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Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. II. Band.

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inclusive angenommen. Der Versuch Grundrechts, bei dem einundzwanzigsten,
welcher die Beamtenwahlfähigkeü in die Verfassung wieder einführt, auch noch
den Eisatz der Stellvertretungskosten hineinzubringen, scheiterte an dem eindring¬
lichen Hinweis auf die Mühe, die es gemacht habe, grade diesen Paragraphen
bei den Regierungen zur Annahme zu bringen, ein Erfolg für den Reichstag,
der durch diesen ncubeantragten Zusatz wieder in Frage gestellt zu werden drohe.
Die gleiche Verwerfung fand aber auch ein von conservativer Seite her ge¬
machter Versuch, auf eine sechsjährige Legislaturperiode zurückzukommen. Erst
bei Paragraph 32, der die Diätenfrage betrifft, kam ein Ruhepunkt in das
immerwährende Auf und Nieder. Der Minister des Innern übernahm es hier,
die Gründe zu entwickeln, welche die Verbündeten Regierungen bestimmten, me
so außerordentlicher Hartnäckigkeit auf der Wiederherstellung des diese Taggeldcr
verwerfenden ursprünglichen Artikels der Vorlage zu bestehen. Man sähe aller¬
dings ein Correctiv des directen allgemeinen Wahlrechts darin, ein Mittel trotz
desselben Männer von der Volksvertretung auszuschließen, welche, ohne hervor¬
ragende Stellung und öffentliches Vertrauen im Wahlkreise, ohne die Bürgschaft
eines gesicherten Besitzes, durch persönliche und eitle Motive angestachelt sich
in die politische Carriöre würfen. Die schließliche Appellation an das Gefühl
der Versammlung, nicht den Fremden z.B. den Engländern das Schauspiel
zu geben,, daß dieser neue Versuch Deutschlands, seine staatliche Einheit zu be¬
gründen, scheitere, weil die Parlamentsmitglieder nicht auf 9 Schilling täglich
verzichten wollten, erwies sich nicht als fiuchilos, Oder richtiger: der Entschluß
war wohl bereits vor dieser Stunde gefaßt, den Vennigsen und Graf Schwerin
im Anschluß an diese Rede von der Tribüne kundgaben: dem Verlange" der
Regierung gemäß, wenn auch gegen die innerste Ueberzeugung von der man¬
gelnden Gute und Zweckmäßigkeit des Verlangten, zu stimmen, da die Nachtheile
des Scheiterns der Verfassung ihnen zu groß erschienen, um sie nicht selbst durch
ein solches Opfer abzuwenden. Nach diesen Erklärungen zweier Führer so be¬
deutender Parteien konnte das Schicksal des Paragraphen nicht mehr zweifel¬
haft sein. In namentlicher Abstimmung, die unter lebhafter Theilnahme des
Hauses stattfand, wurde das die ursprüngliche Regierungsvorlage wieder her¬
stellende Amendement Arniiy-Heinrichsdorf von einer ziemlich beträchtlichen
Majorität angenommen.

Noch einmal, in der Dienstagsitzung, schien ähnliche Gefahr das Vcrfassungs-
werk zu bedrohen. Herr v. Vincke, welcher die Rolle übernommen zu haben
scheint, gelegentlich der Negierung als tönendes Mundstück zu dienen, malte
wenigstens jene in ziemlich starken Farben bei der Discussion über Artikel 60,
den in der Vorberathung mit Forkenbccks Amendirung durchgegangenen, die
Friedenspräsenzstärke des Heeres bis zum Schluß des Jahres 1871 normircndcn


inclusive angenommen. Der Versuch Grundrechts, bei dem einundzwanzigsten,
welcher die Beamtenwahlfähigkeü in die Verfassung wieder einführt, auch noch
den Eisatz der Stellvertretungskosten hineinzubringen, scheiterte an dem eindring¬
lichen Hinweis auf die Mühe, die es gemacht habe, grade diesen Paragraphen
bei den Regierungen zur Annahme zu bringen, ein Erfolg für den Reichstag,
der durch diesen ncubeantragten Zusatz wieder in Frage gestellt zu werden drohe.
Die gleiche Verwerfung fand aber auch ein von conservativer Seite her ge¬
machter Versuch, auf eine sechsjährige Legislaturperiode zurückzukommen. Erst
bei Paragraph 32, der die Diätenfrage betrifft, kam ein Ruhepunkt in das
immerwährende Auf und Nieder. Der Minister des Innern übernahm es hier,
die Gründe zu entwickeln, welche die Verbündeten Regierungen bestimmten, me
so außerordentlicher Hartnäckigkeit auf der Wiederherstellung des diese Taggeldcr
verwerfenden ursprünglichen Artikels der Vorlage zu bestehen. Man sähe aller¬
dings ein Correctiv des directen allgemeinen Wahlrechts darin, ein Mittel trotz
desselben Männer von der Volksvertretung auszuschließen, welche, ohne hervor¬
ragende Stellung und öffentliches Vertrauen im Wahlkreise, ohne die Bürgschaft
eines gesicherten Besitzes, durch persönliche und eitle Motive angestachelt sich
in die politische Carriöre würfen. Die schließliche Appellation an das Gefühl
der Versammlung, nicht den Fremden z.B. den Engländern das Schauspiel
zu geben,, daß dieser neue Versuch Deutschlands, seine staatliche Einheit zu be¬
gründen, scheitere, weil die Parlamentsmitglieder nicht auf 9 Schilling täglich
verzichten wollten, erwies sich nicht als fiuchilos, Oder richtiger: der Entschluß
war wohl bereits vor dieser Stunde gefaßt, den Vennigsen und Graf Schwerin
im Anschluß an diese Rede von der Tribüne kundgaben: dem Verlange» der
Regierung gemäß, wenn auch gegen die innerste Ueberzeugung von der man¬
gelnden Gute und Zweckmäßigkeit des Verlangten, zu stimmen, da die Nachtheile
des Scheiterns der Verfassung ihnen zu groß erschienen, um sie nicht selbst durch
ein solches Opfer abzuwenden. Nach diesen Erklärungen zweier Führer so be¬
deutender Parteien konnte das Schicksal des Paragraphen nicht mehr zweifel¬
haft sein. In namentlicher Abstimmung, die unter lebhafter Theilnahme des
Hauses stattfand, wurde das die ursprüngliche Regierungsvorlage wieder her¬
stellende Amendement Arniiy-Heinrichsdorf von einer ziemlich beträchtlichen
Majorität angenommen.

Noch einmal, in der Dienstagsitzung, schien ähnliche Gefahr das Vcrfassungs-
werk zu bedrohen. Herr v. Vincke, welcher die Rolle übernommen zu haben
scheint, gelegentlich der Negierung als tönendes Mundstück zu dienen, malte
wenigstens jene in ziemlich starken Farben bei der Discussion über Artikel 60,
den in der Vorberathung mit Forkenbccks Amendirung durchgegangenen, die
Friedenspräsenzstärke des Heeres bis zum Schluß des Jahres 1871 normircndcn


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_349917/161>, abgerufen am 22.07.2024.