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Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. II. Band.

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Vermehrung der Reiterei für nöthig erachtet. Die Kostspieligkeit dieser
Waffengattung könnte in Oestreich durch eine einfachere Bekleidung. Vermin¬
derung des Stabes und Beseitigung vieler Ueberflüssigkcitcn sehr verringert
werden. Z. B. würde durch die Abschaffung der Musikcorps -- Frankreich ist
hierin mit gutem Beispiel vorangegangen -- eine bedeutende Summe erspart
werden, auch erscheint die den Cavalerieoffizicren bewilligte Anzahl der Pferde¬
rationen übergroß. Der Batteriechef, dessen Dienstleistung jener eines Stabs¬
offiziers der Cavalerie gleich zu setzen ist, bezieht nur zwei, ein Rittmeister da¬
gegen drei und ein Cavalericmajor sogar vier Pferderationcn.

Die vielfach besprochene Organisation der Artillerie ist nun auch veröffent¬
licht und entspricht so ziemlich den Vorschlägen, welche die intelligentesten
Männer dieser Truppe schon früher gemacht hatten. Die Festungsartillerie
ist von der Feldartillerie vollständig getrennt, die letztere aber um 24 Batterien
vermehrt worden. Die gleichzeitig angeordnete gänzliche Auflösung des Na-
ketenwesens dürfte aber nicht vortheilhaft sein, wie sehr man auch früher den
Werth der Raketen überschätzt hat. Für den Gebirgskrieg besitzen sie eigen¬
thümliche, mit den Gebirgsgeschützen nicht zu erreichende Vortheile. -- Die
Vorräthe der Festungsartillerie sind durch das aus Italien mitgenommene Ma¬
terial reichlich gefüllt worden. Dagegen hat die Feldartillcrie so ungeheure
Verluste erlitten, daß die Ergänzung derselben und die Anschaffung der auf den
erhöhten Etat abgängigen Batterien bei der größten Thätigkeit immerhin ein
Jahr in Anspruch nehmen, daher vor dieser Zeit die östreichische Artillerie
keineswegs in der gewünschten Schlagfertigkeit auftreten kann. Auch sind die
Zünder der Granaten und Shrapnels noch großer Verbesserungen bedürftig,
indem von den im letzten Feldzuge abgeschossenen Granaten nach preußischen
Berichten zwei Drittheile nicht explodirten.

Im Allgemeinen ist das Streben, die östreichische Armee in einer zweck¬
mäßigen Weise umzugestalten, nicht zu verkennen; die bis jetzt bekannt gewor¬
denen Resultate sind gering. Es ist ganz in der Ordnung, daß man sich nicht,
wie früher nur zu oft geschah, übereilen oder mit einer endlosen Reihe von
Provisorien behelfen will. Indeß können die Ereignisse sehr bald sich so ge¬
stalten, daß die östreichische Armee abermals zum Handeln aufgerufen wird.

Mehr als je hängt die Sicherheit, ja der Bestand Oestreichs von der
Kraft und dem guten Willen seiner Armee ab. Läßt aber diese Armee bei
dem nächsten Zusammenstoße mit was immer für einem Gegner sich in un-
schlagfcrtigem Zustande mit einer nur halb beendeten Organisation finden,
dann wird ein zweites Königsgrätz nicht ausbleiben. Schwerlich dürfte dann
der Gegner sich in seinem Siegeslaufe vor den Thoren der Residenz aufhalten
lassen!




Vermehrung der Reiterei für nöthig erachtet. Die Kostspieligkeit dieser
Waffengattung könnte in Oestreich durch eine einfachere Bekleidung. Vermin¬
derung des Stabes und Beseitigung vieler Ueberflüssigkcitcn sehr verringert
werden. Z. B. würde durch die Abschaffung der Musikcorps — Frankreich ist
hierin mit gutem Beispiel vorangegangen — eine bedeutende Summe erspart
werden, auch erscheint die den Cavalerieoffizicren bewilligte Anzahl der Pferde¬
rationen übergroß. Der Batteriechef, dessen Dienstleistung jener eines Stabs¬
offiziers der Cavalerie gleich zu setzen ist, bezieht nur zwei, ein Rittmeister da¬
gegen drei und ein Cavalericmajor sogar vier Pferderationcn.

Die vielfach besprochene Organisation der Artillerie ist nun auch veröffent¬
licht und entspricht so ziemlich den Vorschlägen, welche die intelligentesten
Männer dieser Truppe schon früher gemacht hatten. Die Festungsartillerie
ist von der Feldartillerie vollständig getrennt, die letztere aber um 24 Batterien
vermehrt worden. Die gleichzeitig angeordnete gänzliche Auflösung des Na-
ketenwesens dürfte aber nicht vortheilhaft sein, wie sehr man auch früher den
Werth der Raketen überschätzt hat. Für den Gebirgskrieg besitzen sie eigen¬
thümliche, mit den Gebirgsgeschützen nicht zu erreichende Vortheile. — Die
Vorräthe der Festungsartillerie sind durch das aus Italien mitgenommene Ma¬
terial reichlich gefüllt worden. Dagegen hat die Feldartillcrie so ungeheure
Verluste erlitten, daß die Ergänzung derselben und die Anschaffung der auf den
erhöhten Etat abgängigen Batterien bei der größten Thätigkeit immerhin ein
Jahr in Anspruch nehmen, daher vor dieser Zeit die östreichische Artillerie
keineswegs in der gewünschten Schlagfertigkeit auftreten kann. Auch sind die
Zünder der Granaten und Shrapnels noch großer Verbesserungen bedürftig,
indem von den im letzten Feldzuge abgeschossenen Granaten nach preußischen
Berichten zwei Drittheile nicht explodirten.

Im Allgemeinen ist das Streben, die östreichische Armee in einer zweck¬
mäßigen Weise umzugestalten, nicht zu verkennen; die bis jetzt bekannt gewor¬
denen Resultate sind gering. Es ist ganz in der Ordnung, daß man sich nicht,
wie früher nur zu oft geschah, übereilen oder mit einer endlosen Reihe von
Provisorien behelfen will. Indeß können die Ereignisse sehr bald sich so ge¬
stalten, daß die östreichische Armee abermals zum Handeln aufgerufen wird.

Mehr als je hängt die Sicherheit, ja der Bestand Oestreichs von der
Kraft und dem guten Willen seiner Armee ab. Läßt aber diese Armee bei
dem nächsten Zusammenstoße mit was immer für einem Gegner sich in un-
schlagfcrtigem Zustande mit einer nur halb beendeten Organisation finden,
dann wird ein zweites Königsgrätz nicht ausbleiben. Schwerlich dürfte dann
der Gegner sich in seinem Siegeslaufe vor den Thoren der Residenz aufhalten
lassen!




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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_349917/344>, abgerufen am 22.07.2024.