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Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. II. Band.

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welche dos Amendement Dunckers und Waldecks verlangte, vermochte aber
keineswegs den Kriegsminister und die preußische rechte Seile des Hauses zu
befriedigen. Herr Wagener, Herr v. Blanckenburg. Herr v. Vincke (Hagen) er¬
schöpften ihre ganze Beredsamkeit, um der Verjammlung die Zustände in mög¬
lichster Schwärze zu schildern, welche bei Annahme der fvrkenbeckschcn Zusätze
mit dem NeujMsmorgen 1872 über Norddeutschland hereinbrechen müßten:
nack dieser P>ophezeiung fielen wir dann sofort und unmittelbar "ins Vacuum",
ins Bodenlose, zu den "Müttern"; und Armee, Reich und Volk hörten auf zu
existiren. Der Kriegsminister erklärte wiederholt die Unannehmbarst -- doch
das alles änderte nichts an der Entscheidung. -- Wir wollen, trotz der leb¬
haften Zustimmung, mit welcher es grade die äußerste Linke aufnahm, nicht
fürchten, baß sich das Wort des Herrn v. Blanckenburg erfüllen werde: "Wenn
Sie bei der Schlußberathung gleichfalls dicje Amendements annehmen, so
setzen Sie uns in die Lage, gegen den ganze" Entwurf zu stimmen." Aber
werden sich die vcibündetcn Regierungen solchen "Verbesserungen" ihres Werth
fügen?

Daß diese stürmischen Tage überreich waren an interessanten Zwischenfällen
und wahrhaft dramatischen nebenher spielenden kleinen Scenen, ist bei einer
solchen Erregung der Geister selbstverständlich. Dahin ist vor allem die ziem¬
lich ernstliche Auseinandersetzung zwischen Laster und F>anz Duncker zu zählen,
der j>nen des Abfalls beschuldigte, weil er offen die Trefflichkeit und erlangte
Gesetzlichkeit der preußischen Milttärreorganisativn anerkannt halte; dahin ferner
jener Hagel von persönlichen Bemerkungen, welchen Herrn,v, Vinckes alle Welt
reizende und herausfordernde Manier am Sonnabend ans sei" weißes Haupt
herabbeschwor; dahin endlich gehört die Schlußscene letzten Sitzung, die höchst
energische und bläuende "Zwiesprach" zwischen F. Duncker und dem Grafen
Bismarck. welcher sich duich das von dem erstem für den voijährigen Krieg
gebrauchte Woll ("ein verwegenes Spiel") zu so leidenschaftlich energischer
Zoruesäußerung bestimmen ließ, wie wir sie in einer parlamentarischen Ver¬
sammlung selbst von diesem nicht eben scheuen Staatsmann kaum je zuvor ver¬
h. nommen haben.




Verantwortlicher Redacteur: Gustav Frehtag.
Verlag von F. L. Hcrbig. -- Druck von Hüthcl <K Legler in Lcipig.

welche dos Amendement Dunckers und Waldecks verlangte, vermochte aber
keineswegs den Kriegsminister und die preußische rechte Seile des Hauses zu
befriedigen. Herr Wagener, Herr v. Blanckenburg. Herr v. Vincke (Hagen) er¬
schöpften ihre ganze Beredsamkeit, um der Verjammlung die Zustände in mög¬
lichster Schwärze zu schildern, welche bei Annahme der fvrkenbeckschcn Zusätze
mit dem NeujMsmorgen 1872 über Norddeutschland hereinbrechen müßten:
nack dieser P>ophezeiung fielen wir dann sofort und unmittelbar „ins Vacuum",
ins Bodenlose, zu den „Müttern"; und Armee, Reich und Volk hörten auf zu
existiren. Der Kriegsminister erklärte wiederholt die Unannehmbarst — doch
das alles änderte nichts an der Entscheidung. — Wir wollen, trotz der leb¬
haften Zustimmung, mit welcher es grade die äußerste Linke aufnahm, nicht
fürchten, baß sich das Wort des Herrn v. Blanckenburg erfüllen werde: „Wenn
Sie bei der Schlußberathung gleichfalls dicje Amendements annehmen, so
setzen Sie uns in die Lage, gegen den ganze» Entwurf zu stimmen." Aber
werden sich die vcibündetcn Regierungen solchen „Verbesserungen" ihres Werth
fügen?

