Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. I. Band.Thema weiter aus. Nicht ohne Bitterkeit betonte Dr. Stierer, daß man das Gegen eine so pessimistische Auffassung nahm Graf Taaffe die Negierung Leider zahlte Ritter v. Lasser, der zunächst das Wort ergriff, dem Grafen Etwas schärfer ließen sich Widmann und Stieger vernehmen. Ersterer Thema weiter aus. Nicht ohne Bitterkeit betonte Dr. Stierer, daß man das Gegen eine so pessimistische Auffassung nahm Graf Taaffe die Negierung Leider zahlte Ritter v. Lasser, der zunächst das Wort ergriff, dem Grafen Etwas schärfer ließen sich Widmann und Stieger vernehmen. Ersterer <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0524" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/191754"/> <p xml:id="ID_1555" prev="#ID_1554"> Thema weiter aus. Nicht ohne Bitterkeit betonte Dr. Stierer, daß man das<lb/> unwiderrufliche Staatsgrundgesetz nicht wie den Landesfond inkameriren, nicht<lb/> wie die Forstrechte als verjährt erklären könne. Der ewige Wechsel in den<lb/> Rechtsanschauungen sei eine neue und die größte Landplage, denn er verpeste<lb/> das Rechtsbewußtsein, die Sittlichkeit, die Arbeitsliebe, er fresse an den Wurzeln<lb/> der Verfassung und nage endlich die Freiheit todt. Biehl meinte, es bedürfe<lb/> einfach des Gefühls der Pflicht, um in diesem Augenblicke auszusprechen, daß<lb/> das Septemberpatent höchst gefährlich sei. Widmann gab der Stimme des Ge><lb/> birgsvolkes Ausdruck, das in der Sistirung einen vernichtenden Schlag auf die<lb/> Reichsvertretung und Reichseinheit erblicke. Man brauche nur an die Grenzen<lb/> zu gehen, um sich davon zu überzeugen, daß dort niemand mehr nach Oestreich<lb/> hinein handeln wolle, weil niemand Vertrauen habe zu den Zuständen desselben.<lb/> Oestreich stehe eben in Gefahr sich aufzulösen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1556"> Gegen eine so pessimistische Auffassung nahm Graf Taaffe die Negierung<lb/> und ihre Handlungen in Schuh. Das Reichsstatut sei nur ein Theil des<lb/> Neichsgrundgesctzes und da es in offenbarem Widerspruch mit der wiederher¬<lb/> gestellten Verfassung Ungarns stehe, ergebe sich bis zur definitiven Regelung des<lb/> staatsrechtlichen Verhältnisses zu diesem, die Sistirung des Verfassungslebens<lb/> von selbst. Man habe gehofft durch die Macht einer rasch vollführten That<lb/> über etwaige Hindernisse hinwegzukommen, dies könne aber ebensowenig den<lb/> Anlaß zu Vorwürfen bieten, wie der Versuch, eine Neichsvertretung als voll¬<lb/> endete Thatsache hinzustellen, einen Titel bereits wirksamer Rechte gewähre.<lb/> Die Regierung verfolge nur das eine Ziel: „die Reichsverfassung in ihrem<lb/> vollsten Umfange rechtlich möglich und durchführbar zu machen." Auf diesen<lb/> neuen Trost für die Staatsgläubiger kam der Graf wiederholt sowohl im Club<lb/> als im Landtage zurück.</p><lb/> <p xml:id="ID_1557"> Leider zahlte Ritter v. Lasser, der zunächst das Wort ergriff, dem Grafen<lb/> nicht mit der Münze, welche dieser verdient hatte. Seine ehemalige politische<lb/> Stellung machte es ihm, wie er versicherte, schwer, sich näher auf die Inter¬<lb/> pretation des Februarpatentes einzulassen, auch hielt er es für angemessen, die<lb/> staatsrechtliche Seite der Frage nur kurz zu berühren. Sein Tadel beschränkte<lb/> sich auf den vom Ministerium eingeschlagenen Weg. Dieser führe zu einer blos<lb/> begutachtenden Mitwirkung der Landtage. Wenn die Sistirung einmal gerecht¬<lb/> fertigt werden müsse, sollte es nicht durch einen Auslegungsapparat einzelner<lb/> Paragraphen und Artikel, sondern von einem höheren Standpunkt aus geschehen;<lb/> er könne es nur beklagen, daß man die Zuerkennung der Rechte Ungarns mit<lb/> der Hemmung des Verfassungslebens in den andern Ländern inaugurire.