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Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. II. Band.

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nothwendige und dankenswerte statistische Mittheilungen z. V. die Concert-
Programme, zum Gewinn der Uebersichtlichkeit gesondert hätten zusammengestellt
werden können. Denn die zusammenhängende, anschauliche Darstellung von
Haydns Wirksamkeit in London, von seiner persönlichen und musikalischen Stellung
daselbst, ist in dieser zweiten Abtheilung des Buchs die eigentliche Aufgabe und
nimmt nach Umfang und Bedeutung den Hauptplatz ein. Sie ist dem Ver¬
fasser in allem Wesentlichen sehr wohl gelungen, wiewohl er sich dieselbe durch
den ungemeinen Reichthum einzelner Notizen, welche er nach allen Seiten hin aus¬
streut, keineswegs erleichtert bat. Allerdings bemerkt man hie und da, daß er
noch nicht durch längere schriftstellerische Arbeit geübt ist, eine Fülle vereinzelter
Züge zu einem klaren Bild mit sicherer Hand zu concentriren, einigemal hat
er sich auch kleine sprachliche Nachlässigkeiten und Jncorrecthciten entschlüpfen
lassen. Aber solche einzelne Schwänen und Versehen schaden weder der wissen¬
schaftlichen Brauchbarkeit noch der angenehmen Lecture des Buchs. Ueberall
faßt man Zutrauen zu der Verläßlichkeit eines Mannes, der, was er mittheilt,
durch eigene Untersuchung gefunden hat und die Sachen, über welche er urtheilt,
wirklich versteht, und der einfache Ton der Wahrheitsliebe, welche nirgends
Redensarten für Thatsachen. Phrasen für Gedanken verkauft, entschädigt mehr
als ausreichend dafür; wenn es hie und da noch an Gewandtheit fehlt. Der
Verfasser beschränkt sich auf das rein Biographische, eine Charakteristik der
musikalischen Leistungen Haydns in London, eine vergleichende Würdigung der¬
selben hat er nicht versucht. Vielleicht dachte er. eben weil er Musiker ist, das
verstände sich von selbst. Oder vielmehr er hat sich klar gemacht, daß eine
solche Darstellung, wenn sie wahr und erschöpfend sein soll, ebensowohl zurück¬
greifen muß auf die genaue Erkenntniß deS vorangehenden Entwickelungsganges
des Meisters, als sie vorwäits schauen muß auf das, was er später unter dem
Einfluß der londoner Erfahnmgen geschaffen hat, d. h. also, daß diese Aufgabe
nur in einer Gesammtdarstellung Haydns als Komponisten befriedigend gelöst
Werden kann. Und diese größere Aufgabe hoffen wir ebenfalls noch von
Herrn Pohl gelöst zu sehen.




nothwendige und dankenswerte statistische Mittheilungen z. V. die Concert-
Programme, zum Gewinn der Uebersichtlichkeit gesondert hätten zusammengestellt
werden können. Denn die zusammenhängende, anschauliche Darstellung von
Haydns Wirksamkeit in London, von seiner persönlichen und musikalischen Stellung
daselbst, ist in dieser zweiten Abtheilung des Buchs die eigentliche Aufgabe und
nimmt nach Umfang und Bedeutung den Hauptplatz ein. Sie ist dem Ver¬
fasser in allem Wesentlichen sehr wohl gelungen, wiewohl er sich dieselbe durch
den ungemeinen Reichthum einzelner Notizen, welche er nach allen Seiten hin aus¬
streut, keineswegs erleichtert bat. Allerdings bemerkt man hie und da, daß er
noch nicht durch längere schriftstellerische Arbeit geübt ist, eine Fülle vereinzelter
Züge zu einem klaren Bild mit sicherer Hand zu concentriren, einigemal hat
er sich auch kleine sprachliche Nachlässigkeiten und Jncorrecthciten entschlüpfen
lassen. Aber solche einzelne Schwänen und Versehen schaden weder der wissen¬
schaftlichen Brauchbarkeit noch der angenehmen Lecture des Buchs. Ueberall
faßt man Zutrauen zu der Verläßlichkeit eines Mannes, der, was er mittheilt,
durch eigene Untersuchung gefunden hat und die Sachen, über welche er urtheilt,
wirklich versteht, und der einfache Ton der Wahrheitsliebe, welche nirgends
Redensarten für Thatsachen. Phrasen für Gedanken verkauft, entschädigt mehr
als ausreichend dafür; wenn es hie und da noch an Gewandtheit fehlt. Der
Verfasser beschränkt sich auf das rein Biographische, eine Charakteristik der
musikalischen Leistungen Haydns in London, eine vergleichende Würdigung der¬
selben hat er nicht versucht. Vielleicht dachte er. eben weil er Musiker ist, das
verstände sich von selbst. Oder vielmehr er hat sich klar gemacht, daß eine
solche Darstellung, wenn sie wahr und erschöpfend sein soll, ebensowohl zurück¬
greifen muß auf die genaue Erkenntniß deS vorangehenden Entwickelungsganges
des Meisters, als sie vorwäits schauen muß auf das, was er später unter dem
Einfluß der londoner Erfahnmgen geschaffen hat, d. h. also, daß diese Aufgabe
nur in einer Gesammtdarstellung Haydns als Komponisten befriedigend gelöst
Werden kann. Und diese größere Aufgabe hoffen wir ebenfalls noch von
Herrn Pohl gelöst zu sehen.




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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_349917/323>, abgerufen am 02.07.2024.