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Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. II. Band.

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Schon die Ueberschwänglichkeit dieser Verheißungen mußte gerechte Zweifel
nicht nur an der Möglichkeit der Erfüllung, sondern auch an der Aufrichtigkeit
derjenigen erwecken, von welchen sie gemacht wurden.

Man wendete sich zuerst den Hinterladungsgewehren zu. Der"Gewehr¬
fabrikant Lindner, el" in seinem Fache nicht ungeschickter Mann und dazu
mit einer echt amerikanischen Zähigkeit begabt, stand bereits seit zwei Jahren
mit der östreichischen Negierung wegen Annahme eines von ihm construirten
Gewehres in Unterhandlung, hatte jedoch wegen der auffälligen Mängel des¬
selben bisher kein Gehör finden können. Nun legte er zwei andere Modelle
vor, von denen das zweite etwas besser als die früheren erschien und wurde mit
Hilfe einer gut organisirten Reclame der Held des Tages. Die Vertheidiger
des sogenannten Lorenzgewehres (dasselbe war im Grunde nur eine Imitation
des Wilkinsongewehrs), welche bisher alle Bestrebungen Lindners mit dem
wüthendsten Eifer bekämpft hatten, vereinigten sich nun mit demselben und
bekämpften dadurch alle anderen eingereichten Projecte auf desto wirksamere
Weise. Die mit dieser Angelegenheit betraute Commission wurde mit einer
wahren Fluth von Gewehrmodellen überschüttet, und es mochte die Auswahl
in der That schwierig sein. Lindner, Remington und Peabody wurden
abwechselnd je nach dem Ergebniß der letzten Versuche und je nachdem die eine
oder andere Partei Einfluß besaß, zur Einführung beantragt. Dem in diese
Angelegenheit nicht Eingeweihten wird es gradezu unmöglich, sich die Sachlage
klar zu machen, und die Aeußerungen der officiösen und Fachjournale vermögen
nur das Dunkel zu vermehren. Denn während die "Militärzeitung" die bereits
sanctionirte Einführung des Nemingtongewehres berichtete, erzählte der "Ka¬
merad", daß die mit demselben angestellten Versuche total mißglückt wären und
ein von einem andern bewährten Techniker vorgelegtes Gewehr alle Chancen
für sich hätte. Das Wahre an der Sache war, daß man, um der dringendsten
Noth abzuhelfen und dem Drängen nach Hinterladungsgewehren Genüge uz
leisten, etwa 6000 Gewehre, zumeist nach Lindners Angaben, neu erzeugte
und einige hundert ältere Gewehre nach anderen Systemen umgestaltete. Doch
zeigten diese Waffen zu bedeutende Mängel, als daß man an die allgemeine
Einfühlung derselben denken durfte; man fand nach weiteren Versuchen auch das
beste Project Lindners unanwendbar und wendete, nachdem man sich vor¬
übergehend mit Peabodys. Henrys und Winchesters Systemen be¬
schäftigt hatte, alle Aufmerksamkeit dem Remingtongewehr und einer von
einem östreichischen Büchsenmacher Wänzl vorgelegten Construction zu. Es ist
unglaublich, welche Intriguen in Scene gesetzt wurden, um das lindnersche
System wieder zu Ehren zu bringen oder wenigstens die bestimmte Entschei¬
dung über das zu wählende System zu verzögern. Endlich wurde das
wänzische System für die Umgestaltung der vorräthigen Gewehre gewählt


Schon die Ueberschwänglichkeit dieser Verheißungen mußte gerechte Zweifel
nicht nur an der Möglichkeit der Erfüllung, sondern auch an der Aufrichtigkeit
derjenigen erwecken, von welchen sie gemacht wurden.

