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Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. II. Band.

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wärts zu schieben. Am vorderen und am Hinteren Ende des Schiffs aber sind
stets Schratsegel angebracht, d. h, Segel, welche in normaler Lige längs-
schiffs. parallel einem senkrechten Längendurchschnitt des Schiffs stehen und bei
Seitenwind vorzüglich geeignet sind, das Schiff zu drehen und zu wenden; es
sind dies vorn am Bugspriet die Klüver oder Vorsiagscgel, dreieckige, mit ihrer
Vorderseite an den Skagen, an starken Tauen, welche den Mast "ach vorn halten,
befestigte Segel, hinten aber ist es ein Gaffelsegel, ein am hintersten Most be¬
festigtes Segel von trapczoidischer Form. Will man das Schiff nach der Seite
hindrehen, woher der Seitenwind kommt, so wird das Hintere Gaffelsegel gesetzt
und die Klüver vorn werden weggenommen, will man nach der andern Seite
hin wenden, so wird das Gaffelsegel weggenommen und die Klüver gesetzt: in
beiden Fällen dreht dann der Wind das Schiff ganz von selbst nach der ge¬
wünschten Richtung. Uebrigens lassen sich alle diese Segel auch so stellen, daß
sie das Schiff mit vorwärts treiben helfen. Je nachdem, nun das eben an¬
geführte Princip der Takelung sich bei Schiffen mit einem, mit zwei oder mit
drei Masten durchgeführt findet, entstehen die verschiedenen Schiffsclassen.

Ein Fahrzeug mit einem Mast, an welchem sich ein Naascgel oder mehre
solche über einander befinden, das aber zugleich am Mast hinten noch ein Gaffel¬
segel und vorn mehre Klüver führt, heißt ein Kutter oder eine Schlupe. Die
"Schlupen" dieser Art (nicht zu verwechseln mit den kleinen Schlupen oder
Schaluppen, welche als Bote größerer Schiffe dienen) sind in unseren nordischen
Meeren die kleinsten Fahrzeuge der Handelsmarine, wenn man von den Fischer¬
booten absieht, während in der Mittellandssee die "Tartaren", Fahrzeuge mit'
einem großen dreieckigen lateinischen Segel ihre Stelle einnehmen. Die Kutter
aber, d. h. besonders scharf gebaute, also zum Schnellsegeln eingerichtete Fahr¬
zeuge der beschriebenen Takelage, offenbar deshalb englisch euttsr, vom Durch¬
schneiden des Wassers genannt, wie auch die vorderste Schärfe jedes Schiffs,
das Scheg, im Englischen out ^g-ehr, französisch taillemsr heißt, sind ächte
Kriegsfahrzeuge und waren als solche gegen Ende des vorigen und im Anfang
dieses Jahrhunderts mit einer Ausrüstung von vier, sechs oder acht leichten
Kanonen auf dem Oberdeck ungemein beliebt, während sie heutzutage bei der
Kriegsmarine durch die kleineren Avisodampfer ersetzt sind, und sich nur noch
als Zoll- oder Lootsenwachtschiffe (Zollkutter oder Lootscnkutter) oder aber als
Lustjachts erhalten haben, deren Wettfahrten in England keine geringere Be¬
deutung haben als die berühmten Pferderennen, Uebrigens sind diese Schiffe
mit Kuttertakelage nicht mit den gleichnamigen Booten größerer Kriegsschiffe
zu verwechseln, welche jetzt meistens gar keine Kutterbemastung haben.

Die nächstgrößere Classe von Schiffen bilden diejenigen, welche zwei
Masten führen: hat bei denselben blos der vordere Mast Raasegel, der Hintere
dagegen blos das Gaffelsegel, oder auch zwei solche über einander, während am


wärts zu schieben. Am vorderen und am Hinteren Ende des Schiffs aber sind
stets Schratsegel angebracht, d. h, Segel, welche in normaler Lige längs-
schiffs. parallel einem senkrechten Längendurchschnitt des Schiffs stehen und bei
Seitenwind vorzüglich geeignet sind, das Schiff zu drehen und zu wenden; es
sind dies vorn am Bugspriet die Klüver oder Vorsiagscgel, dreieckige, mit ihrer
Vorderseite an den Skagen, an starken Tauen, welche den Mast »ach vorn halten,
befestigte Segel, hinten aber ist es ein Gaffelsegel, ein am hintersten Most be¬
festigtes Segel von trapczoidischer Form. Will man das Schiff nach der Seite
hindrehen, woher der Seitenwind kommt, so wird das Hintere Gaffelsegel gesetzt
und die Klüver vorn werden weggenommen, will man nach der andern Seite
hin wenden, so wird das Gaffelsegel weggenommen und die Klüver gesetzt: in
beiden Fällen dreht dann der Wind das Schiff ganz von selbst nach der ge¬
wünschten Richtung. Uebrigens lassen sich alle diese Segel auch so stellen, daß
sie das Schiff mit vorwärts treiben helfen. Je nachdem, nun das eben an¬
geführte Princip der Takelung sich bei Schiffen mit einem, mit zwei oder mit
drei Masten durchgeführt findet, entstehen die verschiedenen Schiffsclassen.

Ein Fahrzeug mit einem Mast, an welchem sich ein Naascgel oder mehre
solche über einander befinden, das aber zugleich am Mast hinten noch ein Gaffel¬
segel und vorn mehre Klüver führt, heißt ein Kutter oder eine Schlupe. Die
„Schlupen" dieser Art (nicht zu verwechseln mit den kleinen Schlupen oder
Schaluppen, welche als Bote größerer Schiffe dienen) sind in unseren nordischen
Meeren die kleinsten Fahrzeuge der Handelsmarine, wenn man von den Fischer¬
booten absieht, während in der Mittellandssee die „Tartaren", Fahrzeuge mit'
einem großen dreieckigen lateinischen Segel ihre Stelle einnehmen. Die Kutter
aber, d. h. besonders scharf gebaute, also zum Schnellsegeln eingerichtete Fahr¬
zeuge der beschriebenen Takelage, offenbar deshalb englisch euttsr, vom Durch¬
schneiden des Wassers genannt, wie auch die vorderste Schärfe jedes Schiffs,
das Scheg, im Englischen out ^g-ehr, französisch taillemsr heißt, sind ächte
Kriegsfahrzeuge und waren als solche gegen Ende des vorigen und im Anfang
dieses Jahrhunderts mit einer Ausrüstung von vier, sechs oder acht leichten
Kanonen auf dem Oberdeck ungemein beliebt, während sie heutzutage bei der
Kriegsmarine durch die kleineren Avisodampfer ersetzt sind, und sich nur noch
als Zoll- oder Lootsenwachtschiffe (Zollkutter oder Lootscnkutter) oder aber als
Lustjachts erhalten haben, deren Wettfahrten in England keine geringere Be¬
deutung haben als die berühmten Pferderennen, Uebrigens sind diese Schiffe
mit Kuttertakelage nicht mit den gleichnamigen Booten größerer Kriegsschiffe
zu verwechseln, welche jetzt meistens gar keine Kutterbemastung haben.

Die nächstgrößere Classe von Schiffen bilden diejenigen, welche zwei
Masten führen: hat bei denselben blos der vordere Mast Raasegel, der Hintere
dagegen blos das Gaffelsegel, oder auch zwei solche über einander, während am


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_349917/256>, abgerufen am 24.08.2024.