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Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. II. Band.

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nicht mehr herzustellen war, und bei diesem Urtheil, da", solange Menschen
Geschichte schreiben, dem Erfolg entnommen ist, wird es doch für alle Zeit
bleiben müssen. Aber eine ganj andere Frage ist. ob die großen Fürsten de"
Hause" gegen ihre Zeit und ihr Volk im Unrecht waren, als sie den Gedanken
des römischen Weltreich" gegen Italien. Frankreich. England, ja gegen Polen
und Türken durchzusetzen rangen. Darüber ist uns allerdings ein Urtheil
gestattet, denn die" Urtheil wird um so zuverlässiger, je völliger wir die unsicht-
baren Fäden erkennen, durch welche ihnen Gedanken und Thun geleitet wurde.
Und sür uns liegt einer der größten Vorzüge des Werkes von Toeche darin,
daß er geistvoll nachweist, wie das Princip der Hohenstaufen weder ein
politisch treffliche" war. welches nur durch die argen Päpste gekreuzt wurde,
noch ein antinationale". welche" in thörichtem italienischen Kampf die Kraft de"
Kaiserthums aufrieb, sondern "in verhängnißvolles Erbe aus ferner Vergangenheit,
welches ihnen wie allen Zeitgenossen mit unwiderstehlicher Gewalt Empfindung
und Handeln richtete, genau diejenige Beschränkung persönlicher Freiheit, wel¬
cher jeder Mensch als Kind seiner Zeit, als Enkel seiner Vorfahren unter¬
worfen ist. Die Hohenstausenkämpfe werden von diesem Standpunkt nur
der letzte Act der großen geschichtlichen Tragödie, welche mit dem Einbruch
der Kimbern und Teutonen, mit dem Kampfe Cäsars gegen Ariovist und
der Schlacht im teutoburger Walde begann. Denn was da" Schicksal der
Hohenstaufen so tragisch geformt, was den großen Staat des Mittelalter"
in der Mitte des 18. Jahrhunderts zerbrochen hat. das war im letzten Grunde
nur daS Resultat von unzähligen Eindrücken, welche seit der Urzeit Sinn und
Herz des deutschen Volke" mit der Cultur der alten Welt verbunden und zu
Diener" derselben gemacht hatten, damit dies Volk später nach zahllosen Siegen
und Niederlagen ein Herrenvolk der Erde würde. In diesem Sinne sind auch die
Hohenstaufen sür uns untergegangen, damit wir so wurden, wie wir sind und
leben. Wir aber hoffen unserem Volk, daß solche Auffassung seiner Vergangen-
heit ihm sür immer eine Quelle der Freude und des Stolzes werde.




nicht mehr herzustellen war, und bei diesem Urtheil, da«, solange Menschen
Geschichte schreiben, dem Erfolg entnommen ist, wird es doch für alle Zeit
bleiben müssen. Aber eine ganj andere Frage ist. ob die großen Fürsten de»
Hause« gegen ihre Zeit und ihr Volk im Unrecht waren, als sie den Gedanken
des römischen Weltreich« gegen Italien. Frankreich. England, ja gegen Polen
und Türken durchzusetzen rangen. Darüber ist uns allerdings ein Urtheil
gestattet, denn die« Urtheil wird um so zuverlässiger, je völliger wir die unsicht-
baren Fäden erkennen, durch welche ihnen Gedanken und Thun geleitet wurde.
Und sür uns liegt einer der größten Vorzüge des Werkes von Toeche darin,
daß er geistvoll nachweist, wie das Princip der Hohenstaufen weder ein
politisch treffliche« war. welches nur durch die argen Päpste gekreuzt wurde,
noch ein antinationale«. welche« in thörichtem italienischen Kampf die Kraft de«
Kaiserthums aufrieb, sondern »in verhängnißvolles Erbe aus ferner Vergangenheit,
welches ihnen wie allen Zeitgenossen mit unwiderstehlicher Gewalt Empfindung
und Handeln richtete, genau diejenige Beschränkung persönlicher Freiheit, wel¬
cher jeder Mensch als Kind seiner Zeit, als Enkel seiner Vorfahren unter¬
worfen ist. Die Hohenstausenkämpfe werden von diesem Standpunkt nur
der letzte Act der großen geschichtlichen Tragödie, welche mit dem Einbruch
der Kimbern und Teutonen, mit dem Kampfe Cäsars gegen Ariovist und
der Schlacht im teutoburger Walde begann. Denn was da« Schicksal der
Hohenstaufen so tragisch geformt, was den großen Staat des Mittelalter«
in der Mitte des 18. Jahrhunderts zerbrochen hat. das war im letzten Grunde
nur daS Resultat von unzähligen Eindrücken, welche seit der Urzeit Sinn und
Herz des deutschen Volke« mit der Cultur der alten Welt verbunden und zu
Diener» derselben gemacht hatten, damit dies Volk später nach zahllosen Siegen
und Niederlagen ein Herrenvolk der Erde würde. In diesem Sinne sind auch die
Hohenstaufen sür uns untergegangen, damit wir so wurden, wie wir sind und
leben. Wir aber hoffen unserem Volk, daß solche Auffassung seiner Vergangen-
heit ihm sür immer eine Quelle der Freude und des Stolzes werde.




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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_349917/292>, abgerufen am 05.02.2025.