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Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. II. Band.

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ward sicher Bewunderung und Verehrung, wenn erst einige Stunden den Vor¬
lesungen Häusscrs gewidmet worden waren. Mit echter Andacht lauschten die
Hunderte, die er im großen Pandektensaale allabendlich um sich versammelte,
den zündenden Worten, in denen er die Geschichte des deutschen Baterlandes
lebendig in farbenreichen Bildern vor seinem Auditorium vorüberführte. Sein
Vortrag war nicht elegant, nicht sorgfältig ausgearbeitet, auch weder mit tiefen
und geistreichen Reflexionen, noch mit überraschenden Parallelen und ebenso
wenig mit tendentiösen Wendungen ausgestattet, aber seine Rede floß wie ein
frischer Quell, reich und kräftig. Man merkte dem Vertrag an, daß der Redner
im Sprechen producutc, aber eine ungewöhnliche oratorische Begabung erlaubte
ihm dies, ohne baß dabei die logische Folge der Gedanken oder der geordnete
Gang der Rede irgendwie gestockt hätte oder verwirrt worden wäre. Und die
treue patriotische Gesinnung, die sichtlich und unverkennbar den Redner durch¬
drang, entzündete auch in Geist und Gemüth der Hörer edelste Begeisterung.
In dem hohen Grade wie Hauffer vermochte kaum ein zweiter akademischer
Lehrer nur mit den müsten Mitteln, ohne den eiteln Glanz lediglich blendender
Rhetorik, ohne jede Benutzung der Leidenschaften der Tagespolitik, einen so
großen Kreis von Zuhörern gleichmäßig für seine Wissenschaft zu interessiren
und für ihren geistigen Gehalt zu begeistern. Wenn Hauffer nichts geleistet
hätte, als daß es ihm gelang, durch so viele Jahre so vielen Tausenden deut¬
scher Jünglinge mit Flammenschrift die Geschichte des Vaterlandes vor die
Seele zu führen, sie zu erheben mit der glänzenden Schilderung des Helden-
muthes unsrer Vorfahren, ihre Herzen pochen zu machen bei dem Gedanken
an die schmachvolle Ohnmacht, der Deutschland verfallen war und den edelsten
patriotischen Stolz in ihren Seelen zu wecken über die Großthaten der Be-
frciungszeit, auch dann schon wäre sein Name werth fortzuleben in der dank¬
baren Erinnerung unsere.) Volkes. Der Reiz, den seine Vorlesungen über
deutsche Geschichte auf die akademische Jugend ausübten, war gradezu unwider¬
stehlich. Der fleißige und gewissenhafte Student und der flotteste Corpsbursche,
der sonst cousequenter Fremdling des Hörsaals blieb, eilte jeden Abend in den
Pandettensaal, um nur noch einen guten Platz zu erhalten, und wenn die
Bänke die Zahl der Andrängenden nicht mehr fassen konnten, standen noch alle
Gänge voll von solchen, die lieber eine Stunde in der unbequemsten Stellung
stehen, als auf den Genuß dieses Vertrags verzichten mochten.

Und nicht nur die teutsche Jugend, die in Heidelberg aus allen Gauen
unseres Vaterlandes zusammenströmt, auch reife Männer, auch solche, die selbst
manch schönes Jahr ihres Lebens daran gearbeitet hatten, Geschichte zu machen,
schöpften mit eifriger Beflissenheit aus dem lebendigen Strome, der hier ent¬
sprang. Wie oft denke ich an diese Vorlesungen zurück und daran, wie wir
Studenten auf die würdigen Collegen mit vcrehrungsvollem Blicke lschauten,


Grenzboten II. 18K7. 5

ward sicher Bewunderung und Verehrung, wenn erst einige Stunden den Vor¬
lesungen Häusscrs gewidmet worden waren. Mit echter Andacht lauschten die
Hunderte, die er im großen Pandektensaale allabendlich um sich versammelte,
den zündenden Worten, in denen er die Geschichte des deutschen Baterlandes
lebendig in farbenreichen Bildern vor seinem Auditorium vorüberführte. Sein
Vortrag war nicht elegant, nicht sorgfältig ausgearbeitet, auch weder mit tiefen
und geistreichen Reflexionen, noch mit überraschenden Parallelen und ebenso
wenig mit tendentiösen Wendungen ausgestattet, aber seine Rede floß wie ein
frischer Quell, reich und kräftig. Man merkte dem Vertrag an, daß der Redner
im Sprechen producutc, aber eine ungewöhnliche oratorische Begabung erlaubte
ihm dies, ohne baß dabei die logische Folge der Gedanken oder der geordnete
Gang der Rede irgendwie gestockt hätte oder verwirrt worden wäre. Und die
treue patriotische Gesinnung, die sichtlich und unverkennbar den Redner durch¬
drang, entzündete auch in Geist und Gemüth der Hörer edelste Begeisterung.
In dem hohen Grade wie Hauffer vermochte kaum ein zweiter akademischer
Lehrer nur mit den müsten Mitteln, ohne den eiteln Glanz lediglich blendender
Rhetorik, ohne jede Benutzung der Leidenschaften der Tagespolitik, einen so
großen Kreis von Zuhörern gleichmäßig für seine Wissenschaft zu interessiren
und für ihren geistigen Gehalt zu begeistern. Wenn Hauffer nichts geleistet
hätte, als daß es ihm gelang, durch so viele Jahre so vielen Tausenden deut¬
scher Jünglinge mit Flammenschrift die Geschichte des Vaterlandes vor die
Seele zu führen, sie zu erheben mit der glänzenden Schilderung des Helden-
muthes unsrer Vorfahren, ihre Herzen pochen zu machen bei dem Gedanken
an die schmachvolle Ohnmacht, der Deutschland verfallen war und den edelsten
patriotischen Stolz in ihren Seelen zu wecken über die Großthaten der Be-
frciungszeit, auch dann schon wäre sein Name werth fortzuleben in der dank¬
baren Erinnerung unsere.) Volkes. Der Reiz, den seine Vorlesungen über
deutsche Geschichte auf die akademische Jugend ausübten, war gradezu unwider¬
stehlich. Der fleißige und gewissenhafte Student und der flotteste Corpsbursche,
der sonst cousequenter Fremdling des Hörsaals blieb, eilte jeden Abend in den
Pandettensaal, um nur noch einen guten Platz zu erhalten, und wenn die
Bänke die Zahl der Andrängenden nicht mehr fassen konnten, standen noch alle
Gänge voll von solchen, die lieber eine Stunde in der unbequemsten Stellung
stehen, als auf den Genuß dieses Vertrags verzichten mochten.

Und nicht nur die teutsche Jugend, die in Heidelberg aus allen Gauen
unseres Vaterlandes zusammenströmt, auch reife Männer, auch solche, die selbst
manch schönes Jahr ihres Lebens daran gearbeitet hatten, Geschichte zu machen,
schöpften mit eifriger Beflissenheit aus dem lebendigen Strome, der hier ent¬
sprang. Wie oft denke ich an diese Vorlesungen zurück und daran, wie wir
Studenten auf die würdigen Collegen mit vcrehrungsvollem Blicke lschauten,


Grenzboten II. 18K7. 5
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_349917/37>, abgerufen am 01.07.2024.