Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. II. Band.Stadt demolirt und die Freude der Bewohner hierüber war vollkommen ge¬ So geschah es z. B., daß der wiener Gemeinderath sich mit dem Plane Inhalt und Form des Bescheides auf diese "submisseste Anfrage" entsprachen Stadt demolirt und die Freude der Bewohner hierüber war vollkommen ge¬ So geschah es z. B., daß der wiener Gemeinderath sich mit dem Plane Inhalt und Form des Bescheides auf diese „submisseste Anfrage" entsprachen <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0374" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/191068"/> <p xml:id="ID_1268" prev="#ID_1267"> Stadt demolirt und die Freude der Bewohner hierüber war vollkommen ge¬<lb/> rechtfertigt, denn sie fühlten, daß durch die Niederwerfung eines Walltheils die<lb/> weitere Entwicklung der Stadt garantirt wurde. Der gleichzeitig anbefohlene<lb/> Bau einer zweiten befestigten Kaserne konnte die allgemeine Freude nicht trüben,<lb/> da man die geringe Bedeutung eines derartigen Gebäudes ganz wohl erkannte,<lb/> und darum wurde auch, als man vor zwei Jahren wirklich zum Baue dieser<lb/> Kaserne schritt, dieselbe als ein kostspieliges Spielzeug belächelt und über die<lb/> Anlage vor dem Abgeordnetenhause gewitzelt. Dagegen rief es große Erregung<lb/> hervor, als im Herbst 1860 ein bei Nothneusiedel erbauter Thurm einer ver¬<lb/> suchsweisen Beschießung unterzogen wurde. Der Bau dieses Thurmes war mit<lb/> solchem Eifer und Heimlichkeit betrieben worden, daß man im großen Publikum<lb/> gar keine Ahnung von seiner Existenz hatte, und in dem Thurme das erste Ob¬<lb/> ject eines bereits in Angriff genommenen Festungsgürtels erblickte. Die Sache<lb/> war harmloser, als sie erschien. Der nunmehr verstorbene Erzherzog Maximi-<lb/> lian de Este, ein eifriger, leider nicht immer gut berathener Freund des<lb/> Artillerie- und Gcniewesens und ebenso unerschöpflich als excentrisch in seinen<lb/> Projecten, hatte ein neues Project eines eigenthümlich construirten und armirten<lb/> Thurmes auf eigene Kosten ausführen lassen und wollte durch einen Versuch<lb/> die Stärke desselben erproben, zumal man damit umging, seine Lieblingsschöpfung,<lb/> die bekannten Maximilianthürme bei Linz zu beseitigen. Es ist möglich, daß die<lb/> Befestigung Wiens bei dieser Gelegenheit beschlossen wurde. Nur wartete man<lb/> aus einen schicklichen Anlaß. Mehre Anzeichen ließen dieses erkennen und<lb/> die Geschmeidigkeit des Reichs- und Landtags, sowie des Gemeinderaths und<lb/> anderer Körperschaften konnten die Negierung in diesem Entschlüsse nur be¬<lb/> stärken.</p><lb/> <p xml:id="ID_1269"> So geschah es z. B., daß der wiener Gemeinderath sich mit dem Plane<lb/> befaßte, an Stelle der vier dem Bedürfnisse nicht mehr genügenden Friedhöfe<lb/> einen Gesammtfriedhof anzulegen. Man hatte das Plateau des Laaerberges<lb/> bei Jnzersdors als schicklichsten Platz erkannt. Was aber die kleinste Dorfge¬<lb/> meinde ohne Bedenken nach eignem Willen ausgeführt haben würde, glaubte<lb/> die Vertretung der Reichshauptstadt nur nach ehrerbietigst, eingeholter Erlaubniß<lb/> des Statthalters und Ministers des Innern thun zu dürfen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1270" next="#ID_1271"> Inhalt und Form des Bescheides auf diese „submisseste Anfrage" entsprachen<lb/> der Handlungsweise des damaligen Ministeriums. Außer andern — im Ganzen<lb/> unwesentlichen Gründen, welche der Statthalter und der Staatsminister vor¬<lb/> brachten, erklärte auch der Kriegsminister, welchen man gar nicht gefragt hatte,<lb/> die Anlage des Friedhofes an jener Stelle für unstatthaft, weil dieselbe „für<lb/> eventuelle Befestigungsbauten in Anspruch genommen würde". Dieser Bescheid<lb/> verursachte unter der Bürgerschaft außerordentliche Bestürzung. Endlich trat<lb/> eine Deputation zusammen, welche von dem Staatsminister, und wenn dieser</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0374]
