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Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. II. Band.

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Stimmung im Volk ist durchgängig gut und patriotisch, dabei ernster und ge¬
sammelter als sonst bei großen Krisen herkömmlicher Stil war. Es ist nichts
von hohler Renommage zu spüren und die "negative Haltung", zu welcher ein¬
gestandenermaßen die zusammengeschmolzene Volkspartei sich selbst verurtheilt
hat, sorgt dafür, daß man von Gut- und Bluiphrasen und den lächerlichen
Aussetzungen zur "nächtlichen Axt" diesmal verschont bleibt. Niemand wünscht
den Krieg, niemand nimmt ihn leicht oder gefällt sich in wohlfeilen Heraus¬
forderungen der mißleiteten großen Nation, aber allgemein ist die Ueberzeugung,
daß Preußen in dieser nawmalen Frage nicht nachgeben darf, und fest der
Entschluß, zum Schutz der deutschen Integrität auf alle Gefahren zu Preußen
zu stehen. Neben dem Organ unserer Ultramontanen, das offen die Neutralität
Predigt, ist es nur der "Beobachter", der, wie gesagt, eine "negative Haltung"
für die Demokratie in Anspruch nimmt und vornehm lächelnd, mit gebeugten
Armen dem Kampf eines doppelten "Cäsarismus" zusieht; inzwischen fährt er
fort, den Grafen Bismarck oder den "preußischen Chauvinismus" als alleinigen
Anstifter des Kriegs zu denunciren, öffnet allerhand verdächtigen Correspon-
denzen "vom Rhein" seine Spalten, findet es seltsam, daß man sich in einer
Sache erhitze, die "neben den edelsten Stammgütern der Nation klein und
nichtssagend" ist, und versteigt sich in einer Zuschrift vom Lande zu folgendem
Ausruf: "Um Gottes Willen, schlaget doch eine Brücke über den Rhein und
nicht wie die deutsche Partei über den Main; reichet dem Volk in Frankreich nach¬
barlich die Hand; wir wollen keinen Krieg wegen einer elenden Grenzberich¬
tigung, wir wollen keine Grenzen, alle freien und guten Menschen begrüßen
wir als Brüder, reden sie französisch oder deutsch; wollen wir Krieg, führen
wir ihn gegen den Cäsarismus" u. s. w. Das sind Proben, wie herrlich weit
es unser Radicalismus gebracht hat. Gott Lob wird dieses Treiben überall nach
Gebühr gewürdigt, und wenn schon jetzt nur noch eine kleine Schicht der Be¬
völkerung an solcher Kost Behagen findet, so ist mit Zuversicht zu hoffen, daß
auch der kleine Anhang vollends in die Brüche gehen wird, wenn erst der
furchtbare Kampf unvermeidlich geworden sein sollte. Es sind die Zuckungen
einer vererdenden Partei.

Würtemberg hat in der nationalen Sache viel gut zu machen; es ist der
Wille vorhanden, es zu thun, vor allem in der Armee selbst.




Stimmung im Volk ist durchgängig gut und patriotisch, dabei ernster und ge¬
sammelter als sonst bei großen Krisen herkömmlicher Stil war. Es ist nichts
von hohler Renommage zu spüren und die „negative Haltung", zu welcher ein¬
gestandenermaßen die zusammengeschmolzene Volkspartei sich selbst verurtheilt
hat, sorgt dafür, daß man von Gut- und Bluiphrasen und den lächerlichen
Aussetzungen zur „nächtlichen Axt" diesmal verschont bleibt. Niemand wünscht
den Krieg, niemand nimmt ihn leicht oder gefällt sich in wohlfeilen Heraus¬
forderungen der mißleiteten großen Nation, aber allgemein ist die Ueberzeugung,
daß Preußen in dieser nawmalen Frage nicht nachgeben darf, und fest der
Entschluß, zum Schutz der deutschen Integrität auf alle Gefahren zu Preußen
zu stehen. Neben dem Organ unserer Ultramontanen, das offen die Neutralität
Predigt, ist es nur der „Beobachter", der, wie gesagt, eine „negative Haltung"
für die Demokratie in Anspruch nimmt und vornehm lächelnd, mit gebeugten
Armen dem Kampf eines doppelten „Cäsarismus" zusieht; inzwischen fährt er
fort, den Grafen Bismarck oder den „preußischen Chauvinismus" als alleinigen
Anstifter des Kriegs zu denunciren, öffnet allerhand verdächtigen Correspon-
denzen „vom Rhein" seine Spalten, findet es seltsam, daß man sich in einer
Sache erhitze, die „neben den edelsten Stammgütern der Nation klein und
nichtssagend" ist, und versteigt sich in einer Zuschrift vom Lande zu folgendem
Ausruf: „Um Gottes Willen, schlaget doch eine Brücke über den Rhein und
nicht wie die deutsche Partei über den Main; reichet dem Volk in Frankreich nach¬
barlich die Hand; wir wollen keinen Krieg wegen einer elenden Grenzberich¬
tigung, wir wollen keine Grenzen, alle freien und guten Menschen begrüßen
wir als Brüder, reden sie französisch oder deutsch; wollen wir Krieg, führen
wir ihn gegen den Cäsarismus" u. s. w. Das sind Proben, wie herrlich weit
es unser Radicalismus gebracht hat. Gott Lob wird dieses Treiben überall nach
Gebühr gewürdigt, und wenn schon jetzt nur noch eine kleine Schicht der Be¬
völkerung an solcher Kost Behagen findet, so ist mit Zuversicht zu hoffen, daß
auch der kleine Anhang vollends in die Brüche gehen wird, wenn erst der
furchtbare Kampf unvermeidlich geworden sein sollte. Es sind die Zuckungen
einer vererdenden Partei.

