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Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. II. Band.

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kurzen Schulzeit für sich in Anspruch nehmt, -so wird die Sache ernst genug,
um einiges Verweilen bei ihrer Prüfung zu rechtfertigen. Denn die Möglichkeit,
ja Nothwendigkeit jener Erschwerung leuchtet jedem ein. und eine Erleichterung
von Belang würde so werthvoll sein, daß die von dem "^Imaus" beizebrachte
Berechnung der zu verwirklichenden Ersparniß an Zeit für alle Schreibende",
an Papier und Druckkosten und der Verwohlfeilerung der Bücher kaum daneben
in Betracht kommt.

Die phonographische" Bestrebungen werden im Weitern gerechtfertigt durch
das Ergebniß einer an andern Sprachen vorgenommenen Untersuchung des
Verhältnisses zwischen Schrift und Laut. Das Italienische und das Spanische
werden da namentlich in den Vordergrund gestellt; -und in der That ist ihre
Orthographie eine verhältnißmäßig leicht erlernbare, so wenig auch ein ruhiger
Beobachter dem Satze des "^Imaiw" beipflichten wird, in Spanien schreibe
man, wie man spreche (man bedenke die Silben es,, es; F", gi; qui, gui; Su,
na), oder der Behauptung, in Italien oder vollends in Deutschland seien
Schrift und Aussprache in bester Uebereinstimmung; w.rs hätte denn im 16. Jahr¬
hundert Trissino (mit dem so oft falsch betonten Namen!) veranlaßt, die Ein¬
führung des griechischen i und w neben dem e und o in die italienische Schrift
zu versuchen, wenn nicht die Wahrnehmung der "och heut bestehenden Vertre¬
tung je zweier wesentlich verschiedener Laute ,durch ein schriftlichen? was
sollen die Accente und Häkchen, mit welchen der fleißige Tedeschi in seiner An¬
leitung zur italienischen Aussprache (Ziena 1862) seine e und o und s und 2
ausstattet, was sollen die Accente und Punkte, die Fansani in seinem Wörter-
buche der iranischen Aussprache (Florenz 1863) über dieselben Buchstaben
setzt, was sollen ihre für Italiener bestimmten Bücher überhaupt, wenn nicht
constatucn, daß der Schrift nicht zu trauen ist und daß sie ganz bedeutende
Lautunterschiede unberücksichtigt läßt, und nachholen was sie versäumt? Wer
vermag es den Namen Villari, Nicasoli anzusehn, daß sie den Accent auf-der
drittletzten Silbe haben, wer dem Namen Eanova, daß er anders betont ist als
eunova (Keller)? Wie arg dann vollends es um die Schreibung des Deutschen
steht, wie lange man sich schon bemüht, sie, die ja doch noch gar nicht so alt
ist, in ein besseres Verhältniß zur Aussprache zu bringen, das kann nur im
Auslande unbekannt geblieben sein, und davon schweigen wir am liebsten still.
So viel indessen kann man den Verfassern des "Diwans," immer zugestehn, daß
in der That die von ihnen angeführten Völker in Bezug auf Erlernung des
Lesens und Schreibens ihrer Sprache bedeutend günstiger gestellt sind als die
Franzosen, und daß Italiener und Spanier sehr unrecht daran thun, eine Kunst,
die ihnen so leicht gemacht ist, nicht sammt und sonders zu erlernen.

Am schlimmsten sind nun freilich die Engländer daran, deren Schreibweise
womöglich ein noch verworreneres Bild verschiedenartigster Einflüsse, starren


kurzen Schulzeit für sich in Anspruch nehmt, -so wird die Sache ernst genug,
um einiges Verweilen bei ihrer Prüfung zu rechtfertigen. Denn die Möglichkeit,
ja Nothwendigkeit jener Erschwerung leuchtet jedem ein. und eine Erleichterung
von Belang würde so werthvoll sein, daß die von dem „^Imaus" beizebrachte
Berechnung der zu verwirklichenden Ersparniß an Zeit für alle Schreibende»,
an Papier und Druckkosten und der Verwohlfeilerung der Bücher kaum daneben
in Betracht kommt.

Die phonographische» Bestrebungen werden im Weitern gerechtfertigt durch
das Ergebniß einer an andern Sprachen vorgenommenen Untersuchung des
Verhältnisses zwischen Schrift und Laut. Das Italienische und das Spanische
werden da namentlich in den Vordergrund gestellt; -und in der That ist ihre
Orthographie eine verhältnißmäßig leicht erlernbare, so wenig auch ein ruhiger
Beobachter dem Satze des „^Imaiw" beipflichten wird, in Spanien schreibe
man, wie man spreche (man bedenke die Silben es,, es; F», gi; qui, gui; Su,
na), oder der Behauptung, in Italien oder vollends in Deutschland seien
Schrift und Aussprache in bester Uebereinstimmung; w.rs hätte denn im 16. Jahr¬
hundert Trissino (mit dem so oft falsch betonten Namen!) veranlaßt, die Ein¬
führung des griechischen i und w neben dem e und o in die italienische Schrift
zu versuchen, wenn nicht die Wahrnehmung der »och heut bestehenden Vertre¬
tung je zweier wesentlich verschiedener Laute ,durch ein schriftlichen? was
sollen die Accente und Häkchen, mit welchen der fleißige Tedeschi in seiner An¬
leitung zur italienischen Aussprache (Ziena 1862) seine e und o und s und 2
ausstattet, was sollen die Accente und Punkte, die Fansani in seinem Wörter-
buche der iranischen Aussprache (Florenz 1863) über dieselben Buchstaben
setzt, was sollen ihre für Italiener bestimmten Bücher überhaupt, wenn nicht
constatucn, daß der Schrift nicht zu trauen ist und daß sie ganz bedeutende
Lautunterschiede unberücksichtigt läßt, und nachholen was sie versäumt? Wer
vermag es den Namen Villari, Nicasoli anzusehn, daß sie den Accent auf-der
drittletzten Silbe haben, wer dem Namen Eanova, daß er anders betont ist als
eunova (Keller)? Wie arg dann vollends es um die Schreibung des Deutschen
steht, wie lange man sich schon bemüht, sie, die ja doch noch gar nicht so alt
ist, in ein besseres Verhältniß zur Aussprache zu bringen, das kann nur im
Auslande unbekannt geblieben sein, und davon schweigen wir am liebsten still.
So viel indessen kann man den Verfassern des „Diwans," immer zugestehn, daß
in der That die von ihnen angeführten Völker in Bezug auf Erlernung des
Lesens und Schreibens ihrer Sprache bedeutend günstiger gestellt sind als die
Franzosen, und daß Italiener und Spanier sehr unrecht daran thun, eine Kunst,
die ihnen so leicht gemacht ist, nicht sammt und sonders zu erlernen.

Am schlimmsten sind nun freilich die Engländer daran, deren Schreibweise
womöglich ein noch verworreneres Bild verschiedenartigster Einflüsse, starren


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_349917/194>, abgerufen am 22.07.2024.