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Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. I. Band.

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Fäderlandet bereits einen glücklichen Anfang gemacht, aber dieses Blatt ist eine
Zeitung der Gebildeten, nicht der Volksmassen. Nicht zu dulden wird es wei¬
terhin sein, daß dänische Musiker wie Ricks W. Gabe -- in Leipzig, norwegische
Maler, wie Tidcmand, A. und O. Ueberhand und Gude -- in Düsseldorf ihren
dauernden Wohnsitz aufschlagen. Ihre Hauptaufgabe ist ja nicht die Hervor¬
bringung schöner Kunstwerke, sondern die Ausarbeitung einer specifisch nordi¬
schen Kunst. Mit den in Paris und Rom ansässigen nordischen Künstlern ist
es schon etwas Anderes; da werden doch weder sie selbst zu Deutschen, noch
ihre Werke gelegentlich der deutschen Kunst mit zu Gute gerechnet.

Merkwürdig nur, daß sogar die Skandinavisten unter einander von den
Zuständen ihrer verschiedenen Länder so mangelhaft unterrichtet sind! Herr
Hammerich wähnt in seiner dänischen Beschränktheit, es gebe nur bei ihm da¬
heim eine besondere nordische Kunst. Als ob nicht -- belehrt ihn Prof. Hamilton
-- der Schwede Fogclbcrg in die Sculptur. der Norwege Tidemcmd in die
Malerei die nationale nordische Richtung eingeführt hätten! Es wäre gut ge¬
wesen, wenn der Herr Professor, angesichts der Unwissenheit, die selbst in Dä¬
nemark über diesen Punkt herrscht, in Kürze hinzugesetzt hätte, wie Tidemand
die Leinwand und Fogelberg den Marmorblock auf eigenthümlich skandinavische
Weise bearbeiten lehrt.

Die nordischen Völker sind sich des Werthes ihrer Besonderheit durch die
Wiedererweckung des grauen Alterthums bewußt geworden. Sie pochen auf
das Alter ihres Stammbaums und die Reinheit ihres Blutes wie nur irgend
herabgekommene Söhne eines großen adligen Geschlechts, ohne zu bedenken, daß
dies mehr als zweifelhafte Vorzüge sind, wenn es sich um actuelle Leistungsfähigkeit
in Gegenwart und Zukunft handelt. Der aristokratische Sinn steckt so gründlich in
ihnen, daß sie die ganze Geschichte Europas ungefähr in derselben Weise ansehen,
wie die eingefleischter Ungarn, welche annehmen, nicht nur die Geschichte Oestreichs,
sondern die der abendländischen Christenheit habe zu allen Zeiten auf den Gro߬
thaten ihres Volkes beruht. Die Normannen, d. h. Norweger haben dem Mit¬
telalter alle kräftigen und edlen Züge verliehen, von den dänischen Tropfen
im Blute der Engländer schreibt sich alles Große der englischen Geschichte her
und Gustav Adolf ist der eigentliche und einzige Held des Rcformationszeit-
alters. Sogar Karl der Zwölfte wird unserer Bewunderung als großer Mann
verkauft, wenn auch vorsichtigerweise ohne nähere Anführung der Rechte, die
er auf diesen Titel erworben.

Diese sonderbare historische Eitelkeit überträgt sich sogar auf die Veurthei-
lung des Verhältnisses der dänischen zu der deutschen Literatur und Wissenschaft,
bezüglich welches man sonst die deutsche Präponderanz zu bekämpfen oder den
deutschen Einfluß zu leugnen leidenschaftlich bestrebt war. Wir wollen nur
einige von Herrn Hammerichs in dieses Capitel gehörenden Einbildungen


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Fäderlandet bereits einen glücklichen Anfang gemacht, aber dieses Blatt ist eine
Zeitung der Gebildeten, nicht der Volksmassen. Nicht zu dulden wird es wei¬
terhin sein, daß dänische Musiker wie Ricks W. Gabe — in Leipzig, norwegische
Maler, wie Tidcmand, A. und O. Ueberhand und Gude — in Düsseldorf ihren
dauernden Wohnsitz aufschlagen. Ihre Hauptaufgabe ist ja nicht die Hervor¬
bringung schöner Kunstwerke, sondern die Ausarbeitung einer specifisch nordi¬
schen Kunst. Mit den in Paris und Rom ansässigen nordischen Künstlern ist
es schon etwas Anderes; da werden doch weder sie selbst zu Deutschen, noch
ihre Werke gelegentlich der deutschen Kunst mit zu Gute gerechnet.

Merkwürdig nur, daß sogar die Skandinavisten unter einander von den
Zuständen ihrer verschiedenen Länder so mangelhaft unterrichtet sind! Herr
Hammerich wähnt in seiner dänischen Beschränktheit, es gebe nur bei ihm da¬
heim eine besondere nordische Kunst. Als ob nicht — belehrt ihn Prof. Hamilton
— der Schwede Fogclbcrg in die Sculptur. der Norwege Tidemcmd in die
Malerei die nationale nordische Richtung eingeführt hätten! Es wäre gut ge¬
wesen, wenn der Herr Professor, angesichts der Unwissenheit, die selbst in Dä¬
nemark über diesen Punkt herrscht, in Kürze hinzugesetzt hätte, wie Tidemand
die Leinwand und Fogelberg den Marmorblock auf eigenthümlich skandinavische
Weise bearbeiten lehrt.

