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Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. II. Band.

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oder Umdeutungen zu mildern; manches Seltsame der Art erklärt sich aus der
Geschichte der religösen Ideen bei den Juden überhaupt. Man übersetzte aber
nicht für gebildete Griechen. Denen wäre ein Verständnis, des Alten Testamentes
ja überhaupt höchstens durch eine auszugsweise und sehr sreie Behandlung mög¬
lich geworden. Was lag aber dem echten Jsraeliten an dem Beifall der "Völker?"
Man arbeitete für die jüdische Gemeinde und benutzte deshalb die Sprache der¬
selben, den macedonisch-attischen Dialekt, welcher in Alexandria herrschte, aber
mit der eigenen Färbung, wie sie eine jede Sprache im Munde einer dicht¬
gedrängten Judenschaft annimmt. Schon aus dieser Eigenthümlichkeit würde
sich manche orientalische Redeweise in der Uebersetzung erkläre"; das Meiste der
Art beruht jedoch auf der Wörtlichkeil derselben, bei weicher die hebräische Aus¬
drucksweise überall durchleuchten mußte, so seltsam dieselbe freilich einem an
rein attische Sprache Gewöhnten erscheinen mußte. Die ägyptische Heimaih
erklärt auch einzelne von den Uebersetzern gebrauchte ägyptische Wörter, über¬
haupt Kalter diese bei dem zum Theil in Aegypten spielenden Pentateuch öfter
Gelegenheit, ihre Kenntniß der dortigen Verhältnisse zu zeigen.

Die Wichtigkeit dieser ersten Übersetzung ist überaus hoch anzuschlagen.
Zum ersten Mal war ein Muster gegeben, an das sich die Nachfolger halten
konnten. Die hier geschaffene orientalisch-griechische Sprache ward sür diese
ganze Literatur maßgebend und mit dem Aussterben des hellenischen Geistes
ward sie auch auf die Entwickelung der allgemein griechischen Schrift- und
Umgangssprache einflußreich. Nicht minder übte sie durch die wörtlichen Über¬
tragungen seit dem Aufkommen des Christenthums aus das Lateinische eine
große Wirkung; j,> durch den Einfluß der lateinischen Kirchensprache und der
durch sie stark beeinflußten neueren Bibelübersetzungen sind wichtige Elemente
derselben auch in die neueren europäischen Sprachen gedrungen, namentlich ins
Deutsche und Englische.

An die Übersetzung'des Pentateuchs schließt sich eine ganze Reihe andrer
griechisch-alexandrinischer Übersetzungen an. Wenn sie auch alle eine gewisse
Aehnliche'eit mit jener haben, so wird sie doch von keiner erceicht. Einige von
ihnen sind ängstlich, fast sklavisch wörtlich, wie z. B. die Übersetzung des Pre¬
digers und des hohen Liedes. Auch das erste Makkabäerbuch, dessen hebräisches
Original uns leider nicht erhalten ist. muß sehr wörtlich übersetzt sein. Dagegen
ist z. B. das Buch Hiob sehr frei wiedergegeben. Man bat schon längst be¬
merkt, daß der Übersetzer dieses Bu.l s das ästhetische Interesse zeigt, Poesie
durch Poesie wiederzugeben, indem er in seinen Umschreibungen allerlei Flos¬
keln aus griechische" Dichtern anwendet, die sich freilich inmitten der sonst auch
von ihm angewandten jüdisch-griechischen Sprache etwas seltsam ausnehmen.
Ueberhaupt hat dieser Übersetzer, welcher nach sicheren Zeichen vor der Mitte
des zweiten Jahrhunderts v. Chr. geschrieben haben muß, sei" kühn erstrebtes


oder Umdeutungen zu mildern; manches Seltsame der Art erklärt sich aus der
Geschichte der religösen Ideen bei den Juden überhaupt. Man übersetzte aber
nicht für gebildete Griechen. Denen wäre ein Verständnis, des Alten Testamentes
ja überhaupt höchstens durch eine auszugsweise und sehr sreie Behandlung mög¬
lich geworden. Was lag aber dem echten Jsraeliten an dem Beifall der „Völker?"
Man arbeitete für die jüdische Gemeinde und benutzte deshalb die Sprache der¬
selben, den macedonisch-attischen Dialekt, welcher in Alexandria herrschte, aber
mit der eigenen Färbung, wie sie eine jede Sprache im Munde einer dicht¬
gedrängten Judenschaft annimmt. Schon aus dieser Eigenthümlichkeit würde
sich manche orientalische Redeweise in der Uebersetzung erkläre»; das Meiste der
Art beruht jedoch auf der Wörtlichkeil derselben, bei weicher die hebräische Aus¬
drucksweise überall durchleuchten mußte, so seltsam dieselbe freilich einem an
rein attische Sprache Gewöhnten erscheinen mußte. Die ägyptische Heimaih
erklärt auch einzelne von den Uebersetzern gebrauchte ägyptische Wörter, über¬
haupt Kalter diese bei dem zum Theil in Aegypten spielenden Pentateuch öfter
Gelegenheit, ihre Kenntniß der dortigen Verhältnisse zu zeigen.

Die Wichtigkeit dieser ersten Übersetzung ist überaus hoch anzuschlagen.
Zum ersten Mal war ein Muster gegeben, an das sich die Nachfolger halten
konnten. Die hier geschaffene orientalisch-griechische Sprache ward sür diese
ganze Literatur maßgebend und mit dem Aussterben des hellenischen Geistes
ward sie auch auf die Entwickelung der allgemein griechischen Schrift- und
Umgangssprache einflußreich. Nicht minder übte sie durch die wörtlichen Über¬
tragungen seit dem Aufkommen des Christenthums aus das Lateinische eine
große Wirkung; j,> durch den Einfluß der lateinischen Kirchensprache und der
durch sie stark beeinflußten neueren Bibelübersetzungen sind wichtige Elemente
derselben auch in die neueren europäischen Sprachen gedrungen, namentlich ins
Deutsche und Englische.

An die Übersetzung'des Pentateuchs schließt sich eine ganze Reihe andrer
griechisch-alexandrinischer Übersetzungen an. Wenn sie auch alle eine gewisse
Aehnliche'eit mit jener haben, so wird sie doch von keiner erceicht. Einige von
ihnen sind ängstlich, fast sklavisch wörtlich, wie z. B. die Übersetzung des Pre¬
digers und des hohen Liedes. Auch das erste Makkabäerbuch, dessen hebräisches
Original uns leider nicht erhalten ist. muß sehr wörtlich übersetzt sein. Dagegen
ist z. B. das Buch Hiob sehr frei wiedergegeben. Man bat schon längst be¬
merkt, daß der Übersetzer dieses Bu.l s das ästhetische Interesse zeigt, Poesie
durch Poesie wiederzugeben, indem er in seinen Umschreibungen allerlei Flos¬
keln aus griechische» Dichtern anwendet, die sich freilich inmitten der sonst auch
von ihm angewandten jüdisch-griechischen Sprache etwas seltsam ausnehmen.
Ueberhaupt hat dieser Übersetzer, welcher nach sicheren Zeichen vor der Mitte
des zweiten Jahrhunderts v. Chr. geschrieben haben muß, sei» kühn erstrebtes


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_349917/150>, abgerufen am 22.07.2024.