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Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. II. Band.

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mit schwarzweißen Fäden umwunden waren, um eilig dem Reichstag vorgelegt
zu werden, das wandelte sich bei näherer Betrachtung in eine Sammlung von
großen Resultaten, welche aus der Bewegung des vorigen Jahres hervor¬
gegangen sind und jetzt die Grundlage eines neuen Staatsbaues werden
sollen.

Bei jedem Artikel, über den der Reichstag abstimmte, wurde ebenso klarer,
daß diese Summe von Verträgen und Kompromissen schwerlich in der Gestalt,
wie sie jetzt zwischen Reichstag und Bundespräsidium vereinbart worden sind,
in lebendige Wirksamkeit treten wird. Jeder Schritt vorwärts wird neue Ver¬
handlungen zwischen den Regierungen nothwendig machen, die Möglichkeit, daß
der deutsche Süden -- für Zollangelegenheiten -- dazu treten könne, ist vom
Ministerium ausgesprochen und dadurch die stille Verpflichtung übernommen
worden, diese Möglichkeit herbeizuführen; die Südstaaten werden ihre Be¬
dingungen nicht nur empfangen, auch stellen, und selbst wenn nur ein Friedens¬
jahr vergönnt sein sollte, würde der nächste Reichstag wahrscheinlich keinen
Abschnitt und vielleicht nur wenige Artikel finden, welche unverändert beibehalten
werden können. Wenn man z. B. den Mittheilungen trauen darf, welche über
die Bestimmungen der Militärconvention mit Hessen-Darmstadt in die Oeffent-
lichkeit gedrungen sind, so ist kaum einer der betreffenden Paragraphen, welche
zu derselben Zeit mühsam zwischen Reichsrath und Bundescommissaren verein¬
bart wurden, in dieser Convention unverändert zur Geltung gekommen. Das
ist ein Fingerzeig für die Zukunft. Es mag klug, ja es mag nothwendig sein,
den Südstaaten gegenüber andere und weniger drückende Bestimmungen über
ihre militärischen Leistungen zu adoptiren. Man sieht daraus doch, daß die
Zeit einer einheitlichen verfassungsmäßigen Formulirung nicht günstig ist. Noch
ist der Verfassungsentwurf nicht ein giltiges Gesetz für Norddeutschland, er
wird es erst nach seiner Annahme durch die Landesvertretungen, resp, durch die
Schlußannahme der Regierungen und durch die Publication. Und das Bundes¬
präsidium hat allerdings in dem Entwurf die Willigkeit der durch besondere
Verträge geschaffenen Ausnahmevcrhältnisse vorgesehen. Es wird also wahr¬
scheinlich preußisches Bestreben sein, auch andere Südstaaten zu Verträgen heran¬
zuziehen, bevor die gesetzliche Feststellung der Verfassungscutilel erfolgt, weil in
dieser Frist am leichtesten Spielraum für abweichende Bestimmungen bleibt.
Aber, man wird zuletzt auch wenig Bedenken haben, nach Publication der Ver¬
fassung im Zwange der Verhältnisse abweichende Verträge zu vollziehen, und
einem künftigen Reichstage wird kaum nach einer Richtung erspart werden, von
neuem zu revidiren und zu amendiren.

Das alles verhindert nicht, daß die Vereinbarung doch ein Werk von
höchster Bedeutung für unsere Nation geworden ist, eine feierliche Formu¬
lirung der bis jetzt gewonnenen Resultate, der erste Anfang einer gesetzlichen


mit schwarzweißen Fäden umwunden waren, um eilig dem Reichstag vorgelegt
zu werden, das wandelte sich bei näherer Betrachtung in eine Sammlung von
großen Resultaten, welche aus der Bewegung des vorigen Jahres hervor¬
gegangen sind und jetzt die Grundlage eines neuen Staatsbaues werden
sollen.

