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Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. II. Band.

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gesteh es leider, verliert die Menschheit in meinen Augen: aber wenn ich mich
nicht mehr für sie enthusiasmiren kann, so hab' ich dafür auch der Augenblicke
weniger, in denen ich sie verabscheue, und Gleichmuth ist eine köstliche Gabe!

Nach Weimar werd' ich in diesem Jahre schwerlich zurückkehren. Von der
hiesigen Literatur kann ich weiter nichts melden, als daß sie gar nicht existirt
und von der Berliner weiß ich seit drei Wochen kein Wort. Indeß hab' ich
hier doch zwey große Männer kennen gelernt, die von der ganzen Stadt venc-
rirt werden. Sie ist überzeugt, daß auch ganz Teutschland sie verehrt. Der
eine ist Hofprediger, schreibt seine Predigt auf, eh', er sie hält, und besteigt die
Kanzel mit Manschetten. Der andere ist Subrektor, hält eine Lesegesellschaft
und hat eine Abhandlung voll genialer Gedanken über den Schaafsdünger ge¬
schrieben. --

Seyn Sie so gütig, der Frau Vicepräsidentin meine aufrichtige Ehrfurcht
zu bezeugen. Ich bin so frei gewesen, Ihr ein Bändchen Erzählungen zu
schicken, die vielleicht eben so wenig taugen als meine Völkergemälde. Je nun!
der vergangene Winter war für mich ein nicht intermittirendes Fieber. Er ist
vorbey!

Ihrem ganzen Hause ersuche ich Sie gehorsamst, mich zu empfehlen. Mit
der lebhaftesten Hochachtung Ihr
gehorsamster Diener


G. Merkel.

2) Herder an Merkel. Verzeihen Sie, Bester, meinen so späten Dank
sowohl für Ihre Geschenke, als für die Ehre, die Sie vor den Völkergemälden
mir haben erweisen wollen. Ach zu viel, zu viel Ehre! Ihre Völkergemälde
sind gut zu- und gegeneinander gestellt; auch dünkt mich diese Methode, des
Zusammenstellens, vor der Hand die angenehmste, die nützlichste, ja die -- einzig
mögliche Philosophie der Menschheit in einem gewissen Sinn betrachtet. Mögen die
Engel Uriel, Raphael, Sealthiel, vorzüglich aber der Engel Michael aus ihnen
Resultate ziehen; was sollen sie uns, eh wir hinaufgelangen.

Hier ist unsers liesländischen Freundes Brief an Teller. Ehe ich ihn empfing,
hatte ich mich, ohne seine Anregung an mich. Mühe für ihn gegeben, weil ich
seine Lage und ihn selbst, weil ich außerdem den Kreis ziemlich kannte, für den
ich ihn geschaffen glaubte. Bisher kann ich noch nichts darüber sagen; ver¬
säumt ist aber nichts, da (unter uns gesagt, oder gemuthmaßt) die Stelle einer
Finanzspeculat. für andre Ms eaussas und boria oxp. pndlios, offen zu stehn
scheinet. Versichern Sie Hrn. Oberconsistorialrath Teller, daß ich nicht er¬
mangeln werde, für unsern nach Liest. Verbannten zu thun, was ich für ihn
thun kann. Ng, piano, LiZnori, piano.

Engel mit seiner Lichtmetaphysik hat mir eine sehr, sehr angenehme


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gesteh es leider, verliert die Menschheit in meinen Augen: aber wenn ich mich
nicht mehr für sie enthusiasmiren kann, so hab' ich dafür auch der Augenblicke
weniger, in denen ich sie verabscheue, und Gleichmuth ist eine köstliche Gabe!

Nach Weimar werd' ich in diesem Jahre schwerlich zurückkehren. Von der
hiesigen Literatur kann ich weiter nichts melden, als daß sie gar nicht existirt
und von der Berliner weiß ich seit drei Wochen kein Wort. Indeß hab' ich
hier doch zwey große Männer kennen gelernt, die von der ganzen Stadt venc-
rirt werden. Sie ist überzeugt, daß auch ganz Teutschland sie verehrt. Der
eine ist Hofprediger, schreibt seine Predigt auf, eh', er sie hält, und besteigt die
Kanzel mit Manschetten. Der andere ist Subrektor, hält eine Lesegesellschaft
und hat eine Abhandlung voll genialer Gedanken über den Schaafsdünger ge¬
schrieben. —

Seyn Sie so gütig, der Frau Vicepräsidentin meine aufrichtige Ehrfurcht
zu bezeugen. Ich bin so frei gewesen, Ihr ein Bändchen Erzählungen zu
schicken, die vielleicht eben so wenig taugen als meine Völkergemälde. Je nun!
der vergangene Winter war für mich ein nicht intermittirendes Fieber. Er ist
vorbey!

Ihrem ganzen Hause ersuche ich Sie gehorsamst, mich zu empfehlen. Mit
der lebhaftesten Hochachtung Ihr
gehorsamster Diener


G. Merkel.

2) Herder an Merkel. Verzeihen Sie, Bester, meinen so späten Dank
sowohl für Ihre Geschenke, als für die Ehre, die Sie vor den Völkergemälden
mir haben erweisen wollen. Ach zu viel, zu viel Ehre! Ihre Völkergemälde
sind gut zu- und gegeneinander gestellt; auch dünkt mich diese Methode, des
Zusammenstellens, vor der Hand die angenehmste, die nützlichste, ja die — einzig
mögliche Philosophie der Menschheit in einem gewissen Sinn betrachtet. Mögen die
Engel Uriel, Raphael, Sealthiel, vorzüglich aber der Engel Michael aus ihnen
Resultate ziehen; was sollen sie uns, eh wir hinaufgelangen.

Hier ist unsers liesländischen Freundes Brief an Teller. Ehe ich ihn empfing,
hatte ich mich, ohne seine Anregung an mich. Mühe für ihn gegeben, weil ich
seine Lage und ihn selbst, weil ich außerdem den Kreis ziemlich kannte, für den
ich ihn geschaffen glaubte. Bisher kann ich noch nichts darüber sagen; ver¬
säumt ist aber nichts, da (unter uns gesagt, oder gemuthmaßt) die Stelle einer
Finanzspeculat. für andre Ms eaussas und boria oxp. pndlios, offen zu stehn
scheinet. Versichern Sie Hrn. Oberconsistorialrath Teller, daß ich nicht er¬
mangeln werde, für unsern nach Liest. Verbannten zu thun, was ich für ihn
thun kann. Ng, piano, LiZnori, piano.

Engel mit seiner Lichtmetaphysik hat mir eine sehr, sehr angenehme


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_349917/295>, abgerufen am 22.07.2024.