Stadt demolirt und die Freude der Bewohner hierüber war vollkommen ge¬
rechtfertigt, denn sie fühlten, daß durch die Niederwerfung eines Walltheils die
weitere Entwicklung der Stadt garantirt wurde. Der gleichzeitig anbefohlene
Bau einer zweiten befestigten Kaserne konnte die allgemeine Freude nicht trüben,
da man die geringe Bedeutung eines derartigen Gebäudes ganz wohl erkannte,
und darum wurde auch, als man vor zwei Jahren wirklich zum Baue dieser
Kaserne schritt, dieselbe als ein kostspieliges Spielzeug belächelt und über die
Anlage vor dem Abgeordnetenhause gewitzelt. Dagegen rief es große Erregung
hervor, als im Herbst 1860 ein bei Nothneusiedel erbauter Thurm einer ver¬
suchsweisen Beschießung unterzogen wurde. Der Bau dieses Thurmes war mit
solchem Eifer und Heimlichkeit betrieben worden, daß man im großen Publikum
gar keine Ahnung von seiner Existenz hatte, und in dem Thurme das erste Ob¬
ject eines bereits in Angriff genommenen Festungsgürtels erblickte. Die Sache
war harmloser, als sie erschien. Der nunmehr verstorbene Erzherzog Maximi-
lian de Este, ein eifriger, leider nicht immer gut berathener Freund des
Artillerie- und Gcniewesens und ebenso unerschöpflich als excentrisch in seinen
Projecten, hatte ein neues Project eines eigenthümlich construirten und armirten
Thurmes auf eigene Kosten ausführen lassen und wollte durch einen Versuch
die Stärke desselben erproben, zumal man damit umging, seine Lieblingsschöpfung,
die bekannten Maximilianthürme bei Linz zu beseitigen. Es ist möglich, daß die
Befestigung Wiens bei dieser Gelegenheit beschlossen wurde. Nur wartete man
aus einen schicklichen Anlaß. Mehre Anzeichen ließen dieses erkennen und
die Geschmeidigkeit des Reichs- und Landtags, sowie des Gemeinderaths und
anderer Körperschaften konnten die Negierung in diesem Entschlüsse nur be¬
stärken.
So geschah es z. B., daß der wiener Gemeinderath sich mit dem Plane
befaßte, an Stelle der vier dem Bedürfnisse nicht mehr genügenden Friedhöfe
einen Gesammtfriedhof anzulegen. Man hatte das Plateau des Laaerberges
bei Jnzersdors als schicklichsten Platz erkannt. Was aber die kleinste Dorfge¬
meinde ohne Bedenken nach eignem Willen ausgeführt haben würde, glaubte
die Vertretung der Reichshauptstadt nur nach ehrerbietigst, eingeholter Erlaubniß
des Statthalters und Ministers des Innern thun zu dürfen.
Inhalt und Form des Bescheides auf diese „submisseste Anfrage" entsprachen
der Handlungsweise des damaligen Ministeriums. Außer andern — im Ganzen
unwesentlichen Gründen, welche der Statthalter und der Staatsminister vor¬
brachten, erklärte auch der Kriegsminister, welchen man gar nicht gefragt hatte,
die Anlage des Friedhofes an jener Stelle für unstatthaft, weil dieselbe „für
eventuelle Befestigungsbauten in Anspruch genommen würde". Dieser Bescheid
verursachte unter der Bürgerschaft außerordentliche Bestürzung. Endlich trat
eine Deputation zusammen, welche von dem Staatsminister, und wenn dieser
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