Daß diese stürmischen Tage überreich waren an interessanten Zwischenfällen
und wahrhaft dramatischen nebenher spielenden kleinen Scenen, ist bei einer
solchen Erregung der Geister selbstverständlich. Dahin ist vor allem die ziem¬
lich ernstliche Auseinandersetzung zwischen Laster und F>anz Duncker zu zählen,
der j>nen des Abfalls beschuldigte, weil er offen die Trefflichkeit und erlangte
Gesetzlichkeit der preußischen Milttärreorganisativn anerkannt halte; dahin ferner
jener Hagel von persönlichen Bemerkungen, welchen Herrn,v, Vinckes alle Welt
reizende und herausfordernde Manier am Sonnabend ans sei» weißes Haupt
herabbeschwor; dahin endlich gehört die Schlußscene letzten Sitzung, die höchst
energische und bläuende „Zwiesprach" zwischen F. Duncker und dem Grafen
Bismarck. welcher sich duich das von dem erstem für den voijährigen Krieg
gebrauchte Woll („ein verwegenes Spiel") zu so leidenschaftlich energischer
Zoruesäußerung bestimmen ließ, wie wir sie in einer parlamentarischen Ver¬
sammlung selbst von diesem nicht eben scheuen Staatsmann kaum je zuvor ver¬
h. nommen haben.




Verantwortlicher Redacteur: Gustav Frehtag.
Verlag von F. L. Hcrbig. — Druck von Hüthcl <K Legler in Lcipig.
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[0124] welche dos Amendement Dunckers und Waldecks verlangte, vermochte aber keineswegs den Kriegsminister und die preußische rechte Seile des Hauses zu befriedigen. Herr Wagener, Herr v. Blanckenburg. Herr v. Vincke (Hagen) er¬ schöpften ihre ganze Beredsamkeit, um der Verjammlung die Zustände in mög¬ lichster Schwärze zu schildern, welche bei Annahme der fvrkenbeckschcn Zusätze mit dem NeujMsmorgen 1872 über Norddeutschland hereinbrechen müßten: nack dieser P>ophezeiung fielen wir dann sofort und unmittelbar „ins Vacuum", ins Bodenlose, zu den „Müttern"; und Armee, Reich und Volk hörten auf zu existiren. Der Kriegsminister erklärte wiederholt die Unannehmbarst — doch das alles änderte nichts an der Entscheidung. — Wir wollen, trotz der leb¬ haften Zustimmung, mit welcher es grade die äußerste Linke aufnahm, nicht fürchten, baß sich das Wort des Herrn v. Blanckenburg erfüllen werde: „Wenn Sie bei der Schlußberathung gleichfalls dicje Amendements annehmen, so setzen Sie uns in die Lage, gegen den ganze» Entwurf zu stimmen." Aber werden sich die vcibündetcn Regierungen solchen „Verbesserungen" ihres Werth fügen? Daß diese stürmischen Tage überreich waren an interessanten Zwischenfällen und wahrhaft dramatischen nebenher spielenden kleinen Scenen, ist bei einer solchen Erregung der Geister selbstverständlich. Dahin ist vor allem die ziem¬ lich ernstliche Auseinandersetzung zwischen Laster und F>anz Duncker zu zählen, der j>nen des Abfalls beschuldigte, weil er offen die Trefflichkeit und erlangte Gesetzlichkeit der preußischen Milttärreorganisativn anerkannt halte; dahin ferner jener Hagel von persönlichen Bemerkungen, welchen Herrn,v, Vinckes alle Welt reizende und herausfordernde Manier am Sonnabend ans sei» weißes Haupt herabbeschwor; dahin endlich gehört die Schlußscene letzten Sitzung, die höchst energische und bläuende „Zwiesprach" zwischen F. Duncker und dem Grafen Bismarck. welcher sich duich das von dem erstem für den voijährigen Krieg gebrauchte Woll („ein verwegenes Spiel") zu so leidenschaftlich energischer Zoruesäußerung bestimmen ließ, wie wir sie in einer parlamentarischen Ver¬ sammlung selbst von diesem nicht eben scheuen Staatsmann kaum je zuvor ver¬ h. nommen haben. Verantwortlicher Redacteur: Gustav Frehtag. Verlag von F. L. Hcrbig. — Druck von Hüthcl <K Legler in Lcipig.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_349917/124>, abgerufen am 22.07.2024.