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Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. II. Band.

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Beschwerden, welche Militärs höheren Grades zu ertragen haben, verhältni߬
mäßig gering. Die preußischen Generale, unter .denen nur wenige das
50. Jahr nicht überschritten hatten, haben gewiß Ausgezeichnetes geleistet und
nöthigen Falles alle Beschwerden mit ihren Untergebenen getragen. Die
Oestreicher aber würden sich, wenn sie sich schon irz. den früheren Kriegen an
diese Bestimmungen gehalten hätten, grade ihrer besten Generale beraubt
haben. Die Ursache, aus welcher in jüngster Zeit so viele noch ziemlich rüstige
Generale freiwillig in den Ruhestand traten, war eine andere. Theils wurde
hierbei mit dem Worte "freiwillig" großer Mißbrauch getrieben, theils wurden
diese häufigen Pensionirungen durch die beinahe zu günstigen Pensionsstatuten
veranlaßt. Es trachteten Viele, sobald sie das 41. Dienstjahr erreicht hatten,
nach ihrer Pensionirung, indem die Obersten dann ihre volle Gage, die Gene¬
rale aber ^ derselben als Pension bezogen. Der Zeitpunkt, in welchem die
Versetzung in den Ruhestand zu erfolgen hätte, sollte daher weiter hinaus¬
gerückt oder noch besser nach der individuellen Befähigung bestimmt werden. --

Die Einführung der allgemeinen Wehrpflicht wurde schon zu Ende des
vorigen Jahres durch ein kaiserliches Manifest angeordnet. Das demselben
beigelegte Statut entsprach zwar dem Princip, ki'et aber an großen Unvollkom-
menheiten und einige Artikel ließen eine höchst verschiedene Auslegung zu. Es
war dieses Wchrgesetz im Wesentlichen nach preußischem Muster ausgearbeitet
und seine Schwäche lag darin, daß die eigenthümlichen Verhältnisse Oestreichs
zu wenig berücksichtigt waren.

Die Wehrpflicht beginnt mit dem 18. und erlischt mit dem 45. Jahre,
doch soll jährlich nur die dem jeweiligen Bedarfs entsprechende Zahl von Re-
cruten abgestellt werden. Genügt die erste Altersclassc nicht, so wird zu der
nächsten übergegangen. Die Enrollirten haben eine sechsjährige Linien- und
eine sechsjährige Reservedienstzcit zu vollstrecken, von welcher letzteren drei Jahre
auf die erste und drei Jahre auf die zweite Classe entfallen. Während der
Liniendicnstzeit soll der Mann in der Regel mindestens drei Jahre bei seiner
Truppe verbleiben und kann während des Nestes beurlaubt werden. Studenten,
Künstler, Beamte u. s. w. sind nur zu einjähriger ununterbrochener Dienstzeit
bei der Truppe verpflichtet und können während der übrigen fünf Jahre beur¬
laubt werden. Aerzte und Apotheker genießen die Begünstigung, daß sie was>
rend dieses Jahres und im Kriegsfalle in ihrem Berufe beschäftigt werden.
Die Männer der 1. Reserve werden, wenn es nöthig und zulässig ist, zu den
jährlichen Waffenübungen auf vierzehn bis zwanzig Tage einberufen und
werden bei einer Mobilisirung den Linientruppen, welche sowohl in als außer
Landes verwendet werden , eingereiht. Die Reservisten 2. Classe werden nur
im Kriegsfalle einberufen und sollen dann zu Festungsbesatzungen und bei den
Depots verwendet werden, doch ist ihre Dienstleistung bei der mobilen Armee


Beschwerden, welche Militärs höheren Grades zu ertragen haben, verhältni߬
mäßig gering. Die preußischen Generale, unter .denen nur wenige das
50. Jahr nicht überschritten hatten, haben gewiß Ausgezeichnetes geleistet und
nöthigen Falles alle Beschwerden mit ihren Untergebenen getragen. Die
Oestreicher aber würden sich, wenn sie sich schon irz. den früheren Kriegen an
diese Bestimmungen gehalten hätten, grade ihrer besten Generale beraubt
haben. Die Ursache, aus welcher in jüngster Zeit so viele noch ziemlich rüstige
Generale freiwillig in den Ruhestand traten, war eine andere. Theils wurde
hierbei mit dem Worte „freiwillig" großer Mißbrauch getrieben, theils wurden
diese häufigen Pensionirungen durch die beinahe zu günstigen Pensionsstatuten
veranlaßt. Es trachteten Viele, sobald sie das 41. Dienstjahr erreicht hatten,
nach ihrer Pensionirung, indem die Obersten dann ihre volle Gage, die Gene¬
rale aber ^ derselben als Pension bezogen. Der Zeitpunkt, in welchem die
Versetzung in den Ruhestand zu erfolgen hätte, sollte daher weiter hinaus¬
gerückt oder noch besser nach der individuellen Befähigung bestimmt werden. —

Die Einführung der allgemeinen Wehrpflicht wurde schon zu Ende des
vorigen Jahres durch ein kaiserliches Manifest angeordnet. Das demselben
beigelegte Statut entsprach zwar dem Princip, ki'et aber an großen Unvollkom-
menheiten und einige Artikel ließen eine höchst verschiedene Auslegung zu. Es
war dieses Wchrgesetz im Wesentlichen nach preußischem Muster ausgearbeitet
und seine Schwäche lag darin, daß die eigenthümlichen Verhältnisse Oestreichs
zu wenig berücksichtigt waren.

Die Wehrpflicht beginnt mit dem 18. und erlischt mit dem 45. Jahre,
doch soll jährlich nur die dem jeweiligen Bedarfs entsprechende Zahl von Re-
cruten abgestellt werden. Genügt die erste Altersclassc nicht, so wird zu der
nächsten übergegangen. Die Enrollirten haben eine sechsjährige Linien- und
eine sechsjährige Reservedienstzcit zu vollstrecken, von welcher letzteren drei Jahre
auf die erste und drei Jahre auf die zweite Classe entfallen. Während der
Liniendicnstzeit soll der Mann in der Regel mindestens drei Jahre bei seiner
Truppe verbleiben und kann während des Nestes beurlaubt werden. Studenten,
Künstler, Beamte u. s. w. sind nur zu einjähriger ununterbrochener Dienstzeit
bei der Truppe verpflichtet und können während der übrigen fünf Jahre beur¬
laubt werden. Aerzte und Apotheker genießen die Begünstigung, daß sie was>
rend dieses Jahres und im Kriegsfalle in ihrem Berufe beschäftigt werden.
Die Männer der 1. Reserve werden, wenn es nöthig und zulässig ist, zu den
jährlichen Waffenübungen auf vierzehn bis zwanzig Tage einberufen und
werden bei einer Mobilisirung den Linientruppen, welche sowohl in als außer
Landes verwendet werden , eingereiht. Die Reservisten 2. Classe werden nur
im Kriegsfalle einberufen und sollen dann zu Festungsbesatzungen und bei den
Depots verwendet werden, doch ist ihre Dienstleistung bei der mobilen Armee


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_349917/340>, abgerufen am 22.07.2024.