Würtemberg hat in der nationalen Sache viel gut zu machen; es ist der
Wille vorhanden, es zu thun, vor allem in der Armee selbst.




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[0217] Stimmung im Volk ist durchgängig gut und patriotisch, dabei ernster und ge¬ sammelter als sonst bei großen Krisen herkömmlicher Stil war. Es ist nichts von hohler Renommage zu spüren und die „negative Haltung", zu welcher ein¬ gestandenermaßen die zusammengeschmolzene Volkspartei sich selbst verurtheilt hat, sorgt dafür, daß man von Gut- und Bluiphrasen und den lächerlichen Aussetzungen zur „nächtlichen Axt" diesmal verschont bleibt. Niemand wünscht den Krieg, niemand nimmt ihn leicht oder gefällt sich in wohlfeilen Heraus¬ forderungen der mißleiteten großen Nation, aber allgemein ist die Ueberzeugung, daß Preußen in dieser nawmalen Frage nicht nachgeben darf, und fest der Entschluß, zum Schutz der deutschen Integrität auf alle Gefahren zu Preußen zu stehen. Neben dem Organ unserer Ultramontanen, das offen die Neutralität Predigt, ist es nur der „Beobachter", der, wie gesagt, eine „negative Haltung" für die Demokratie in Anspruch nimmt und vornehm lächelnd, mit gebeugten Armen dem Kampf eines doppelten „Cäsarismus" zusieht; inzwischen fährt er fort, den Grafen Bismarck oder den „preußischen Chauvinismus" als alleinigen Anstifter des Kriegs zu denunciren, öffnet allerhand verdächtigen Correspon- denzen „vom Rhein" seine Spalten, findet es seltsam, daß man sich in einer Sache erhitze, die „neben den edelsten Stammgütern der Nation klein und nichtssagend" ist, und versteigt sich in einer Zuschrift vom Lande zu folgendem Ausruf: „Um Gottes Willen, schlaget doch eine Brücke über den Rhein und nicht wie die deutsche Partei über den Main; reichet dem Volk in Frankreich nach¬ barlich die Hand; wir wollen keinen Krieg wegen einer elenden Grenzberich¬ tigung, wir wollen keine Grenzen, alle freien und guten Menschen begrüßen wir als Brüder, reden sie französisch oder deutsch; wollen wir Krieg, führen wir ihn gegen den Cäsarismus" u. s. w. Das sind Proben, wie herrlich weit es unser Radicalismus gebracht hat. Gott Lob wird dieses Treiben überall nach Gebühr gewürdigt, und wenn schon jetzt nur noch eine kleine Schicht der Be¬ völkerung an solcher Kost Behagen findet, so ist mit Zuversicht zu hoffen, daß auch der kleine Anhang vollends in die Brüche gehen wird, wenn erst der furchtbare Kampf unvermeidlich geworden sein sollte. Es sind die Zuckungen einer vererdenden Partei. Würtemberg hat in der nationalen Sache viel gut zu machen; es ist der Wille vorhanden, es zu thun, vor allem in der Armee selbst.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_349917/217>, abgerufen am 22.07.2024.