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Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. II. Band.

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richteten. Das Jahr des Bürgerkrieges, des Umsturzes der alten Bundes¬
verfassung ist folglich für die deutsche Rettungsgesellschaft zugleich das Jahr
der eigentlichen Einbürgerung und nationalen Ausbreitung gewesen. Es hat
sich an >hr abermals die außerordentlich folgenreiche Thatsache bewährt, daß
ringsnm in der Nation Organe bereit stehen, fähig und geneigt, jedes vater¬
ländische oder humane Unternehmen freiwillig gemeinsam auf die Schultern zu
heben. In Frankreich pflegt man sich für solche Fälle an Präfecten und
Maires'zu wenden; ja selbst in England gelingt es in der Negel weniger rasch,
ein Netz von zusammenhängenden lebendigen Maschen über das ganze Land
hin auszustrecken. Wir Deutsche sind gleichzeitig mit den Eisenbahnen Politiker
geworden, haben unser Schicksal -- unbeschadet der Verdienste Einzelner --
in die eigene Hand genommen, und organisiren uns daher mit beinahe beispiel¬
loser Leichtigkeit für alle halbwegs windigen und populären Zwecke.

Der Jahresbericht des Generalsecretärs Dr. Schumacher in Bremen für.
1866, der am 27. April dem in Lübeck versammelten Gcsellschaftsausschuß vor¬
gelegt wurde, enthält außer den summarischen Bestandziffern in einer Anlage
auch eine Vertheilung derselben über die verschiedenen Gebiete. Es ergiebt sich
daraus, daß von den zu Neujahr vorhandenen 12.692 Mitgliedern 7,215 in
Preußen. 3,326 in den andern norddeutschen Küstenstaaten, 2 131 im deutschen
Binnenlande außerhalb Preußens, Is in Oestreich und 5 im Auslande wohnen.
Den zehn damals bestehenden Küstenbezirksvereinen gehörten 8,630 Mitglieder
an. den zehn binnenländischen Bezirkevercinen 2,722, den Vertreterschaften 1.300.
Die letzteren befinden sich in folgenden Städten: Augsburg, Aschaffenburg,
- Apolda, Arnstadt, Alsleben, Berlin, Breslau, Bockenheim, Düsseldorf. Eybau,
Frankfurt am Main, Friedberg. Gotha, Gera, Hanau. Hagen, Hammeln, Jena,
Kassel, Lüneburg, Lindau, München, Magdeburg, Münden, Neuwied. Osnabrück,
Rotenburg, Paderborn, Werden, Würzburg, Wiesbaden, Weimar; während in
Altenburg, Barmer, Bonn. Braunschweig, Elberfeld, Halberstadt, Hildesheim,
Leipzig, Nürnberg, Nienburg, Saalfeld, sowie in Karlsruhe für den ganzen
Oberrhein binnenländische Bezirksvereine bestehen. Wir führen diese Namen
hier an. um sympathische Leser auf die etwa noch übrigen Lücken in ihrer
Nähe aufmerksam zu machen.

Im Binnenlande herrscht die deutsche Gesellschaft unbestritten. An der
Küste hingegen hat sie noch immer mit der Absonderung zu kämpfen, welche
auf der Gründungsvcrsammlung in Kiel als Rest eines der Centralisation der
Sache gradezu feindseligen Strebens übrigblieb. Doch muß man constatiren,
daß der Particularismus im Nettungswescn neuerdings viel von seinem trotzigen
Selbstbewußtsein, und folglich also wohl von seiner Lebenskraft eingebüßt hat.
Die relativ berechtigte Sonderbündelei der Ostfriesen ist offenbar ebensogut auf


richteten. Das Jahr des Bürgerkrieges, des Umsturzes der alten Bundes¬
verfassung ist folglich für die deutsche Rettungsgesellschaft zugleich das Jahr
der eigentlichen Einbürgerung und nationalen Ausbreitung gewesen. Es hat
sich an >hr abermals die außerordentlich folgenreiche Thatsache bewährt, daß
ringsnm in der Nation Organe bereit stehen, fähig und geneigt, jedes vater¬
ländische oder humane Unternehmen freiwillig gemeinsam auf die Schultern zu
heben. In Frankreich pflegt man sich für solche Fälle an Präfecten und
Maires'zu wenden; ja selbst in England gelingt es in der Negel weniger rasch,
ein Netz von zusammenhängenden lebendigen Maschen über das ganze Land
hin auszustrecken. Wir Deutsche sind gleichzeitig mit den Eisenbahnen Politiker
geworden, haben unser Schicksal — unbeschadet der Verdienste Einzelner —
in die eigene Hand genommen, und organisiren uns daher mit beinahe beispiel¬
loser Leichtigkeit für alle halbwegs windigen und populären Zwecke.