</p><lb/> <p xml:id="ID_1558" next="#ID_1559"> Etwas schärfer ließen sich Widmann und Stieger vernehmen. Ersterer<lb/> meinte, der Widerspruch der Februarverfassung mit der ungarischen sei erst jetzt<lb/> entdeckt, der Gesetzgeber selbst hätte ihn früher nicht bemerkt. Letzterer erklärte unter</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0524]
Thema weiter aus. Nicht ohne Bitterkeit betonte Dr. Stierer, daß man das
unwiderrufliche Staatsgrundgesetz nicht wie den Landesfond inkameriren, nicht
wie die Forstrechte als verjährt erklären könne. Der ewige Wechsel in den
Rechtsanschauungen sei eine neue und die größte Landplage, denn er verpeste
das Rechtsbewußtsein, die Sittlichkeit, die Arbeitsliebe, er fresse an den Wurzeln
der Verfassung und nage endlich die Freiheit todt. Biehl meinte, es bedürfe
einfach des Gefühls der Pflicht, um in diesem Augenblicke auszusprechen, daß
das Septemberpatent höchst gefährlich sei. Widmann gab der Stimme des Ge>
birgsvolkes Ausdruck, das in der Sistirung einen vernichtenden Schlag auf die
Reichsvertretung und Reichseinheit erblicke. Man brauche nur an die Grenzen
zu gehen, um sich davon zu überzeugen, daß dort niemand mehr nach Oestreich
hinein handeln wolle, weil niemand Vertrauen habe zu den Zuständen desselben.
Oestreich stehe eben in Gefahr sich aufzulösen.
Gegen eine so pessimistische Auffassung nahm Graf Taaffe die Negierung
und ihre Handlungen in Schuh. Das Reichsstatut sei nur ein Theil des
Neichsgrundgesctzes und da es in offenbarem Widerspruch mit der wiederher¬
gestellten Verfassung Ungarns stehe, ergebe sich bis zur definitiven Regelung des
staatsrechtlichen Verhältnisses zu diesem, die Sistirung des Verfassungslebens
von selbst. Man habe gehofft durch die Macht einer rasch vollführten That
über etwaige Hindernisse hinwegzukommen, dies könne aber ebensowenig den
Anlaß zu Vorwürfen bieten, wie der Versuch, eine Neichsvertretung als voll¬
endete Thatsache hinzustellen, einen Titel bereits wirksamer Rechte gewähre.
Die Regierung verfolge nur das eine Ziel: „die Reichsverfassung in ihrem
vollsten Umfange rechtlich möglich und durchführbar zu machen." Auf diesen
neuen Trost für die Staatsgläubiger kam der Graf wiederholt sowohl im Club
als im Landtage zurück.
Leider zahlte Ritter v. Lasser, der zunächst das Wort ergriff, dem Grafen
nicht mit der Münze, welche dieser verdient hatte. Seine ehemalige politische
Stellung machte es ihm, wie er versicherte, schwer, sich näher auf die Inter¬
pretation des Februarpatentes einzulassen, auch hielt er es für angemessen, die
staatsrechtliche Seite der Frage nur kurz zu berühren. Sein Tadel beschränkte
sich auf den vom Ministerium eingeschlagenen Weg. Dieser führe zu einer blos
begutachtenden Mitwirkung der Landtage. Wenn die Sistirung einmal gerecht¬
fertigt werden müsse, sollte es nicht durch einen Auslegungsapparat einzelner
Paragraphen und Artikel, sondern von einem höheren Standpunkt aus geschehen;
er könne es nur beklagen, daß man die Zuerkennung der Rechte Ungarns mit
der Hemmung des Verfassungslebens in den andern Ländern inaugurire.
Etwas schärfer ließen sich Widmann und Stieger vernehmen. Ersterer
meinte, der Widerspruch der Februarverfassung mit der ungarischen sei erst jetzt
entdeckt, der Gesetzgeber selbst hätte ihn früher nicht bemerkt. Letzterer erklärte unter
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |