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Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. II. Band.

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angenommen. Die englische Methode vermeidet allerdings die oft mechanisch
Ausgeführte, oft gar nicht durchzuführende Theilung der Discussion in General-
und Specialdiscnssion; indeß ist dieselbe kein so großer Uebelstand, wenn nur
die richtige Praxis von dein Gesichtspunkt ausgeht, die Gencraldiscussion sich
so umfassend und eingehend wie möglich gestalten zu lassen und auch das Ein¬
gehen auf die einzelnen Bestimmungen, aus denen doch eben jede Vorlage be¬
steht, nicht zu hindern. Diese Praxis muß sich noch mehr Bahn brechen, weil
das Ganze und selbst das Princip des vorgeschlagenen Gesetzes erst durch Ver¬
ständniß des Einzelnen gewürdigt werden kann. Geschieht dies aber und reducirt
sich dann die Specialdiscusfion auf die eigentliche Detailkritik, so würden zwar
Wiederholungen so wenig ausbleiben, als bei der englischen Methode, aber die
Erörterung wird gewiß ebenso gründlich sein, als durch die dort gebräuchlichen
drei Lesungen. Eine Verbesserung der jetzigen Geschäftsordnung aber würde es
sein, wenn nach Schluß der Gencraldiscussion die Frage der Annahme oder
Verwerfung des Gesetzes im Allgemeinen zur Abstimmung gestellt würde, ohne
jedoch im ersten Falle die Prüfung der einzelnen Punkte auszuschließen. Beson¬
dere Aufmerksamkeit verdient die Stellung von Berbcsscrungsanträgcn. Gegen¬
über der imperialistischen Auffassung, welche dieselben gouz untersagt, entwickelt
May treffend ihre Nothwendigkeit l?an. ?rirctiee p. 236). "Der Zweck eines
Amendements ist, den Hauptantrag dergestalt abzuändern, daß Mitglieder, welche
ohne solche Aenderung entweder gegen denselben stimmen oder sich der Abstim¬
mung enthalten müßten, dafür zu stimmen vermögen. Ohne Zulassung von
Amendements würde eine Versammlung außer Stande sein, ihre Meinung mit
Folgerichtigkeit auszudrücken. Sie wäre in der Lage, einen Antrag, welchem
sie theilweise zustimmt, im Ganzen zu verwerfen. Beide Fälle würden einen
Widerspruch ergeben, wenn demnächst die wahre Ansicht in andrer Form zum
Ausdruck gelangte. In dem zuerst gesetzten Falle würde das früher Unge¬
ronnene abgelehnt, in dem zweiten das zuvor Abgelehnte angenommen werden.
Mitunter ist die Absicht eines Amendements, dem Hause einen von dem Haupt¬
antrage ganz oder theilweise abweichenden Antrag zu unterbreiten. Die Form
des Amendements erscheint dann angemessen, um dem Hause Gelegenheit zu
geben, in einer Verhandlung über zwei Anträge zu entscheiden. Die durch
regelloses Verfahren bei Stellung von Amendements enistchende Verwirrung
hat sich bei öffentlichen Versammlungen oft gezeigt, bei welchen feste Grundsätze
und Regeln nicht beobachtet werden. Personen, welche Versammlungen vorzn-
sitzen in der Lage sind, sollten sich mit den Regeln des Parlaments über Frage¬
stellung und Amendements bekannt machen, die auf langer Erfahrung beruhend
sich gleich einfach und zweckmäßig in der Anwendung als im Princip logisch
bewährt haben.

Ein Amendement zu einem Antrage kann gestellt werden:


angenommen. Die englische Methode vermeidet allerdings die oft mechanisch
Ausgeführte, oft gar nicht durchzuführende Theilung der Discussion in General-
und Specialdiscnssion; indeß ist dieselbe kein so großer Uebelstand, wenn nur
die richtige Praxis von dein Gesichtspunkt ausgeht, die Gencraldiscussion sich
so umfassend und eingehend wie möglich gestalten zu lassen und auch das Ein¬
gehen auf die einzelnen Bestimmungen, aus denen doch eben jede Vorlage be¬
steht, nicht zu hindern. Diese Praxis muß sich noch mehr Bahn brechen, weil
das Ganze und selbst das Princip des vorgeschlagenen Gesetzes erst durch Ver¬
ständniß des Einzelnen gewürdigt werden kann. Geschieht dies aber und reducirt
sich dann die Specialdiscusfion auf die eigentliche Detailkritik, so würden zwar
Wiederholungen so wenig ausbleiben, als bei der englischen Methode, aber die
Erörterung wird gewiß ebenso gründlich sein, als durch die dort gebräuchlichen
drei Lesungen. Eine Verbesserung der jetzigen Geschäftsordnung aber würde es
sein, wenn nach Schluß der Gencraldiscussion die Frage der Annahme oder
Verwerfung des Gesetzes im Allgemeinen zur Abstimmung gestellt würde, ohne
jedoch im ersten Falle die Prüfung der einzelnen Punkte auszuschließen. Beson¬
dere Aufmerksamkeit verdient die Stellung von Berbcsscrungsanträgcn. Gegen¬
über der imperialistischen Auffassung, welche dieselben gouz untersagt, entwickelt
May treffend ihre Nothwendigkeit l?an. ?rirctiee p. 236). „Der Zweck eines
Amendements ist, den Hauptantrag dergestalt abzuändern, daß Mitglieder, welche
ohne solche Aenderung entweder gegen denselben stimmen oder sich der Abstim¬
mung enthalten müßten, dafür zu stimmen vermögen. Ohne Zulassung von
Amendements würde eine Versammlung außer Stande sein, ihre Meinung mit
Folgerichtigkeit auszudrücken. Sie wäre in der Lage, einen Antrag, welchem
sie theilweise zustimmt, im Ganzen zu verwerfen. Beide Fälle würden einen
Widerspruch ergeben, wenn demnächst die wahre Ansicht in andrer Form zum
Ausdruck gelangte. In dem zuerst gesetzten Falle würde das früher Unge¬
ronnene abgelehnt, in dem zweiten das zuvor Abgelehnte angenommen werden.
Mitunter ist die Absicht eines Amendements, dem Hause einen von dem Haupt¬
antrage ganz oder theilweise abweichenden Antrag zu unterbreiten. Die Form
des Amendements erscheint dann angemessen, um dem Hause Gelegenheit zu
geben, in einer Verhandlung über zwei Anträge zu entscheiden. Die durch
regelloses Verfahren bei Stellung von Amendements enistchende Verwirrung
hat sich bei öffentlichen Versammlungen oft gezeigt, bei welchen feste Grundsätze
und Regeln nicht beobachtet werden. Personen, welche Versammlungen vorzn-
sitzen in der Lage sind, sollten sich mit den Regeln des Parlaments über Frage¬
stellung und Amendements bekannt machen, die auf langer Erfahrung beruhend
sich gleich einfach und zweckmäßig in der Anwendung als im Princip logisch
bewährt haben.

