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Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. II. Band.

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Das Klosterrecht der Schleswig-holsteinischen Ritterschaft.

Unter die bedeutungsvollsten Eigenthümlichkeiten unseres vielbesungenen
meerumschlungenen Ländchens gehören nicht zuletzt unsere vier adligen Kloster-
convente, die Versorgungscinstalten der unverheiratheten Töchter rittcrschaftlicher
Familien. Wie Schleswig-Holstein überhaupt allen erdenklichen Rechten und
Rechtsinstituten des alten deutschen Privatrechts das letzte heimliche Ruhe-
plätzchen auf heimathlichen Boden seither gewährte, so hat bei uns auch ein
ausschließliches Anrecht der Landesritterschaft auf die vier adligen Fräulein¬
stifter alle Stürme und Erschütterungen überdauert, die in den meisten anderen
Ländern ähnliche Bevorzugungen längst beseitigt haben. Freilich hat vor
Kurzem der scharfe Besen preußischer Verwaltung Wider unseren seit dem Mittel¬
alter aufgehäuften Kehricht deutscher Rechtsalterthümer ein kräftiges Wirken
begonnen; aber es könnte doch sein, daß im Eifer Eins oder das Andere ver¬
gessen würde. Wenn hierzu das Klosterrecht der Schleswig-holsteinschen Ritter¬
schaft gehören sollte, wir würden das herzlich bedauern.

Die vier adligen Klöster zu Preetz, Itzehoe, Uetersen und Se. Johannis
vor Schleswig sind die einzigen, welche sich aus den zahlreichen Landesklöstern
der Vorzeit bis jetzt erhalten haben. Ihre Bestimmung ist jetzt, als Veisorgungs-
anstalten unverheirateter Töchter unserer ritterschaftlichen Familien zu dienen;
und zwar nimmt die Ritterschaft auf die drei erstgenannten ein ausschließliches
Recht in Anspruch, während die Aufnahme in das Se. Johannisl'tohter nicht
an die ritterschaftliche Qualität, sondern nur an das Erfordernis; einheimischen
Adels und des Nachweises von vier Ahnen väterlicher Seite geknüpft ist. An
der Spitze jedes Klosters steht ein aus der Ritterschaft von dem Klosterconvente
gewählter und vom Landesherrn bestätigter Probst, welcher die obrigkeitliche
Gewalt im Gebiete des Klosters ausübt. Neben demselben steht der Aebtissin
oder den Priorinnen mit den Conventen die ordnungsmäßige Benutzung und
Verwaltung des Klostergutes zu. Die Zahl der zur Geldhebung gelangten
Conventualinnen in den Conventen ist verschieden festgesetzt, in Se. Johannis
auf 9, in Uetersen 15, in Itzehoe 18, in Preetz 39, wie andererseits die spe¬
cielle Organisation und Verwaltung der Klöster große Mannigfaltigkeit dar¬
bietet, deren Beschreibung im Einzelnen uns für diesmal zu weit führen würde.
Die Einkünfte der Klöster sind ebenfalls verschieden; das Se. Johanniskloster
hat z. B. eine jährliche Bruttoeinnahme von circa 11,250--11,625 Thlr. Pr..
und darnach beläuft sich die Nettoeinnahme einer anwesenden Convcntualin
auf circa 450 Thlr. Pr. In Prenez sind dagegen die mit den KlosterstclKn


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Das Klosterrecht der Schleswig-holsteinischen Ritterschaft.

Unter die bedeutungsvollsten Eigenthümlichkeiten unseres vielbesungenen
meerumschlungenen Ländchens gehören nicht zuletzt unsere vier adligen Kloster-
convente, die Versorgungscinstalten der unverheiratheten Töchter rittcrschaftlicher
Familien. Wie Schleswig-Holstein überhaupt allen erdenklichen Rechten und
Rechtsinstituten des alten deutschen Privatrechts das letzte heimliche Ruhe-
plätzchen auf heimathlichen Boden seither gewährte, so hat bei uns auch ein
ausschließliches Anrecht der Landesritterschaft auf die vier adligen Fräulein¬
stifter alle Stürme und Erschütterungen überdauert, die in den meisten anderen
Ländern ähnliche Bevorzugungen längst beseitigt haben. Freilich hat vor
Kurzem der scharfe Besen preußischer Verwaltung Wider unseren seit dem Mittel¬
alter aufgehäuften Kehricht deutscher Rechtsalterthümer ein kräftiges Wirken
begonnen; aber es könnte doch sein, daß im Eifer Eins oder das Andere ver¬
gessen würde. Wenn hierzu das Klosterrecht der Schleswig-holsteinschen Ritter¬
schaft gehören sollte, wir würden das herzlich bedauern.

