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Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. II. Band.

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der Italiener, wir liegehren kein Gebiet, das unter der Herrschaft eines frem¬
den Staates liegt, aber es ist eine ruhige Warme, und trotz aller Halbheiten,
womit wir zu kämpfen haben, und trotz der unklaren Verhältnisse,, welche in
einigen Landschaften das Urtheil beengen, doch im Kern unseres Volkes eine
gehobene Stimmung.

Und immer wieder wollen wir uns und Andern sagen, daß wir in eine
Zeit der größten politischen Revolution gekommen sind, einer friedlichen Revo¬
lution durch Verträge und Ausgleichung widerstrebender Staatsinteressen. In
solcher Zeit fügt sich das Neue oft übel zu dem Alten, in ihr ist nicht möglich,
und wenn es möglich wäre, nicht rathsam, auf jeder Stufe deö Fortschritts
alle Consequenzen desselben zu ziehen. ES war ein weiser Beschluß, daß das
Preußische Abgeordnetenhaus davon abstand, die Veränderungen, welche der
preußischen Verfassung durch die Reichsverfassung zugemuthet werden, und die
Verminderung der Rechte einer preußischen Volksvertretung schon jetzt zu for-
muliren. Das Abgeordnetenhaus wird foitfahren seine Rechte und Befugnisse
so hoch zu fassen, als ihm gesetzlich möglich ist. Es wird in kurzem eine ein¬
flußreiche Vergrößerung erfahren.

Wenn die neuen Landestheile die doppelte Anzahl der Vertreter, welche
sie in den Reichstag sandte", auch dem Abgeordnetenhaus^ zufügen, wiro nicht
nur die Physiognomie, sondern auch das Gewicht des Hauses sich ändern. Und
es wird kein Unglück sein, wenn bei irgendeiner Frage der Gegensatz zwischen
Abgeordnetenhaus und Reichstag heivorbricht. Dann wird die Stunde ge¬
kommen sein, auf eine Abhilfe zu denken. Jetzt soll man sich daran erinnern,
daß der preußische Ministerpräsident nicht weniger als der Abgeordnete Wal"cet
besorgt waren, der Organisation des neuen Bundesstaates nicht zu viel von
der Machtfülle und dem festgefügten Organismus des preußischen Staates zu
opfern. Man soll deshalb die Reichsverfassung, wie sie geworden ist, trotz ihrer
Mängel, für eine nothwendige, ja auch für eine große That halten, aber man
braucht deshalb noch nicht anzunehmen, daß sie irgendeinen von den Factoren
des preußischen Staatslebens wesentlich zu beeinträchtigen oder gar bis zur
Verkümmerung herabzudrücken bestimmt ist.




der Italiener, wir liegehren kein Gebiet, das unter der Herrschaft eines frem¬
den Staates liegt, aber es ist eine ruhige Warme, und trotz aller Halbheiten,
womit wir zu kämpfen haben, und trotz der unklaren Verhältnisse,, welche in
einigen Landschaften das Urtheil beengen, doch im Kern unseres Volkes eine
gehobene Stimmung.

Und immer wieder wollen wir uns und Andern sagen, daß wir in eine
Zeit der größten politischen Revolution gekommen sind, einer friedlichen Revo¬
lution durch Verträge und Ausgleichung widerstrebender Staatsinteressen. In
solcher Zeit fügt sich das Neue oft übel zu dem Alten, in ihr ist nicht möglich,
und wenn es möglich wäre, nicht rathsam, auf jeder Stufe deö Fortschritts
alle Consequenzen desselben zu ziehen. ES war ein weiser Beschluß, daß das
Preußische Abgeordnetenhaus davon abstand, die Veränderungen, welche der
preußischen Verfassung durch die Reichsverfassung zugemuthet werden, und die
Verminderung der Rechte einer preußischen Volksvertretung schon jetzt zu for-
muliren. Das Abgeordnetenhaus wird foitfahren seine Rechte und Befugnisse
so hoch zu fassen, als ihm gesetzlich möglich ist. Es wird in kurzem eine ein¬
flußreiche Vergrößerung erfahren.

