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Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. I. Band.

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lautem Beifall der Versammlung, daß man damit die Unterthanen anweise, "dort zu
zweifeln, wo ihnen ihre Treue und ihr Rechtsbewußtsein jeden Zweifel verbiete."

Graf Taaffe versuchte sich bei seiner Erwiderung in Künsten des Witzes.
Die ungarische Verfassung verglich er mit einem Huhn, das beim besten Re-
cepte über die Zuthaten seiner Bereitung, ehe es in die Suppe kömmt, erst
"gefedert" und gebraten werden müsse, und die Landtage galten ihm des¬
halb als die "legalen Vertreter", weil man in der weiteren Verfolgung ihres
Ursprungs nur auf Adam zurückkäme.

Noch ehe die Verhandlung diese prickelnde Wendung nahm, hatte der Lan-
deshauptmann den Schluß derselben verkündet und trotz des Sieges, den der
Graf erfochten zu haben glaubte, nahm der Landtag die Adresse an den Kaiser
nut der Bitte "um baldmöglichste Volte Wiederherstellung der verfassungsmäßigen
Zustände" <zu bloc und mit allseitiger Zustimmung an. Da eine Antwort
allerhöchsten Ortes nicht erfolgte, wurde dieses Gesuch im folgenden Jahre aus
Anlaß eines anerkennenden kaiserlichen Handschreibens über die im letzten Kriege
gebrachten Opfer, erneuert. Der Lanoesches verfocht auch jetzt noch die Lehre
seines Herrn und Meisters und erklärte in der Ausschußsitzung vom 22. Nov. 1866
auf die Frage Lassers, ob die Regierung noch immer an der Sisttrung festhalte,
daß sich die Lage nicht geändert habe und daß die Berufung des engeren Reichs¬
rathes nur eine Octroirung enthalten würde; erst später, unter Beust, kam ihm
eine bessere Erleuchtung. In der Lanbtagssitzung vom 6. December 1866, aus
welcher wiederum über die Sistirung verhandelt wurde, ergriff Biehl das Wort,
um zur Begründung der Adresse anzuführen, daß in Oestreich noch immer das
absolute^System sortwuchere und daß selbst eine verlorene Schlacht als kein großes
Unglück betrachtet werde, weil man meine, Siege würden den Druck nach innen
nur begünstigt haben. Schon verzweifele der sprichwörtliche Patriotismus der
Oestreicher an dem Fortbestehen des Staats, schon besorge man allgemein den
Staatsvanterott. Es bedürfe einer rettenden That ohne Verzug, um nicht das
"zu spät" beklagen zu müssen. Die Adresse wurde hierauf ohne Debatte ein¬
hellig angenommen, und da sie am Eingang in Erinnerung an die fünfzigjäh¬
rige Vereinigung des Landes mil der Monarchie dessen Huldigung darbrachte,
wurde sie auch der allerhöchsten Erledigung vom 12. Januar 1867 gewürdigt:
diese nahm die Huldigung mit Wohlgefallen auf, überging den Nest der Adresse
aber mit Stillschweigen.

Das Elend der wiener Finanzwirthschaft, ihrer Verschwendung im Großen,
ihrer Scheu vor wirklich productiven Ausgaben, ihre steten Verlegenheiten, die
ZU Auskunftsmitteln der schlimmsten Art führten, -- man hat es in Salzburg
sattsam kennen gelernt, und diese Bekanntschaft theuer genug bezahlt. Als das
Herzogthum durch den wiener Frieden vom 14. OctoKer 1809 an Bayern ge¬
fallen war, hob dieses die Landschaft auf und zog deren Vermögen ein. Letzteres


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lautem Beifall der Versammlung, daß man damit die Unterthanen anweise, „dort zu
zweifeln, wo ihnen ihre Treue und ihr Rechtsbewußtsein jeden Zweifel verbiete."

Graf Taaffe versuchte sich bei seiner Erwiderung in Künsten des Witzes.
Die ungarische Verfassung verglich er mit einem Huhn, das beim besten Re-
cepte über die Zuthaten seiner Bereitung, ehe es in die Suppe kömmt, erst
„gefedert" und gebraten werden müsse, und die Landtage galten ihm des¬
halb als die „legalen Vertreter", weil man in der weiteren Verfolgung ihres
Ursprungs nur auf Adam zurückkäme.