Der Jahresbericht des Generalsecretärs Dr. Schumacher in Bremen für.
1866, der am 27. April dem in Lübeck versammelten Gcsellschaftsausschuß vor¬
gelegt wurde, enthält außer den summarischen Bestandziffern in einer Anlage
auch eine Vertheilung derselben über die verschiedenen Gebiete. Es ergiebt sich
daraus, daß von den zu Neujahr vorhandenen 12.692 Mitgliedern 7,215 in
Preußen. 3,326 in den andern norddeutschen Küstenstaaten, 2 131 im deutschen
Binnenlande außerhalb Preußens, Is in Oestreich und 5 im Auslande wohnen.
Den zehn damals bestehenden Küstenbezirksvereinen gehörten 8,630 Mitglieder
an. den zehn binnenländischen Bezirkevercinen 2,722, den Vertreterschaften 1.300.
Die letzteren befinden sich in folgenden Städten: Augsburg, Aschaffenburg,
- Apolda, Arnstadt, Alsleben, Berlin, Breslau, Bockenheim, Düsseldorf. Eybau,
Frankfurt am Main, Friedberg. Gotha, Gera, Hanau. Hagen, Hammeln, Jena,
Kassel, Lüneburg, Lindau, München, Magdeburg, Münden, Neuwied. Osnabrück,
Rotenburg, Paderborn, Werden, Würzburg, Wiesbaden, Weimar; während in
Altenburg, Barmer, Bonn. Braunschweig, Elberfeld, Halberstadt, Hildesheim,
Leipzig, Nürnberg, Nienburg, Saalfeld, sowie in Karlsruhe für den ganzen
Oberrhein binnenländische Bezirksvereine bestehen. Wir führen diese Namen
hier an. um sympathische Leser auf die etwa noch übrigen Lücken in ihrer
Nähe aufmerksam zu machen.

Im Binnenlande herrscht die deutsche Gesellschaft unbestritten. An der
Küste hingegen hat sie noch immer mit der Absonderung zu kämpfen, welche
auf der Gründungsvcrsammlung in Kiel als Rest eines der Centralisation der
Sache gradezu feindseligen Strebens übrigblieb. Doch muß man constatiren,
daß der Particularismus im Nettungswescn neuerdings viel von seinem trotzigen
Selbstbewußtsein, und folglich also wohl von seiner Lebenskraft eingebüßt hat.
Die relativ berechtigte Sonderbündelei der Ostfriesen ist offenbar ebensogut auf


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[0235] richteten. Das Jahr des Bürgerkrieges, des Umsturzes der alten Bundes¬ verfassung ist folglich für die deutsche Rettungsgesellschaft zugleich das Jahr der eigentlichen Einbürgerung und nationalen Ausbreitung gewesen. Es hat sich an >hr abermals die außerordentlich folgenreiche Thatsache bewährt, daß ringsnm in der Nation Organe bereit stehen, fähig und geneigt, jedes vater¬ ländische oder humane Unternehmen freiwillig gemeinsam auf die Schultern zu heben. In Frankreich pflegt man sich für solche Fälle an Präfecten und Maires'zu wenden; ja selbst in England gelingt es in der Negel weniger rasch, ein Netz von zusammenhängenden lebendigen Maschen über das ganze Land hin auszustrecken. Wir Deutsche sind gleichzeitig mit den Eisenbahnen Politiker geworden, haben unser Schicksal — unbeschadet der Verdienste Einzelner — in die eigene Hand genommen, und organisiren uns daher mit beinahe beispiel¬ loser Leichtigkeit für alle halbwegs windigen und populären Zwecke. Der Jahresbericht des Generalsecretärs Dr. Schumacher in Bremen für. 1866, der am 27. April dem in Lübeck versammelten Gcsellschaftsausschuß vor¬ gelegt wurde, enthält außer den summarischen Bestandziffern in einer Anlage auch eine Vertheilung derselben über die verschiedenen Gebiete. Es ergiebt sich daraus, daß von den zu Neujahr vorhandenen 12.692 Mitgliedern 7,215 in Preußen. 3,326 in den andern norddeutschen Küstenstaaten, 2 131 im deutschen Binnenlande außerhalb Preußens, Is in Oestreich und 5 im Auslande wohnen. Den zehn damals bestehenden Küstenbezirksvereinen gehörten 8,630 Mitglieder an. den zehn binnenländischen Bezirkevercinen 2,722, den Vertreterschaften 1.300. Die letzteren befinden sich in folgenden Städten: Augsburg, Aschaffenburg, - Apolda, Arnstadt, Alsleben, Berlin, Breslau, Bockenheim, Düsseldorf. Eybau, Frankfurt am Main, Friedberg. Gotha, Gera, Hanau. Hagen, Hammeln, Jena, Kassel, Lüneburg, Lindau, München, Magdeburg, Münden, Neuwied. Osnabrück, Rotenburg, Paderborn, Werden, Würzburg, Wiesbaden, Weimar; während in Altenburg, Barmer, Bonn. Braunschweig, Elberfeld, Halberstadt, Hildesheim, Leipzig, Nürnberg, Nienburg, Saalfeld, sowie in Karlsruhe für den ganzen Oberrhein binnenländische Bezirksvereine bestehen. Wir führen diese Namen hier an. um sympathische Leser auf die etwa noch übrigen Lücken in ihrer Nähe aufmerksam zu machen. Im Binnenlande herrscht die deutsche Gesellschaft unbestritten. An der Küste hingegen hat sie noch immer mit der Absonderung zu kämpfen, welche auf der Gründungsvcrsammlung in Kiel als Rest eines der Centralisation der Sache gradezu feindseligen Strebens übrigblieb. Doch muß man constatiren, daß der Particularismus im Nettungswescn neuerdings viel von seinem trotzigen Selbstbewußtsein, und folglich also wohl von seiner Lebenskraft eingebüßt hat. Die relativ berechtigte Sonderbündelei der Ostfriesen ist offenbar ebensogut auf

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_349917/235>, abgerufen am 24.08.2024.