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Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. II. Band.

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völlig genommen werden. Es war also fein Wunder, daß man für Seegefechte
die Segelschiffe noch ni.de entbehren wollte und bei Zusammensetzung der Flotten
noch immer die Segelschiffe als den Hauptbestandtheil beibehielt und die Dampf¬
schiffe in verhältnismäßig geringer Zahl, hauptsächlich zum Recognosciren, zum
Verfolgungs- und zum Stafcttcndienst gebrauchte.

Einen völligen Umschwung aber brachte die Erfindung der Schiffs¬
schraube hervor, die hauptsächlich dem Oestreicher Nessel zu verdanken ist
und zunächst in der englischen und der französischen Marine, dann in allen
andern Kriegsflotten schnellen Eingang gefunden hat. Diejenigen Leser, welche
noch nicht Gelegenheit gehabt haben diese Schraube durch eigne Anschauung
oder genaue Beschreibung kennen zu lernen, werden ersucht an einen Propfen-
zieher zu denken, welcher bei einer verkorkten Weinflasche soweit in den Kork
hineingeschraubt wurde, als es nöthig ist, um den letzteren herausziehen zu
können, die-Flasche aber denke man horizontal hingelegt. Wird der Pfropfen-
zieher in entgegengesetzter Richtung wie vorher umgedreht, so schraubt sich der¬
selbe durch einfache, senkrecht auf die Achse wirkende Drehung von selbst aus
dem Kork heraus. Genau dasselbe Princip kommt bei der Schiffsschraube in
Anwendung: die Stelle des Korks vertritt das hinter dem Schiff befindliche
Wasser, den Schraubengängen des Korkziehers entspricht die hinter dem Schiff
angebrachte Schiffsschraube, und so wie der Pfropfenzieher im Ganzen durch
einfache Drehung einer in der Längenrichtung liegenden Welle vorgeschoben
wird, wird auch das Schiff durch einfache Drehung der Schraubenwelle vor-
wärtsgetricben. In der Längenaxe des Schiffs, halb so tief unter Wasser als
der Schiffskörper überhaupt unter Wasser reicht, liegt eine starke eiserne Welle,
die Schraubenwclle (englisch fere^ statt), die ziemlich halb so lang ist als der
ganze Schiffskörper. Diese Welle nimmt ihren Anfang von der Dampfmaschine
in der Gegend des mittleren Maseh, durch welche sie um ihre Axe gedreht
wird, und läuft geradeaus bis zum Hinteren Ende des Schiffes, wo sie
durch den Hintcrstcven -- einen starken'Pfosten, welcher vom Ende des Kiels
aus fast senkrecht emporstrebe und gleichsam den .Hinteren Grat des Schiffs¬
körpers bildet -- völlig hindurchgeht, so daß ihr Ende frei im Wasser liegt;
das Loch im Hinterstevcn ist durch ein fest zusammengepreßtes Kautschuckpvisier
derart geschlossen, daß kein Wasser eindringen kann, auch wenn die Welle ver¬
mittelst der Dampfmaschine in Drehung versetzt wird. Um das Hintere, in das
Wasser hinausragende Ende der Schraubenwellc läuft nun ein gewöhnliches
Schraubengewinde von sehr großer Höhe oder Breite (2--1Y Fuß), von dem
jedoch nicht mehre Gänge (Umläufe des Gewindes), sondern nur ein einziger
Gang vorhanden ist, da mehre solche hier keinen Nutzen haben würden. Wird
nämlich die Schraubenwelle durch die Maschine gedreht, so schiebt sich der eine
Schraubengang vermöge seiner Schrägung gegen das dahinter befindliche Wasser


völlig genommen werden. Es war also fein Wunder, daß man für Seegefechte
die Segelschiffe noch ni.de entbehren wollte und bei Zusammensetzung der Flotten
noch immer die Segelschiffe als den Hauptbestandtheil beibehielt und die Dampf¬
schiffe in verhältnismäßig geringer Zahl, hauptsächlich zum Recognosciren, zum
Verfolgungs- und zum Stafcttcndienst gebrauchte.

