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Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. II. Band.

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Allerliebster Hummel!

Ich bitte Dich, dirigire auch diesesmal die Trommelfelle und Kanonaden
mit Deinem trefflichen Kapellmeister- und Feldzeughcrrn-Stab -- thue es.
ich bitte Dich, falls ich Dich einmal kanoniren soll, stehe ich Dir mit Leib
und Seel zu Diensten.


Dein Freund Beethoben,

Und als Hummel Wien verließ, schrieb ihm Beethoven am 4. April 1816
einen Canon auf die Worte ars lonZg, vita brevis (einen andern, als den für
Sir George Suard geschriebenen), in ein Album mit den Worten: "Glückliche
Reise lieber Hummel, gedenken Sie zuweilen Ihres Freundes Ludwig van Beet¬
hoven." Das sind doch nicht eben Beweise von Feindschaft, und was die
Nebenbuhlerschaft anbelangt, so gab Frau Hummel auf eine unumwundene
Frage die unumwundene Antwort, daß Beethoven sie mehr ausgezeichnet habe,
als sie als ein junges Mädchen habe beanspruchen können, daß er stets herzlich
und traulich zu ihr gewesen sei, daß aber nichts in seinem Benehmen sie je
auf die Vermuthung gebracht habe, er hege für sie eine ernstliche Neigung und
denke an eine Verbindung.

Reck't charakteristisch für Beethovens Verkehr mit Frauen ist auch ein bis-
her nicht gedruckter Brief an das Ehepaar Bigot, über deren Persönlichkeiten
und ihr Verhältniß zu Beethoven Reichardt in seinen Briefen aus Wien vom
Jahre 1808 und 1809 uns unterrichtet. Seine Mittheilungen sind im Wesent¬
lichen folgende.

"Auch ein Morgenkonzert haben wir wieder gehabt im kleinen Redouten-
saale. Eine Madame Bigot, deren Mann, ein braver gebildeter Berliner, Biblio¬
thekar bei dem Grafen von Rasumowsly ist, gab das Konzert, und spielte mit
großer Virtuosität das Fortepiano. Fürs große Publikum war die Wahl der
Stücke zwar nicht gut getroffen; denn sie hatte eins der schwersten Konzerte,
und die allerschwersten bizarsten Variationen von Beethoven über ein sonder¬
bares Thema Von acht Takten gewählt. Dem Kenner zeigte sie aber desto
sicherer eine recht fest gegründete Virtuosität. Ihr Vortrag war überall, auch
bei den größten Schwierigkeiten, vollkommen deutlich und rein, und besonders
zeigte sie eine seltene große Fertigkeit und Sicherheit in der linken Hand. Das
ganze Konzert bestand sonst aus lauter Musik von Beethoven, der ihr Heiliger
zu sein scheint." (16. Dec. 1808).

"An einem schönen Vormittage habe ich auch einen angenehmen Gang zu
dem entfernten großen fürstlichen Etablissement de^s Grafen Rasumorvsky ge¬
macht, und seinem großen Garten, der jetzt im Winter wie ein Wald dasteht,


Allerliebster Hummel!

Ich bitte Dich, dirigire auch diesesmal die Trommelfelle und Kanonaden
mit Deinem trefflichen Kapellmeister- und Feldzeughcrrn-Stab — thue es.
ich bitte Dich, falls ich Dich einmal kanoniren soll, stehe ich Dir mit Leib
und Seel zu Diensten.


Dein Freund Beethoben,

Und als Hummel Wien verließ, schrieb ihm Beethoven am 4. April 1816
einen Canon auf die Worte ars lonZg, vita brevis (einen andern, als den für
Sir George Suard geschriebenen), in ein Album mit den Worten: „Glückliche
Reise lieber Hummel, gedenken Sie zuweilen Ihres Freundes Ludwig van Beet¬
hoven." Das sind doch nicht eben Beweise von Feindschaft, und was die
Nebenbuhlerschaft anbelangt, so gab Frau Hummel auf eine unumwundene
Frage die unumwundene Antwort, daß Beethoven sie mehr ausgezeichnet habe,
als sie als ein junges Mädchen habe beanspruchen können, daß er stets herzlich
und traulich zu ihr gewesen sei, daß aber nichts in seinem Benehmen sie je
auf die Vermuthung gebracht habe, er hege für sie eine ernstliche Neigung und
denke an eine Verbindung.