Die vier adligen Klöster zu Preetz, Itzehoe, Uetersen und Se. Johannis
vor Schleswig sind die einzigen, welche sich aus den zahlreichen Landesklöstern
der Vorzeit bis jetzt erhalten haben. Ihre Bestimmung ist jetzt, als Veisorgungs-
anstalten unverheirateter Töchter unserer ritterschaftlichen Familien zu dienen;
und zwar nimmt die Ritterschaft auf die drei erstgenannten ein ausschließliches
Recht in Anspruch, während die Aufnahme in das Se. Johannisl'tohter nicht
an die ritterschaftliche Qualität, sondern nur an das Erfordernis; einheimischen
Adels und des Nachweises von vier Ahnen väterlicher Seite geknüpft ist. An
der Spitze jedes Klosters steht ein aus der Ritterschaft von dem Klosterconvente
gewählter und vom Landesherrn bestätigter Probst, welcher die obrigkeitliche
Gewalt im Gebiete des Klosters ausübt. Neben demselben steht der Aebtissin
oder den Priorinnen mit den Conventen die ordnungsmäßige Benutzung und
Verwaltung des Klostergutes zu. Die Zahl der zur Geldhebung gelangten
Conventualinnen in den Conventen ist verschieden festgesetzt, in Se. Johannis
auf 9, in Uetersen 15, in Itzehoe 18, in Preetz 39, wie andererseits die spe¬
cielle Organisation und Verwaltung der Klöster große Mannigfaltigkeit dar¬
bietet, deren Beschreibung im Einzelnen uns für diesmal zu weit führen würde.
Die Einkünfte der Klöster sind ebenfalls verschieden; das Se. Johanniskloster
hat z. B. eine jährliche Bruttoeinnahme von circa 11,250—11,625 Thlr. Pr..
und darnach beläuft sich die Nettoeinnahme einer anwesenden Convcntualin
auf circa 450 Thlr. Pr. In Prenez sind dagegen die mit den KlosterstclKn


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[0359] Das Klosterrecht der Schleswig-holsteinischen Ritterschaft. Unter die bedeutungsvollsten Eigenthümlichkeiten unseres vielbesungenen meerumschlungenen Ländchens gehören nicht zuletzt unsere vier adligen Kloster- convente, die Versorgungscinstalten der unverheiratheten Töchter rittcrschaftlicher Familien. Wie Schleswig-Holstein überhaupt allen erdenklichen Rechten und Rechtsinstituten des alten deutschen Privatrechts das letzte heimliche Ruhe- plätzchen auf heimathlichen Boden seither gewährte, so hat bei uns auch ein ausschließliches Anrecht der Landesritterschaft auf die vier adligen Fräulein¬ stifter alle Stürme und Erschütterungen überdauert, die in den meisten anderen Ländern ähnliche Bevorzugungen längst beseitigt haben. Freilich hat vor Kurzem der scharfe Besen preußischer Verwaltung Wider unseren seit dem Mittel¬ alter aufgehäuften Kehricht deutscher Rechtsalterthümer ein kräftiges Wirken begonnen; aber es könnte doch sein, daß im Eifer Eins oder das Andere ver¬ gessen würde. Wenn hierzu das Klosterrecht der Schleswig-holsteinschen Ritter¬ schaft gehören sollte, wir würden das herzlich bedauern. Die vier adligen Klöster zu Preetz, Itzehoe, Uetersen und Se. Johannis vor Schleswig sind die einzigen, welche sich aus den zahlreichen Landesklöstern der Vorzeit bis jetzt erhalten haben. Ihre Bestimmung ist jetzt, als Veisorgungs- anstalten unverheirateter Töchter unserer ritterschaftlichen Familien zu dienen; und zwar nimmt die Ritterschaft auf die drei erstgenannten ein ausschließliches Recht in Anspruch, während die Aufnahme in das Se. Johannisl'tohter nicht an die ritterschaftliche Qualität, sondern nur an das Erfordernis; einheimischen Adels und des Nachweises von vier Ahnen väterlicher Seite geknüpft ist. An der Spitze jedes Klosters steht ein aus der Ritterschaft von dem Klosterconvente gewählter und vom Landesherrn bestätigter Probst, welcher die obrigkeitliche Gewalt im Gebiete des Klosters ausübt. Neben demselben steht der Aebtissin oder den Priorinnen mit den Conventen die ordnungsmäßige Benutzung und Verwaltung des Klostergutes zu. Die Zahl der zur Geldhebung gelangten Conventualinnen in den Conventen ist verschieden festgesetzt, in Se. Johannis auf 9, in Uetersen 15, in Itzehoe 18, in Preetz 39, wie andererseits die spe¬ cielle Organisation und Verwaltung der Klöster große Mannigfaltigkeit dar¬ bietet, deren Beschreibung im Einzelnen uns für diesmal zu weit führen würde. Die Einkünfte der Klöster sind ebenfalls verschieden; das Se. Johanniskloster hat z. B. eine jährliche Bruttoeinnahme von circa 11,250—11,625 Thlr. Pr.. und darnach beläuft sich die Nettoeinnahme einer anwesenden Convcntualin auf circa 450 Thlr. Pr. In Prenez sind dagegen die mit den KlosterstclKn 45'

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_349917/359>, abgerufen am 24.08.2024.