Ein Amendement zu einem Antrage kann gestellt werden:


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[0332] angenommen. Die englische Methode vermeidet allerdings die oft mechanisch Ausgeführte, oft gar nicht durchzuführende Theilung der Discussion in General- und Specialdiscnssion; indeß ist dieselbe kein so großer Uebelstand, wenn nur die richtige Praxis von dein Gesichtspunkt ausgeht, die Gencraldiscussion sich so umfassend und eingehend wie möglich gestalten zu lassen und auch das Ein¬ gehen auf die einzelnen Bestimmungen, aus denen doch eben jede Vorlage be¬ steht, nicht zu hindern. Diese Praxis muß sich noch mehr Bahn brechen, weil das Ganze und selbst das Princip des vorgeschlagenen Gesetzes erst durch Ver¬ ständniß des Einzelnen gewürdigt werden kann. Geschieht dies aber und reducirt sich dann die Specialdiscusfion auf die eigentliche Detailkritik, so würden zwar Wiederholungen so wenig ausbleiben, als bei der englischen Methode, aber die Erörterung wird gewiß ebenso gründlich sein, als durch die dort gebräuchlichen drei Lesungen. Eine Verbesserung der jetzigen Geschäftsordnung aber würde es sein, wenn nach Schluß der Gencraldiscussion die Frage der Annahme oder Verwerfung des Gesetzes im Allgemeinen zur Abstimmung gestellt würde, ohne jedoch im ersten Falle die Prüfung der einzelnen Punkte auszuschließen. Beson¬ dere Aufmerksamkeit verdient die Stellung von Berbcsscrungsanträgcn. Gegen¬ über der imperialistischen Auffassung, welche dieselben gouz untersagt, entwickelt May treffend ihre Nothwendigkeit l?an. ?rirctiee p. 236). „Der Zweck eines Amendements ist, den Hauptantrag dergestalt abzuändern, daß Mitglieder, welche ohne solche Aenderung entweder gegen denselben stimmen oder sich der Abstim¬ mung enthalten müßten, dafür zu stimmen vermögen. Ohne Zulassung von Amendements würde eine Versammlung außer Stande sein, ihre Meinung mit Folgerichtigkeit auszudrücken. Sie wäre in der Lage, einen Antrag, welchem sie theilweise zustimmt, im Ganzen zu verwerfen. Beide Fälle würden einen Widerspruch ergeben, wenn demnächst die wahre Ansicht in andrer Form zum Ausdruck gelangte. In dem zuerst gesetzten Falle würde das früher Unge¬ ronnene abgelehnt, in dem zweiten das zuvor Abgelehnte angenommen werden. Mitunter ist die Absicht eines Amendements, dem Hause einen von dem Haupt¬ antrage ganz oder theilweise abweichenden Antrag zu unterbreiten. Die Form des Amendements erscheint dann angemessen, um dem Hause Gelegenheit zu geben, in einer Verhandlung über zwei Anträge zu entscheiden. Die durch regelloses Verfahren bei Stellung von Amendements enistchende Verwirrung hat sich bei öffentlichen Versammlungen oft gezeigt, bei welchen feste Grundsätze und Regeln nicht beobachtet werden. Personen, welche Versammlungen vorzn- sitzen in der Lage sind, sollten sich mit den Regeln des Parlaments über Frage¬ stellung und Amendements bekannt machen, die auf langer Erfahrung beruhend sich gleich einfach und zweckmäßig in der Anwendung als im Princip logisch bewährt haben. Ein Amendement zu einem Antrage kann gestellt werden:

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_349917/332>, abgerufen am 22.07.2024.