Einen völligen Umschwung aber brachte die Erfindung der Schiffs¬
schraube hervor, die hauptsächlich dem Oestreicher Nessel zu verdanken ist
und zunächst in der englischen und der französischen Marine, dann in allen
andern Kriegsflotten schnellen Eingang gefunden hat. Diejenigen Leser, welche
noch nicht Gelegenheit gehabt haben diese Schraube durch eigne Anschauung
oder genaue Beschreibung kennen zu lernen, werden ersucht an einen Propfen-
zieher zu denken, welcher bei einer verkorkten Weinflasche soweit in den Kork
hineingeschraubt wurde, als es nöthig ist, um den letzteren herausziehen zu
können, die-Flasche aber denke man horizontal hingelegt. Wird der Pfropfen-
zieher in entgegengesetzter Richtung wie vorher umgedreht, so schraubt sich der¬
selbe durch einfache, senkrecht auf die Achse wirkende Drehung von selbst aus
dem Kork heraus. Genau dasselbe Princip kommt bei der Schiffsschraube in
Anwendung: die Stelle des Korks vertritt das hinter dem Schiff befindliche
Wasser, den Schraubengängen des Korkziehers entspricht die hinter dem Schiff
angebrachte Schiffsschraube, und so wie der Pfropfenzieher im Ganzen durch
einfache Drehung einer in der Längenrichtung liegenden Welle vorgeschoben
wird, wird auch das Schiff durch einfache Drehung der Schraubenwelle vor-
wärtsgetricben. In der Längenaxe des Schiffs, halb so tief unter Wasser als
der Schiffskörper überhaupt unter Wasser reicht, liegt eine starke eiserne Welle,
die Schraubenwclle (englisch fere^ statt), die ziemlich halb so lang ist als der
ganze Schiffskörper. Diese Welle nimmt ihren Anfang von der Dampfmaschine
in der Gegend des mittleren Maseh, durch welche sie um ihre Axe gedreht
wird, und läuft geradeaus bis zum Hinteren Ende des Schiffes, wo sie
durch den Hintcrstcven — einen starken'Pfosten, welcher vom Ende des Kiels
aus fast senkrecht emporstrebe und gleichsam den .Hinteren Grat des Schiffs¬
körpers bildet — völlig hindurchgeht, so daß ihr Ende frei im Wasser liegt;
das Loch im Hinterstevcn ist durch ein fest zusammengepreßtes Kautschuckpvisier
derart geschlossen, daß kein Wasser eindringen kann, auch wenn die Welle ver¬
mittelst der Dampfmaschine in Drehung versetzt wird. Um das Hintere, in das
Wasser hinausragende Ende der Schraubenwellc läuft nun ein gewöhnliches
Schraubengewinde von sehr großer Höhe oder Breite (2—1Y Fuß), von dem
jedoch nicht mehre Gänge (Umläufe des Gewindes), sondern nur ein einziger
Gang vorhanden ist, da mehre solche hier keinen Nutzen haben würden. Wird
nämlich die Schraubenwelle durch die Maschine gedreht, so schiebt sich der eine
Schraubengang vermöge seiner Schrägung gegen das dahinter befindliche Wasser


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[0262] völlig genommen werden. Es war also fein Wunder, daß man für Seegefechte die Segelschiffe noch ni.de entbehren wollte und bei Zusammensetzung der Flotten noch immer die Segelschiffe als den Hauptbestandtheil beibehielt und die Dampf¬ schiffe in verhältnismäßig geringer Zahl, hauptsächlich zum Recognosciren, zum Verfolgungs- und zum Stafcttcndienst gebrauchte. Einen völligen Umschwung aber brachte die Erfindung der Schiffs¬ schraube hervor, die hauptsächlich dem Oestreicher Nessel zu verdanken ist und zunächst in der englischen und der französischen Marine, dann in allen andern Kriegsflotten schnellen Eingang gefunden hat. Diejenigen Leser, welche noch nicht Gelegenheit gehabt haben diese Schraube durch eigne Anschauung oder genaue Beschreibung kennen zu lernen, werden ersucht an einen Propfen- zieher zu denken, welcher bei einer verkorkten Weinflasche soweit in den Kork hineingeschraubt wurde, als es nöthig ist, um den letzteren herausziehen zu können, die-Flasche aber denke man horizontal hingelegt. Wird der Pfropfen- zieher in entgegengesetzter Richtung wie vorher umgedreht, so schraubt sich der¬ selbe durch einfache, senkrecht auf die Achse wirkende Drehung von selbst aus dem Kork heraus. Genau dasselbe Princip kommt bei der Schiffsschraube in Anwendung: die Stelle des Korks vertritt das hinter dem Schiff befindliche Wasser, den Schraubengängen des Korkziehers entspricht die hinter dem Schiff angebrachte Schiffsschraube, und so wie der Pfropfenzieher im Ganzen durch einfache Drehung einer in der Längenrichtung liegenden Welle vorgeschoben wird, wird auch das Schiff durch einfache Drehung der Schraubenwelle vor- wärtsgetricben. In der Längenaxe des Schiffs, halb so tief unter Wasser als der Schiffskörper überhaupt unter Wasser reicht, liegt eine starke eiserne Welle, die Schraubenwclle (englisch fere^ statt), die ziemlich halb so lang ist als der ganze Schiffskörper. Diese Welle nimmt ihren Anfang von der Dampfmaschine in der Gegend des mittleren Maseh, durch welche sie um ihre Axe gedreht wird, und läuft geradeaus bis zum Hinteren Ende des Schiffes, wo sie durch den Hintcrstcven — einen starken'Pfosten, welcher vom Ende des Kiels aus fast senkrecht emporstrebe und gleichsam den .Hinteren Grat des Schiffs¬ körpers bildet — völlig hindurchgeht, so daß ihr Ende frei im Wasser liegt; das Loch im Hinterstevcn ist durch ein fest zusammengepreßtes Kautschuckpvisier derart geschlossen, daß kein Wasser eindringen kann, auch wenn die Welle ver¬ mittelst der Dampfmaschine in Drehung versetzt wird. Um das Hintere, in das Wasser hinausragende Ende der Schraubenwellc läuft nun ein gewöhnliches Schraubengewinde von sehr großer Höhe oder Breite (2—1Y Fuß), von dem jedoch nicht mehre Gänge (Umläufe des Gewindes), sondern nur ein einziger Gang vorhanden ist, da mehre solche hier keinen Nutzen haben würden. Wird nämlich die Schraubenwelle durch die Maschine gedreht, so schiebt sich der eine Schraubengang vermöge seiner Schrägung gegen das dahinter befindliche Wasser

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_349917/262>, abgerufen am 22.07.2024.