Man wendete sich zuerst den Hinterladungsgewehren zu. Der"Gewehr¬
fabrikant Lindner, el» in seinem Fache nicht ungeschickter Mann und dazu
mit einer echt amerikanischen Zähigkeit begabt, stand bereits seit zwei Jahren
mit der östreichischen Negierung wegen Annahme eines von ihm construirten
Gewehres in Unterhandlung, hatte jedoch wegen der auffälligen Mängel des¬
selben bisher kein Gehör finden können. Nun legte er zwei andere Modelle
vor, von denen das zweite etwas besser als die früheren erschien und wurde mit
Hilfe einer gut organisirten Reclame der Held des Tages. Die Vertheidiger
des sogenannten Lorenzgewehres (dasselbe war im Grunde nur eine Imitation
des Wilkinsongewehrs), welche bisher alle Bestrebungen Lindners mit dem
wüthendsten Eifer bekämpft hatten, vereinigten sich nun mit demselben und
bekämpften dadurch alle anderen eingereichten Projecte auf desto wirksamere
Weise. Die mit dieser Angelegenheit betraute Commission wurde mit einer
wahren Fluth von Gewehrmodellen überschüttet, und es mochte die Auswahl
in der That schwierig sein. Lindner, Remington und Peabody wurden
abwechselnd je nach dem Ergebniß der letzten Versuche und je nachdem die eine
oder andere Partei Einfluß besaß, zur Einführung beantragt. Dem in diese
Angelegenheit nicht Eingeweihten wird es gradezu unmöglich, sich die Sachlage
klar zu machen, und die Aeußerungen der officiösen und Fachjournale vermögen
nur das Dunkel zu vermehren. Denn während die „Militärzeitung" die bereits
sanctionirte Einführung des Nemingtongewehres berichtete, erzählte der „Ka¬
merad", daß die mit demselben angestellten Versuche total mißglückt wären und
ein von einem andern bewährten Techniker vorgelegtes Gewehr alle Chancen
für sich hätte. Das Wahre an der Sache war, daß man, um der dringendsten
Noth abzuhelfen und dem Drängen nach Hinterladungsgewehren Genüge uz
leisten, etwa 6000 Gewehre, zumeist nach Lindners Angaben, neu erzeugte
und einige hundert ältere Gewehre nach anderen Systemen umgestaltete. Doch
zeigten diese Waffen zu bedeutende Mängel, als daß man an die allgemeine
Einfühlung derselben denken durfte; man fand nach weiteren Versuchen auch das
beste Project Lindners unanwendbar und wendete, nachdem man sich vor¬
übergehend mit Peabodys. Henrys und Winchesters Systemen be¬
schäftigt hatte, alle Aufmerksamkeit dem Remingtongewehr und einer von
einem östreichischen Büchsenmacher Wänzl vorgelegten Construction zu. Es ist
unglaublich, welche Intriguen in Scene gesetzt wurden, um das lindnersche
System wieder zu Ehren zu bringen oder wenigstens die bestimmte Entschei¬
dung über das zu wählende System zu verzögern. Endlich wurde das
wänzische System für die Umgestaltung der vorräthigen Gewehre gewählt


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[0337] Schon die Ueberschwänglichkeit dieser Verheißungen mußte gerechte Zweifel nicht nur an der Möglichkeit der Erfüllung, sondern auch an der Aufrichtigkeit derjenigen erwecken, von welchen sie gemacht wurden. Man wendete sich zuerst den Hinterladungsgewehren zu. Der"Gewehr¬ fabrikant Lindner, el» in seinem Fache nicht ungeschickter Mann und dazu mit einer echt amerikanischen Zähigkeit begabt, stand bereits seit zwei Jahren mit der östreichischen Negierung wegen Annahme eines von ihm construirten Gewehres in Unterhandlung, hatte jedoch wegen der auffälligen Mängel des¬ selben bisher kein Gehör finden können. Nun legte er zwei andere Modelle vor, von denen das zweite etwas besser als die früheren erschien und wurde mit Hilfe einer gut organisirten Reclame der Held des Tages. Die Vertheidiger des sogenannten Lorenzgewehres (dasselbe war im Grunde nur eine Imitation des Wilkinsongewehrs), welche bisher alle Bestrebungen Lindners mit dem wüthendsten Eifer bekämpft hatten, vereinigten sich nun mit demselben und bekämpften dadurch alle anderen eingereichten Projecte auf desto wirksamere Weise. Die mit dieser Angelegenheit betraute Commission wurde mit einer wahren Fluth von Gewehrmodellen überschüttet, und es mochte die Auswahl in der That schwierig sein. Lindner, Remington und Peabody wurden abwechselnd je nach dem Ergebniß der letzten Versuche und je nachdem die eine oder andere Partei Einfluß besaß, zur Einführung beantragt. Dem in diese Angelegenheit nicht Eingeweihten wird es gradezu unmöglich, sich die Sachlage klar zu machen, und die Aeußerungen der officiösen und Fachjournale vermögen nur das Dunkel zu vermehren. Denn während die „Militärzeitung" die bereits sanctionirte Einführung des Nemingtongewehres berichtete, erzählte der „Ka¬ merad", daß die mit demselben angestellten Versuche total mißglückt wären und ein von einem andern bewährten Techniker vorgelegtes Gewehr alle Chancen für sich hätte. Das Wahre an der Sache war, daß man, um der dringendsten Noth abzuhelfen und dem Drängen nach Hinterladungsgewehren Genüge uz leisten, etwa 6000 Gewehre, zumeist nach Lindners Angaben, neu erzeugte und einige hundert ältere Gewehre nach anderen Systemen umgestaltete. Doch zeigten diese Waffen zu bedeutende Mängel, als daß man an die allgemeine Einfühlung derselben denken durfte; man fand nach weiteren Versuchen auch das beste Project Lindners unanwendbar und wendete, nachdem man sich vor¬ übergehend mit Peabodys. Henrys und Winchesters Systemen be¬ schäftigt hatte, alle Aufmerksamkeit dem Remingtongewehr und einer von einem östreichischen Büchsenmacher Wänzl vorgelegten Construction zu. Es ist unglaublich, welche Intriguen in Scene gesetzt wurden, um das lindnersche System wieder zu Ehren zu bringen oder wenigstens die bestimmte Entschei¬ dung über das zu wählende System zu verzögern. Endlich wurde das wänzische System für die Umgestaltung der vorräthigen Gewehre gewählt

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_349917/337>, abgerufen am 24.08.2024.