Reck't charakteristisch für Beethovens Verkehr mit Frauen ist auch ein bis-
her nicht gedruckter Brief an das Ehepaar Bigot, über deren Persönlichkeiten
und ihr Verhältniß zu Beethoven Reichardt in seinen Briefen aus Wien vom
Jahre 1808 und 1809 uns unterrichtet. Seine Mittheilungen sind im Wesent¬
lichen folgende.

„Auch ein Morgenkonzert haben wir wieder gehabt im kleinen Redouten-
saale. Eine Madame Bigot, deren Mann, ein braver gebildeter Berliner, Biblio¬
thekar bei dem Grafen von Rasumowsly ist, gab das Konzert, und spielte mit
großer Virtuosität das Fortepiano. Fürs große Publikum war die Wahl der
Stücke zwar nicht gut getroffen; denn sie hatte eins der schwersten Konzerte,
und die allerschwersten bizarsten Variationen von Beethoven über ein sonder¬
bares Thema Von acht Takten gewählt. Dem Kenner zeigte sie aber desto
sicherer eine recht fest gegründete Virtuosität. Ihr Vortrag war überall, auch
bei den größten Schwierigkeiten, vollkommen deutlich und rein, und besonders
zeigte sie eine seltene große Fertigkeit und Sicherheit in der linken Hand. Das
ganze Konzert bestand sonst aus lauter Musik von Beethoven, der ihr Heiliger
zu sein scheint." (16. Dec. 1808).

„An einem schönen Vormittage habe ich auch einen angenehmen Gang zu
dem entfernten großen fürstlichen Etablissement de^s Grafen Rasumorvsky ge¬
macht, und seinem großen Garten, der jetzt im Winter wie ein Wald dasteht,


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[0106] Allerliebster Hummel! Ich bitte Dich, dirigire auch diesesmal die Trommelfelle und Kanonaden mit Deinem trefflichen Kapellmeister- und Feldzeughcrrn-Stab — thue es. ich bitte Dich, falls ich Dich einmal kanoniren soll, stehe ich Dir mit Leib und Seel zu Diensten. Dein Freund Beethoben, Und als Hummel Wien verließ, schrieb ihm Beethoven am 4. April 1816 einen Canon auf die Worte ars lonZg, vita brevis (einen andern, als den für Sir George Suard geschriebenen), in ein Album mit den Worten: „Glückliche Reise lieber Hummel, gedenken Sie zuweilen Ihres Freundes Ludwig van Beet¬ hoven." Das sind doch nicht eben Beweise von Feindschaft, und was die Nebenbuhlerschaft anbelangt, so gab Frau Hummel auf eine unumwundene Frage die unumwundene Antwort, daß Beethoven sie mehr ausgezeichnet habe, als sie als ein junges Mädchen habe beanspruchen können, daß er stets herzlich und traulich zu ihr gewesen sei, daß aber nichts in seinem Benehmen sie je auf die Vermuthung gebracht habe, er hege für sie eine ernstliche Neigung und denke an eine Verbindung. Reck't charakteristisch für Beethovens Verkehr mit Frauen ist auch ein bis- her nicht gedruckter Brief an das Ehepaar Bigot, über deren Persönlichkeiten und ihr Verhältniß zu Beethoven Reichardt in seinen Briefen aus Wien vom Jahre 1808 und 1809 uns unterrichtet. Seine Mittheilungen sind im Wesent¬ lichen folgende. „Auch ein Morgenkonzert haben wir wieder gehabt im kleinen Redouten- saale. Eine Madame Bigot, deren Mann, ein braver gebildeter Berliner, Biblio¬ thekar bei dem Grafen von Rasumowsly ist, gab das Konzert, und spielte mit großer Virtuosität das Fortepiano. Fürs große Publikum war die Wahl der Stücke zwar nicht gut getroffen; denn sie hatte eins der schwersten Konzerte, und die allerschwersten bizarsten Variationen von Beethoven über ein sonder¬ bares Thema Von acht Takten gewählt. Dem Kenner zeigte sie aber desto sicherer eine recht fest gegründete Virtuosität. Ihr Vortrag war überall, auch bei den größten Schwierigkeiten, vollkommen deutlich und rein, und besonders zeigte sie eine seltene große Fertigkeit und Sicherheit in der linken Hand. Das ganze Konzert bestand sonst aus lauter Musik von Beethoven, der ihr Heiliger zu sein scheint." (16. Dec. 1808). „An einem schönen Vormittage habe ich auch einen angenehmen Gang zu dem entfernten großen fürstlichen Etablissement de^s Grafen Rasumorvsky ge¬ macht, und seinem großen Garten, der jetzt im Winter wie ein Wald dasteht,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_349917/106>, abgerufen am 03.07.2024.