Noch ehe die Verhandlung diese prickelnde Wendung nahm, hatte der Lan-
deshauptmann den Schluß derselben verkündet und trotz des Sieges, den der
Graf erfochten zu haben glaubte, nahm der Landtag die Adresse an den Kaiser
nut der Bitte „um baldmöglichste Volte Wiederherstellung der verfassungsmäßigen
Zustände" <zu bloc und mit allseitiger Zustimmung an. Da eine Antwort
allerhöchsten Ortes nicht erfolgte, wurde dieses Gesuch im folgenden Jahre aus
Anlaß eines anerkennenden kaiserlichen Handschreibens über die im letzten Kriege
gebrachten Opfer, erneuert. Der Lanoesches verfocht auch jetzt noch die Lehre
seines Herrn und Meisters und erklärte in der Ausschußsitzung vom 22. Nov. 1866
auf die Frage Lassers, ob die Regierung noch immer an der Sisttrung festhalte,
daß sich die Lage nicht geändert habe und daß die Berufung des engeren Reichs¬
rathes nur eine Octroirung enthalten würde; erst später, unter Beust, kam ihm
eine bessere Erleuchtung. In der Lanbtagssitzung vom 6. December 1866, aus
welcher wiederum über die Sistirung verhandelt wurde, ergriff Biehl das Wort,
um zur Begründung der Adresse anzuführen, daß in Oestreich noch immer das
absolute^System sortwuchere und daß selbst eine verlorene Schlacht als kein großes
Unglück betrachtet werde, weil man meine, Siege würden den Druck nach innen
nur begünstigt haben. Schon verzweifele der sprichwörtliche Patriotismus der
Oestreicher an dem Fortbestehen des Staats, schon besorge man allgemein den
Staatsvanterott. Es bedürfe einer rettenden That ohne Verzug, um nicht das
„zu spät" beklagen zu müssen. Die Adresse wurde hierauf ohne Debatte ein¬
hellig angenommen, und da sie am Eingang in Erinnerung an die fünfzigjäh¬
rige Vereinigung des Landes mil der Monarchie dessen Huldigung darbrachte,
wurde sie auch der allerhöchsten Erledigung vom 12. Januar 1867 gewürdigt:
diese nahm die Huldigung mit Wohlgefallen auf, überging den Nest der Adresse
aber mit Stillschweigen.

Das Elend der wiener Finanzwirthschaft, ihrer Verschwendung im Großen,
ihrer Scheu vor wirklich productiven Ausgaben, ihre steten Verlegenheiten, die
ZU Auskunftsmitteln der schlimmsten Art führten, — man hat es in Salzburg
sattsam kennen gelernt, und diese Bekanntschaft theuer genug bezahlt. Als das
Herzogthum durch den wiener Frieden vom 14. OctoKer 1809 an Bayern ge¬
fallen war, hob dieses die Landschaft auf und zog deren Vermögen ein. Letzteres


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[0525] lautem Beifall der Versammlung, daß man damit die Unterthanen anweise, „dort zu zweifeln, wo ihnen ihre Treue und ihr Rechtsbewußtsein jeden Zweifel verbiete." Graf Taaffe versuchte sich bei seiner Erwiderung in Künsten des Witzes. Die ungarische Verfassung verglich er mit einem Huhn, das beim besten Re- cepte über die Zuthaten seiner Bereitung, ehe es in die Suppe kömmt, erst „gefedert" und gebraten werden müsse, und die Landtage galten ihm des¬ halb als die „legalen Vertreter", weil man in der weiteren Verfolgung ihres Ursprungs nur auf Adam zurückkäme. Noch ehe die Verhandlung diese prickelnde Wendung nahm, hatte der Lan- deshauptmann den Schluß derselben verkündet und trotz des Sieges, den der Graf erfochten zu haben glaubte, nahm der Landtag die Adresse an den Kaiser nut der Bitte „um baldmöglichste Volte Wiederherstellung der verfassungsmäßigen Zustände" <zu bloc und mit allseitiger Zustimmung an. Da eine Antwort allerhöchsten Ortes nicht erfolgte, wurde dieses Gesuch im folgenden Jahre aus Anlaß eines anerkennenden kaiserlichen Handschreibens über die im letzten Kriege gebrachten Opfer, erneuert. Der Lanoesches verfocht auch jetzt noch die Lehre seines Herrn und Meisters und erklärte in der Ausschußsitzung vom 22. Nov. 1866 auf die Frage Lassers, ob die Regierung noch immer an der Sisttrung festhalte, daß sich die Lage nicht geändert habe und daß die Berufung des engeren Reichs¬ rathes nur eine Octroirung enthalten würde; erst später, unter Beust, kam ihm eine bessere Erleuchtung. In der Lanbtagssitzung vom 6. December 1866, aus welcher wiederum über die Sistirung verhandelt wurde, ergriff Biehl das Wort, um zur Begründung der Adresse anzuführen, daß in Oestreich noch immer das absolute^System sortwuchere und daß selbst eine verlorene Schlacht als kein großes Unglück betrachtet werde, weil man meine, Siege würden den Druck nach innen nur begünstigt haben. Schon verzweifele der sprichwörtliche Patriotismus der Oestreicher an dem Fortbestehen des Staats, schon besorge man allgemein den Staatsvanterott. Es bedürfe einer rettenden That ohne Verzug, um nicht das „zu spät" beklagen zu müssen. Die Adresse wurde hierauf ohne Debatte ein¬ hellig angenommen, und da sie am Eingang in Erinnerung an die fünfzigjäh¬ rige Vereinigung des Landes mil der Monarchie dessen Huldigung darbrachte, wurde sie auch der allerhöchsten Erledigung vom 12. Januar 1867 gewürdigt: diese nahm die Huldigung mit Wohlgefallen auf, überging den Nest der Adresse aber mit Stillschweigen. Das Elend der wiener Finanzwirthschaft, ihrer Verschwendung im Großen, ihrer Scheu vor wirklich productiven Ausgaben, ihre steten Verlegenheiten, die ZU Auskunftsmitteln der schlimmsten Art führten, — man hat es in Salzburg sattsam kennen gelernt, und diese Bekanntschaft theuer genug bezahlt. Als das Herzogthum durch den wiener Frieden vom 14. OctoKer 1809 an Bayern ge¬ fallen war, hob dieses die Landschaft auf und zog deren Vermögen ein. Letzteres ßS*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_191229/525>, abgerufen am 15.01.2025.