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Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. II. Band.

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1) durch Auslassung bestimmter Worte;
2) durch Auslassung bestimmter Worte und Ein-und Zufügung andrer;
3) durch Ein- oder Zufügung bestimmter Worte." --

Die Amendements könnten demnach bei unsrer Art der Debatte zwar
schon von vornherein in der Vorberathung oder während der Generaldiscusfion
eingebracht werden, würden aber erst, nachdem dieselbe mit principieller An¬
nahme des Gesetzentwurfes geendet, vorgenommen werden.

Sehr wichtig und durchaus nachahmenswert!) ist nun die englische Be¬
stimmung, daß nach den obenerwähnten Kategorien jedes Amendement bestimmte
andre Worte an die Stelle der ursprünglich beantragten setzen und nicht ganz
andre Fragen selbständig hineinziehen soll. Nehmen wir z. B. den Entwurf
auf Ermäßigung des Zuschlags zu den Gerichtskosten.

Der Antrag geht dahin: "Der Zuschlag von 6 Sgr., welcher von jedem
vollen Thaler eines zu erhebenden Gerichtskostenbetrags in Ansatz kommt, wird
vom 1. Juli 1866 ab zum halben Betrage, vom 1. Juli 1867 ab überhaupt
nicht mehr erhoben."

Nach der Generaldiscusfion wird nun zunächst darüber abgestimmt, ob
der Zuschlag überhaupt ermäßigt werden soll? Ist dies bejaht, so kommen dann
die Amendements zur Discussion; z. B. daß erst vom 1. Januar 1867 ab nur
der halbe Betrag erhoben werden darf, oder daß vom 1. Juli 1866 ab nur
der vierte Theil erhoben wird, oder daß vom I.Juli 1867 ab noch ein Jahr
lang ein Silbergroschen Zuschlag erhoben werde u. s. w.

Zu jedem Amendement können wieder Unteramendements gestellt werden,
aber selbstverständlich dans zu dem ersten Theil des Antrages kein Amendement
mehr gestellt werden, nachdem schon der folgende unverändert oder amendirt
angenommen ist; die Zurückziehung eines Amendements bleibt für die Bean¬
tragung eines andern außer Betracht, denn das Zurückziehen des ersten läßt
den Antrag genau in der Lage, als ob überhaupt keine Veränderung vorge¬
schlagen wäre.

Ein derartiges streng formelles Vorgehen, welches auch bei Resolutionen
zu beobachten wäre, würde gewiß vor den unerquicklichen Abstimmungsstreitig-
keiten bewahren, die wir auf dem Continent so oft sehen. Es bietet zugleich
die Handhabe, einen Gesetzentwurf, dessen Princip das Haus vollkommen billigt,
und welches es deshalb nach der Generaldiscusfion angenommen, doch zu Fall
zu bringen, indem die wesentlichen Paragraphen desselben durch Amendements
auf Streichungen der allein bedeutsamen Worte ihres Inhalts entkleidet werden.
Es ist in England mehrfach vorgekommen, daß von Anträgen alle Worte ge¬
strichen wurden, bis nur das Eingangswort,,etat" überblieb; ebenso kann durch
Umänderung weniger Worte der Antrag in sein gerades Gegentheil umgewan¬
delt werden. Wenn z. B. also bei einer Resolution beschlossen, "daß die Minister


Grenzboten II. 1867. 42
1) durch Auslassung bestimmter Worte;
2) durch Auslassung bestimmter Worte und Ein-und Zufügung andrer;
3) durch Ein- oder Zufügung bestimmter Worte." —

Die Amendements könnten demnach bei unsrer Art der Debatte zwar
schon von vornherein in der Vorberathung oder während der Generaldiscusfion
eingebracht werden, würden aber erst, nachdem dieselbe mit principieller An¬
nahme des Gesetzentwurfes geendet, vorgenommen werden.

Sehr wichtig und durchaus nachahmenswert!) ist nun die englische Be¬
stimmung, daß nach den obenerwähnten Kategorien jedes Amendement bestimmte
andre Worte an die Stelle der ursprünglich beantragten setzen und nicht ganz
andre Fragen selbständig hineinziehen soll. Nehmen wir z. B. den Entwurf
auf Ermäßigung des Zuschlags zu den Gerichtskosten.

Der Antrag geht dahin: „Der Zuschlag von 6 Sgr., welcher von jedem
vollen Thaler eines zu erhebenden Gerichtskostenbetrags in Ansatz kommt, wird
vom 1. Juli 1866 ab zum halben Betrage, vom 1. Juli 1867 ab überhaupt
nicht mehr erhoben."

Nach der Generaldiscusfion wird nun zunächst darüber abgestimmt, ob
der Zuschlag überhaupt ermäßigt werden soll? Ist dies bejaht, so kommen dann
die Amendements zur Discussion; z. B. daß erst vom 1. Januar 1867 ab nur
der halbe Betrag erhoben werden darf, oder daß vom 1. Juli 1866 ab nur
der vierte Theil erhoben wird, oder daß vom I.Juli 1867 ab noch ein Jahr
lang ein Silbergroschen Zuschlag erhoben werde u. s. w.

Zu jedem Amendement können wieder Unteramendements gestellt werden,
aber selbstverständlich dans zu dem ersten Theil des Antrages kein Amendement
mehr gestellt werden, nachdem schon der folgende unverändert oder amendirt
angenommen ist; die Zurückziehung eines Amendements bleibt für die Bean¬
tragung eines andern außer Betracht, denn das Zurückziehen des ersten läßt
den Antrag genau in der Lage, als ob überhaupt keine Veränderung vorge¬
schlagen wäre.

Ein derartiges streng formelles Vorgehen, welches auch bei Resolutionen
zu beobachten wäre, würde gewiß vor den unerquicklichen Abstimmungsstreitig-
keiten bewahren, die wir auf dem Continent so oft sehen. Es bietet zugleich
die Handhabe, einen Gesetzentwurf, dessen Princip das Haus vollkommen billigt,
und welches es deshalb nach der Generaldiscusfion angenommen, doch zu Fall
zu bringen, indem die wesentlichen Paragraphen desselben durch Amendements
auf Streichungen der allein bedeutsamen Worte ihres Inhalts entkleidet werden.
Es ist in England mehrfach vorgekommen, daß von Anträgen alle Worte ge¬
strichen wurden, bis nur das Eingangswort,,etat" überblieb; ebenso kann durch
Umänderung weniger Worte der Antrag in sein gerades Gegentheil umgewan¬
delt werden. Wenn z. B. also bei einer Resolution beschlossen, „daß die Minister


Grenzboten II. 1867. 42
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_349917/333>, abgerufen am 22.07.2024.