Die nordischen Völker sind sich des Werthes ihrer Besonderheit durch die
Wiedererweckung des grauen Alterthums bewußt geworden. Sie pochen auf
das Alter ihres Stammbaums und die Reinheit ihres Blutes wie nur irgend
herabgekommene Söhne eines großen adligen Geschlechts, ohne zu bedenken, daß
dies mehr als zweifelhafte Vorzüge sind, wenn es sich um actuelle Leistungsfähigkeit
in Gegenwart und Zukunft handelt. Der aristokratische Sinn steckt so gründlich in
ihnen, daß sie die ganze Geschichte Europas ungefähr in derselben Weise ansehen,
wie die eingefleischter Ungarn, welche annehmen, nicht nur die Geschichte Oestreichs,
sondern die der abendländischen Christenheit habe zu allen Zeiten auf den Gro߬
thaten ihres Volkes beruht. Die Normannen, d. h. Norweger haben dem Mit¬
telalter alle kräftigen und edlen Züge verliehen, von den dänischen Tropfen
im Blute der Engländer schreibt sich alles Große der englischen Geschichte her
und Gustav Adolf ist der eigentliche und einzige Held des Rcformationszeit-
alters. Sogar Karl der Zwölfte wird unserer Bewunderung als großer Mann
verkauft, wenn auch vorsichtigerweise ohne nähere Anführung der Rechte, die
er auf diesen Titel erworben.

Diese sonderbare historische Eitelkeit überträgt sich sogar auf die Veurthei-
lung des Verhältnisses der dänischen zu der deutschen Literatur und Wissenschaft,
bezüglich welches man sonst die deutsche Präponderanz zu bekämpfen oder den
deutschen Einfluß zu leugnen leidenschaftlich bestrebt war. Wir wollen nur
einige von Herrn Hammerichs in dieses Capitel gehörenden Einbildungen


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[0069] Fäderlandet bereits einen glücklichen Anfang gemacht, aber dieses Blatt ist eine Zeitung der Gebildeten, nicht der Volksmassen. Nicht zu dulden wird es wei¬ terhin sein, daß dänische Musiker wie Ricks W. Gabe — in Leipzig, norwegische Maler, wie Tidcmand, A. und O. Ueberhand und Gude — in Düsseldorf ihren dauernden Wohnsitz aufschlagen. Ihre Hauptaufgabe ist ja nicht die Hervor¬ bringung schöner Kunstwerke, sondern die Ausarbeitung einer specifisch nordi¬ schen Kunst. Mit den in Paris und Rom ansässigen nordischen Künstlern ist es schon etwas Anderes; da werden doch weder sie selbst zu Deutschen, noch ihre Werke gelegentlich der deutschen Kunst mit zu Gute gerechnet. Merkwürdig nur, daß sogar die Skandinavisten unter einander von den Zuständen ihrer verschiedenen Länder so mangelhaft unterrichtet sind! Herr Hammerich wähnt in seiner dänischen Beschränktheit, es gebe nur bei ihm da¬ heim eine besondere nordische Kunst. Als ob nicht — belehrt ihn Prof. Hamilton — der Schwede Fogclbcrg in die Sculptur. der Norwege Tidemcmd in die Malerei die nationale nordische Richtung eingeführt hätten! Es wäre gut ge¬ wesen, wenn der Herr Professor, angesichts der Unwissenheit, die selbst in Dä¬ nemark über diesen Punkt herrscht, in Kürze hinzugesetzt hätte, wie Tidemand die Leinwand und Fogelberg den Marmorblock auf eigenthümlich skandinavische Weise bearbeiten lehrt. Die nordischen Völker sind sich des Werthes ihrer Besonderheit durch die Wiedererweckung des grauen Alterthums bewußt geworden. Sie pochen auf das Alter ihres Stammbaums und die Reinheit ihres Blutes wie nur irgend herabgekommene Söhne eines großen adligen Geschlechts, ohne zu bedenken, daß dies mehr als zweifelhafte Vorzüge sind, wenn es sich um actuelle Leistungsfähigkeit in Gegenwart und Zukunft handelt. Der aristokratische Sinn steckt so gründlich in ihnen, daß sie die ganze Geschichte Europas ungefähr in derselben Weise ansehen, wie die eingefleischter Ungarn, welche annehmen, nicht nur die Geschichte Oestreichs, sondern die der abendländischen Christenheit habe zu allen Zeiten auf den Gro߬ thaten ihres Volkes beruht. Die Normannen, d. h. Norweger haben dem Mit¬ telalter alle kräftigen und edlen Züge verliehen, von den dänischen Tropfen im Blute der Engländer schreibt sich alles Große der englischen Geschichte her und Gustav Adolf ist der eigentliche und einzige Held des Rcformationszeit- alters. Sogar Karl der Zwölfte wird unserer Bewunderung als großer Mann verkauft, wenn auch vorsichtigerweise ohne nähere Anführung der Rechte, die er auf diesen Titel erworben. Diese sonderbare historische Eitelkeit überträgt sich sogar auf die Veurthei- lung des Verhältnisses der dänischen zu der deutschen Literatur und Wissenschaft, bezüglich welches man sonst die deutsche Präponderanz zu bekämpfen oder den deutschen Einfluß zu leugnen leidenschaftlich bestrebt war. Wir wollen nur einige von Herrn Hammerichs in dieses Capitel gehörenden Einbildungen 8*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_191229/69>, abgerufen am 15.01.2025.