Bei jedem Artikel, über den der Reichstag abstimmte, wurde ebenso klarer,
daß diese Summe von Verträgen und Kompromissen schwerlich in der Gestalt,
wie sie jetzt zwischen Reichstag und Bundespräsidium vereinbart worden sind,
in lebendige Wirksamkeit treten wird. Jeder Schritt vorwärts wird neue Ver¬
handlungen zwischen den Regierungen nothwendig machen, die Möglichkeit, daß
der deutsche Süden — für Zollangelegenheiten — dazu treten könne, ist vom
Ministerium ausgesprochen und dadurch die stille Verpflichtung übernommen
worden, diese Möglichkeit herbeizuführen; die Südstaaten werden ihre Be¬
dingungen nicht nur empfangen, auch stellen, und selbst wenn nur ein Friedens¬
jahr vergönnt sein sollte, würde der nächste Reichstag wahrscheinlich keinen
Abschnitt und vielleicht nur wenige Artikel finden, welche unverändert beibehalten
werden können. Wenn man z. B. den Mittheilungen trauen darf, welche über
die Bestimmungen der Militärconvention mit Hessen-Darmstadt in die Oeffent-
lichkeit gedrungen sind, so ist kaum einer der betreffenden Paragraphen, welche
zu derselben Zeit mühsam zwischen Reichsrath und Bundescommissaren verein¬
bart wurden, in dieser Convention unverändert zur Geltung gekommen. Das
ist ein Fingerzeig für die Zukunft. Es mag klug, ja es mag nothwendig sein,
den Südstaaten gegenüber andere und weniger drückende Bestimmungen über
ihre militärischen Leistungen zu adoptiren. Man sieht daraus doch, daß die
Zeit einer einheitlichen verfassungsmäßigen Formulirung nicht günstig ist. Noch
ist der Verfassungsentwurf nicht ein giltiges Gesetz für Norddeutschland, er
wird es erst nach seiner Annahme durch die Landesvertretungen, resp, durch die
Schlußannahme der Regierungen und durch die Publication. Und das Bundes¬
präsidium hat allerdings in dem Entwurf die Willigkeit der durch besondere
Verträge geschaffenen Ausnahmevcrhältnisse vorgesehen. Es wird also wahr¬
scheinlich preußisches Bestreben sein, auch andere Südstaaten zu Verträgen heran¬
zuziehen, bevor die gesetzliche Feststellung der Verfassungscutilel erfolgt, weil in
dieser Frist am leichtesten Spielraum für abweichende Bestimmungen bleibt.
Aber, man wird zuletzt auch wenig Bedenken haben, nach Publication der Ver¬
fassung im Zwange der Verhältnisse abweichende Verträge zu vollziehen, und
einem künftigen Reichstage wird kaum nach einer Richtung erspart werden, von
neuem zu revidiren und zu amendiren.

Das alles verhindert nicht, daß die Vereinbarung doch ein Werk von
höchster Bedeutung für unsere Nation geworden ist, eine feierliche Formu¬
lirung der bis jetzt gewonnenen Resultate, der erste Anfang einer gesetzlichen


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[0166] mit schwarzweißen Fäden umwunden waren, um eilig dem Reichstag vorgelegt zu werden, das wandelte sich bei näherer Betrachtung in eine Sammlung von großen Resultaten, welche aus der Bewegung des vorigen Jahres hervor¬ gegangen sind und jetzt die Grundlage eines neuen Staatsbaues werden sollen. Bei jedem Artikel, über den der Reichstag abstimmte, wurde ebenso klarer, daß diese Summe von Verträgen und Kompromissen schwerlich in der Gestalt, wie sie jetzt zwischen Reichstag und Bundespräsidium vereinbart worden sind, in lebendige Wirksamkeit treten wird. Jeder Schritt vorwärts wird neue Ver¬ handlungen zwischen den Regierungen nothwendig machen, die Möglichkeit, daß der deutsche Süden — für Zollangelegenheiten — dazu treten könne, ist vom Ministerium ausgesprochen und dadurch die stille Verpflichtung übernommen worden, diese Möglichkeit herbeizuführen; die Südstaaten werden ihre Be¬ dingungen nicht nur empfangen, auch stellen, und selbst wenn nur ein Friedens¬ jahr vergönnt sein sollte, würde der nächste Reichstag wahrscheinlich keinen Abschnitt und vielleicht nur wenige Artikel finden, welche unverändert beibehalten werden können. Wenn man z. B. den Mittheilungen trauen darf, welche über die Bestimmungen der Militärconvention mit Hessen-Darmstadt in die Oeffent- lichkeit gedrungen sind, so ist kaum einer der betreffenden Paragraphen, welche zu derselben Zeit mühsam zwischen Reichsrath und Bundescommissaren verein¬ bart wurden, in dieser Convention unverändert zur Geltung gekommen. Das ist ein Fingerzeig für die Zukunft. Es mag klug, ja es mag nothwendig sein, den Südstaaten gegenüber andere und weniger drückende Bestimmungen über ihre militärischen Leistungen zu adoptiren. Man sieht daraus doch, daß die Zeit einer einheitlichen verfassungsmäßigen Formulirung nicht günstig ist. Noch ist der Verfassungsentwurf nicht ein giltiges Gesetz für Norddeutschland, er wird es erst nach seiner Annahme durch die Landesvertretungen, resp, durch die Schlußannahme der Regierungen und durch die Publication. Und das Bundes¬ präsidium hat allerdings in dem Entwurf die Willigkeit der durch besondere Verträge geschaffenen Ausnahmevcrhältnisse vorgesehen. Es wird also wahr¬ scheinlich preußisches Bestreben sein, auch andere Südstaaten zu Verträgen heran¬ zuziehen, bevor die gesetzliche Feststellung der Verfassungscutilel erfolgt, weil in dieser Frist am leichtesten Spielraum für abweichende Bestimmungen bleibt. Aber, man wird zuletzt auch wenig Bedenken haben, nach Publication der Ver¬ fassung im Zwange der Verhältnisse abweichende Verträge zu vollziehen, und einem künftigen Reichstage wird kaum nach einer Richtung erspart werden, von neuem zu revidiren und zu amendiren. Das alles verhindert nicht, daß die Vereinbarung doch ein Werk von höchster Bedeutung für unsere Nation geworden ist, eine feierliche Formu¬ lirung der bis jetzt gewonnenen Resultate, der erste Anfang einer gesetzlichen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_349917/166>, abgerufen am 01.07.2024.