemuckst? Warum sind sie damals alle
ohne Erlaubniß vom Herzog zum Preuß' übergegangen? Hab? El nun, weil


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_349917/395>, abgerufen am 22.07.2024.