Wenn die neuen Landestheile die doppelte Anzahl der Vertreter, welche
sie in den Reichstag sandte», auch dem Abgeordnetenhaus^ zufügen, wiro nicht
nur die Physiognomie, sondern auch das Gewicht des Hauses sich ändern. Und
es wird kein Unglück sein, wenn bei irgendeiner Frage der Gegensatz zwischen
Abgeordnetenhaus und Reichstag heivorbricht. Dann wird die Stunde ge¬
kommen sein, auf eine Abhilfe zu denken. Jetzt soll man sich daran erinnern,
daß der preußische Ministerpräsident nicht weniger als der Abgeordnete Wal»cet
besorgt waren, der Organisation des neuen Bundesstaates nicht zu viel von
der Machtfülle und dem festgefügten Organismus des preußischen Staates zu
opfern. Man soll deshalb die Reichsverfassung, wie sie geworden ist, trotz ihrer
Mängel, für eine nothwendige, ja auch für eine große That halten, aber man
braucht deshalb noch nicht anzunehmen, daß sie irgendeinen von den Factoren
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[0249] der Italiener, wir liegehren kein Gebiet, das unter der Herrschaft eines frem¬ den Staates liegt, aber es ist eine ruhige Warme, und trotz aller Halbheiten, womit wir zu kämpfen haben, und trotz der unklaren Verhältnisse,, welche in einigen Landschaften das Urtheil beengen, doch im Kern unseres Volkes eine gehobene Stimmung. Und immer wieder wollen wir uns und Andern sagen, daß wir in eine Zeit der größten politischen Revolution gekommen sind, einer friedlichen Revo¬ lution durch Verträge und Ausgleichung widerstrebender Staatsinteressen. In solcher Zeit fügt sich das Neue oft übel zu dem Alten, in ihr ist nicht möglich, und wenn es möglich wäre, nicht rathsam, auf jeder Stufe deö Fortschritts alle Consequenzen desselben zu ziehen. ES war ein weiser Beschluß, daß das Preußische Abgeordnetenhaus davon abstand, die Veränderungen, welche der preußischen Verfassung durch die Reichsverfassung zugemuthet werden, und die Verminderung der Rechte einer preußischen Volksvertretung schon jetzt zu for- muliren. Das Abgeordnetenhaus wird foitfahren seine Rechte und Befugnisse so hoch zu fassen, als ihm gesetzlich möglich ist. Es wird in kurzem eine ein¬ flußreiche Vergrößerung erfahren. Wenn die neuen Landestheile die doppelte Anzahl der Vertreter, welche sie in den Reichstag sandte», auch dem Abgeordnetenhaus^ zufügen, wiro nicht nur die Physiognomie, sondern auch das Gewicht des Hauses sich ändern. Und es wird kein Unglück sein, wenn bei irgendeiner Frage der Gegensatz zwischen Abgeordnetenhaus und Reichstag heivorbricht. Dann wird die Stunde ge¬ kommen sein, auf eine Abhilfe zu denken. Jetzt soll man sich daran erinnern, daß der preußische Ministerpräsident nicht weniger als der Abgeordnete Wal»cet besorgt waren, der Organisation des neuen Bundesstaates nicht zu viel von der Machtfülle und dem festgefügten Organismus des preußischen Staates zu opfern. Man soll deshalb die Reichsverfassung, wie sie geworden ist, trotz ihrer Mängel, für eine nothwendige, ja auch für eine große That halten, aber man braucht deshalb noch nicht anzunehmen, daß sie irgendeinen von den Factoren des preußischen Staatslebens wesentlich zu beeinträchtigen oder gar bis zur Verkümmerung herabzudrücken bestimmt ist.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_349917/249>, abgerufen am 29.06.2024.