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Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. II. Band.

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bei der eventuellen Errichtung von derlei Corps verfügen. Dann würde es nur
wie in dem vorjährigen Kriege geschehen, in welchem das Organisationsstatut
des böhmischen Landsturmes zwei Tage vor dem Abschluß des nikolsburger
Friedens veröffentlicht wurde und die wiener -- unbewaffnete Bürgerwehr
grade so viel Zeit gewann, um die Wahl der Offiziere zu beenden.

Was die Reformen in der Administration und im Verpflegswesen betrifft,
so beschränken sich dieselben auf Personalveränderungen, mit denen nur wenig
geholfen werden kann, so lange das bisherige System beibehalten wird. Die
gänzliche Abschaffung der Kriegscommissäre würde vielleicht die beste Reform sein.

Die Adjüstirung, über deren gänzliche Umgestaltung im Anfange mit so
großem Eifer berathen wurde, ist bis jetzt ungehindert geblieben. Wenn irgend¬
ein Umstand eine Hoffnung auf eine vernünftige und bleibende Reform des
östreichischen Heeres gewährt, so ist es das Stillschweigen der im vorigen August
eingesetzten Adjustirungscommission, denn es beweist, daß General v. John
von seinen Vorgängern abweicht und den Posten eines Kriegsministers nicht
mit dem eines "obersten Armceschneiders" verwechselt.

Mehre Veränderungen, welche unmittelbar nach dem Kriege angeordnet
wurden, waren nur provisorische Aushilfsmittel, da das Einrücken der seither
in Venetien stationirten Truppen eine Modification der bisherigen Eintheilung,
Administration und Dislocirung der Armee nach sich zog und die schleunigst
getroffenen Anordnungen jedenfalls die besten waren. Hierher gehören die neue
Formation des Geniecorps und der Pioniere, die Gliederung der Dienstzweige
des Kriegsministeriums und der Generalcommandos und Reform der Statuten
für die Militärgrenze. Dagegen dürfte die Wiedereinführung der Divisions-
commandos und die Eintheilung der nicht für den activen Felddienst bestimmten
Truppen in eigene Localbrigciden von bleibendem Bestand sein; man hat dadurch
eine angeblich die Erfahrungen aus dem Jahre 1839 berücksichtigende, thatsäch¬
lich aber nachtheilige Einführung beseitigt. Die Eintheilung eines Armeecorps
in fünf oder sechs Brigaden hatte sich schon 1864 als unpraktisch erwiesen,
gleichwohl wollte man damals nicht zu der früher bestandenen und bei allen
ander" größeren Armeen als zweckmäßig erkannten Eintheilung des Armeecorps
in zwei bis drei Divisionen zurückkehren. Die bezüglich der Leistungsfähigkeit
der Einzelnen so ausgezeichnete östreichische Reiterei leistete bei der Nordarmee
unverhältnißmäßig wenig, wogegen die in kleinere Abtheilungen aufgelösten Hu¬
saren- und Ulancuregimenter der Südarmee erfolgreich fochten. Es fehlte nicht
an Männern, welche der Cavalerie, weil sie wegen schlechter Führung und Ver¬
wendung wenig leistete, überhaupt jeden wesentlichen Nutzen im modernen Kriege
absprachen und eine abermalige Verminderung des Etats der Reiterei begehrten.
Es ist gut, daß man dieses Verlangen bisher noch nicht erfüllt hat. Denn
Preußen und Frankreich haben in neuester Zeit grade das Gegentheil, nämlich


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bei der eventuellen Errichtung von derlei Corps verfügen. Dann würde es nur
wie in dem vorjährigen Kriege geschehen, in welchem das Organisationsstatut
des böhmischen Landsturmes zwei Tage vor dem Abschluß des nikolsburger
Friedens veröffentlicht wurde und die wiener — unbewaffnete Bürgerwehr
grade so viel Zeit gewann, um die Wahl der Offiziere zu beenden.

Was die Reformen in der Administration und im Verpflegswesen betrifft,
so beschränken sich dieselben auf Personalveränderungen, mit denen nur wenig
geholfen werden kann, so lange das bisherige System beibehalten wird. Die
gänzliche Abschaffung der Kriegscommissäre würde vielleicht die beste Reform sein.

Die Adjüstirung, über deren gänzliche Umgestaltung im Anfange mit so
großem Eifer berathen wurde, ist bis jetzt ungehindert geblieben. Wenn irgend¬
ein Umstand eine Hoffnung auf eine vernünftige und bleibende Reform des
östreichischen Heeres gewährt, so ist es das Stillschweigen der im vorigen August
eingesetzten Adjustirungscommission, denn es beweist, daß General v. John
von seinen Vorgängern abweicht und den Posten eines Kriegsministers nicht
mit dem eines „obersten Armceschneiders" verwechselt.

Mehre Veränderungen, welche unmittelbar nach dem Kriege angeordnet
wurden, waren nur provisorische Aushilfsmittel, da das Einrücken der seither
in Venetien stationirten Truppen eine Modification der bisherigen Eintheilung,
Administration und Dislocirung der Armee nach sich zog und die schleunigst
getroffenen Anordnungen jedenfalls die besten waren. Hierher gehören die neue
Formation des Geniecorps und der Pioniere, die Gliederung der Dienstzweige
des Kriegsministeriums und der Generalcommandos und Reform der Statuten
für die Militärgrenze. Dagegen dürfte die Wiedereinführung der Divisions-
commandos und die Eintheilung der nicht für den activen Felddienst bestimmten
Truppen in eigene Localbrigciden von bleibendem Bestand sein; man hat dadurch
eine angeblich die Erfahrungen aus dem Jahre 1839 berücksichtigende, thatsäch¬
lich aber nachtheilige Einführung beseitigt. Die Eintheilung eines Armeecorps
in fünf oder sechs Brigaden hatte sich schon 1864 als unpraktisch erwiesen,
gleichwohl wollte man damals nicht zu der früher bestandenen und bei allen
ander» größeren Armeen als zweckmäßig erkannten Eintheilung des Armeecorps
in zwei bis drei Divisionen zurückkehren. Die bezüglich der Leistungsfähigkeit
der Einzelnen so ausgezeichnete östreichische Reiterei leistete bei der Nordarmee
unverhältnißmäßig wenig, wogegen die in kleinere Abtheilungen aufgelösten Hu¬
saren- und Ulancuregimenter der Südarmee erfolgreich fochten. Es fehlte nicht
an Männern, welche der Cavalerie, weil sie wegen schlechter Führung und Ver¬
wendung wenig leistete, überhaupt jeden wesentlichen Nutzen im modernen Kriege
absprachen und eine abermalige Verminderung des Etats der Reiterei begehrten.
Es ist gut, daß man dieses Verlangen bisher noch nicht erfüllt hat. Denn
Preußen und Frankreich haben in neuester Zeit grade das Gegentheil, nämlich


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_349917/343>, abgerufen am 22.07.2024.