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Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. II. Band.

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zu Organen der Majorität; denn überwiegt dieselbe die Minorität an Zahl be¬
deutend, so wird die letzte nur selten durch die Verlesung in einer oder der
andern Abtheilung die Mehrheit der Stimmen haben, es liegt aber in der
Natur, daß bei Wahlen, wie sie die-her in den Abtheilungen für die Commis¬
sionen stattfanden, das Moment der Parteistellung meist entscheidet, die Un¬
parteilichkeit ist also keineswegs gewahrt. Ebenso wenig gelangt die Sachkunde
auf diese Weise sicher zur Geltung; man nehme an, es handle sich um die
Wahl zu einer Specialcommission über ein Forstgesetz, es werden vielleicht fünf
besonders Sachkundige im Hause sein, der Zufall des Looses hat dieselben in
eine Abtheilung gebracht, diese hat aber nur ein Mitglied für die Commission
zu Wahlen, so wurde nur ein Forstkundiger gewählt werden, oder jene fünf
sind in fünf Abtheilungen zerstreut und werden dort nicht gewählt, weil sie
der conservativen Partei angehören, während die Mehrheit liberal ist. Diese
Uebelstände hatten sich denn auch schon vor einigen Jahren so geltend gemacht,
daß ein zweckmäßigeres Verfahren für die Bildung der Commissionen für noth¬
wendig erachtet ward. Dies fand Herr Simson in einem Wahlausschuß von
fünfzehn vom Hause zu ernennenden Mitgliedern, die Uebertragung der Zu¬
sammensetzung an den Präsidenten schien ihm dessen Ansehen, Unparteilichkeit
und Stellung zu gefährde". Die begutachtende Commission war andrer Ansicht,
sie hielt die Vermittlung der Wahlen durch einen Ausschuß für zu complicirt
und meinte, durch denselben werde eine drückende Oligarchie constituirt werden,
die bei der großen Bedeutung der Commissionen die ganze Versammlung be¬
herrschen würde. Sei schon der vorwiegende Einfluß der Parteihäupter, welche
jetzt durch die Fractionen die Wahlen der Abtheilungen leiteten, bedenklich, so
empfehle es sich noch weniger, ihn durch eine förmliche Organisation zu befestigen,
der Wahlausschuß aber werde sicher hauptsächlich nach Parleirücksichtcn gewählt.
Dagegen lege dem Präsidenten, der eben gewählt sei, wegen der bei ihm voraus¬
gesetzten Unparteilichkeit, seine Stellung, seine Verantwortlichkeit ein unpar¬
teiisches Verfahren als Pflicht auf. Um seine Vorschläge mit der erforderlichen
Personalkenntniß und nach den Wünschen des Hauses zu machen, brauche er
nur mit den hervorragendsten Mitgliedern Rücksprache zu nehmen. Man hielt
es indeß für gerathen, statt der definitiven Ernennung des Präsidenten nur den
Vorschlag einzuräumen, das Haus habe dann zu genehmigen oder Einsprache
zu thun. Wir halten diese Erwägungen für vollkommen berechtigt und stimmen
der Commission ganz bei, wenn sie demgemäß folgende Fassung empfahl: "Die
Mitglieder der Commissionen werden auf den Vorschlag des Präsidenten von
dem Hause in der Art gewählt, daß über jeden Vorgeschlagenen Abstimmung
Verlangt werden kann und dann ohne Discussion abgestimmt wird." In der
Regel wird es dann bei einigermaßen geschickter Leitung des Präsidenten darauf
hinauskommen, daß sein Vorschlag stillschweigend genehmigt wird. Zu den Be-


zu Organen der Majorität; denn überwiegt dieselbe die Minorität an Zahl be¬
deutend, so wird die letzte nur selten durch die Verlesung in einer oder der
andern Abtheilung die Mehrheit der Stimmen haben, es liegt aber in der
Natur, daß bei Wahlen, wie sie die-her in den Abtheilungen für die Commis¬
sionen stattfanden, das Moment der Parteistellung meist entscheidet, die Un¬
parteilichkeit ist also keineswegs gewahrt. Ebenso wenig gelangt die Sachkunde
auf diese Weise sicher zur Geltung; man nehme an, es handle sich um die
Wahl zu einer Specialcommission über ein Forstgesetz, es werden vielleicht fünf
besonders Sachkundige im Hause sein, der Zufall des Looses hat dieselben in
eine Abtheilung gebracht, diese hat aber nur ein Mitglied für die Commission
zu Wahlen, so wurde nur ein Forstkundiger gewählt werden, oder jene fünf
sind in fünf Abtheilungen zerstreut und werden dort nicht gewählt, weil sie
der conservativen Partei angehören, während die Mehrheit liberal ist. Diese
Uebelstände hatten sich denn auch schon vor einigen Jahren so geltend gemacht,
daß ein zweckmäßigeres Verfahren für die Bildung der Commissionen für noth¬
wendig erachtet ward. Dies fand Herr Simson in einem Wahlausschuß von
fünfzehn vom Hause zu ernennenden Mitgliedern, die Uebertragung der Zu¬
sammensetzung an den Präsidenten schien ihm dessen Ansehen, Unparteilichkeit
und Stellung zu gefährde». Die begutachtende Commission war andrer Ansicht,
sie hielt die Vermittlung der Wahlen durch einen Ausschuß für zu complicirt
und meinte, durch denselben werde eine drückende Oligarchie constituirt werden,
die bei der großen Bedeutung der Commissionen die ganze Versammlung be¬
herrschen würde. Sei schon der vorwiegende Einfluß der Parteihäupter, welche
jetzt durch die Fractionen die Wahlen der Abtheilungen leiteten, bedenklich, so
empfehle es sich noch weniger, ihn durch eine förmliche Organisation zu befestigen,
der Wahlausschuß aber werde sicher hauptsächlich nach Parleirücksichtcn gewählt.
Dagegen lege dem Präsidenten, der eben gewählt sei, wegen der bei ihm voraus¬
gesetzten Unparteilichkeit, seine Stellung, seine Verantwortlichkeit ein unpar¬
teiisches Verfahren als Pflicht auf. Um seine Vorschläge mit der erforderlichen
Personalkenntniß und nach den Wünschen des Hauses zu machen, brauche er
nur mit den hervorragendsten Mitgliedern Rücksprache zu nehmen. Man hielt
es indeß für gerathen, statt der definitiven Ernennung des Präsidenten nur den
Vorschlag einzuräumen, das Haus habe dann zu genehmigen oder Einsprache
zu thun. Wir halten diese Erwägungen für vollkommen berechtigt und stimmen
der Commission ganz bei, wenn sie demgemäß folgende Fassung empfahl: „Die
Mitglieder der Commissionen werden auf den Vorschlag des Präsidenten von
dem Hause in der Art gewählt, daß über jeden Vorgeschlagenen Abstimmung
Verlangt werden kann und dann ohne Discussion abgestimmt wird." In der
Regel wird es dann bei einigermaßen geschickter Leitung des Präsidenten darauf
hinauskommen, daß sein Vorschlag stillschweigend genehmigt wird. Zu den Be-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_349917/330>, abgerufen am 22.07.2024.