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Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. I. Band.

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aus dem Zusatz hervor, wonach preußische Kassenscheine auszuschließen seien.
Von einem ehrlichen Bestreben, die Verkehrsbeziehungen zu dem Nachbarlande
zu regeln und zu heben, war nicht die Rede und doch wäre es schon zu der
Zeit gerathen gewesen, dem in materieller Entwicklung mächtig voranschreiten¬
den Staate auch in der Handels- und Verkehrspolitik die Führerschaft zuzugestehen.

Wir kommen in die Zeit des Kampfes gegen die Gründung des Zoll¬
vereins, eine Zeit des Kampfes zwischen dem dynastischen Interesse und der ma¬
teriellen Wohlfahrt des Volkes. Es war dem Herzogthum Nassau vorbehalten,
bis zuletzt den Eintritt in dies erste rein deutsche Bündniß zu verschieben,
ihm war es vorbehalten, im Widerspruch mit der ganzen Bevölkerung sein
eigenes Grenzzvllsystem aufrecht zu erhalten und das Land auf das äußerste zu
schädigen, um der Unterordnung unter ein wirthschaftliches Ganze zu entgehen,
dessen Führerschaft, freilich eingeschränkt durch das liberum veto jedes Einzel¬
nen, Preußen zufiel. Dieselbe nassauische Negierung hat sich nicht gescheut,
als schon die meisten süddeutschen Staaten dem Zollverein beigetreten waren,
am 19. September 1833 einen Handelsvertrag mit Frankreich abzuschließen,
der es ihm unmöglich machen, d. h. einen Vorwand dafür abgeben sollte,
dem Zollvereine nicht beizutreten. Die Geschichte dieses wunderbaren Vertrags
und seiner Aufhebung ist des Lesens werth, eine Staats- und Cabinetsgeschichte
aus einem Kleinstaate, voller Unverstand und zugleich voll humoristischer Züge.
Sie findet sich im vierten Jahrgang der Vierteljahrsschrift für Volkswirthschcist
und Culturgeschichte, herausgegeben von Julius Faucher und Otto Michaelis,
Land 3, S. SO u. ff. unter der Aufschrift: "Nassau mit Frankreich wider
Preußen" von Dr. C. Braun.

Am 10. December 1835 kam der Anschluß an den Zollverein endlich zu
Stande und es enthielt der am 1. März 1836 publicirte Vertrag in Art. 11
eine Bestimmung über die Annahme der Münzen aller contrahirenden Staaten
an allen Hebestellen des Zollvereins nach einer zu vereinbarenden Valvations¬
tabelle. Diese Tabelle wurde dann unter dem 23. April 1836 verkündigt, sie
setzt das Verhältniß der Thaler zu den Gulden fest -- 4:7.

In weiterer Folge des Zollvereinsvertrags und seines Artikels 11 entstand
die Münzconvention vom 25. August 1837 zwischen den süddeutschen Staaten,
basirt aus den 14'/"-Guldensuß, der factisch schon fast überall eingeführt war.
Man wollte auf solche Weise die Verständigung mit den norddeutschen
Staaten des 14-Thalerfußes anbahnen. Dem Herzogthume Nassau und seiner
Regierung hätte es damals wohl angestanden, die Frage in Berathung zu
ziehen, ob nicht der Uebergang zur Thalerwährung nützlicher sei, da die Hälfte
des Landes, der ganze Theil nördlich der Lahn, fast nur preußisches Geld cir-
culiren ließ, die groben Silbermünzen dieser Währung sich aber überall ein¬
gebürgert hatten. Man blieb aber bei dem Gulden.


Vrenzbotcn III. 18K7. 69

aus dem Zusatz hervor, wonach preußische Kassenscheine auszuschließen seien.
Von einem ehrlichen Bestreben, die Verkehrsbeziehungen zu dem Nachbarlande
zu regeln und zu heben, war nicht die Rede und doch wäre es schon zu der
Zeit gerathen gewesen, dem in materieller Entwicklung mächtig voranschreiten¬
den Staate auch in der Handels- und Verkehrspolitik die Führerschaft zuzugestehen.

Wir kommen in die Zeit des Kampfes gegen die Gründung des Zoll¬
vereins, eine Zeit des Kampfes zwischen dem dynastischen Interesse und der ma¬
teriellen Wohlfahrt des Volkes. Es war dem Herzogthum Nassau vorbehalten,
bis zuletzt den Eintritt in dies erste rein deutsche Bündniß zu verschieben,
ihm war es vorbehalten, im Widerspruch mit der ganzen Bevölkerung sein
eigenes Grenzzvllsystem aufrecht zu erhalten und das Land auf das äußerste zu
schädigen, um der Unterordnung unter ein wirthschaftliches Ganze zu entgehen,
dessen Führerschaft, freilich eingeschränkt durch das liberum veto jedes Einzel¬
nen, Preußen zufiel. Dieselbe nassauische Negierung hat sich nicht gescheut,
als schon die meisten süddeutschen Staaten dem Zollverein beigetreten waren,
am 19. September 1833 einen Handelsvertrag mit Frankreich abzuschließen,
der es ihm unmöglich machen, d. h. einen Vorwand dafür abgeben sollte,
dem Zollvereine nicht beizutreten. Die Geschichte dieses wunderbaren Vertrags
und seiner Aufhebung ist des Lesens werth, eine Staats- und Cabinetsgeschichte
aus einem Kleinstaate, voller Unverstand und zugleich voll humoristischer Züge.
Sie findet sich im vierten Jahrgang der Vierteljahrsschrift für Volkswirthschcist
und Culturgeschichte, herausgegeben von Julius Faucher und Otto Michaelis,
Land 3, S. SO u. ff. unter der Aufschrift: „Nassau mit Frankreich wider
Preußen" von Dr. C. Braun.

Am 10. December 1835 kam der Anschluß an den Zollverein endlich zu
Stande und es enthielt der am 1. März 1836 publicirte Vertrag in Art. 11
eine Bestimmung über die Annahme der Münzen aller contrahirenden Staaten
an allen Hebestellen des Zollvereins nach einer zu vereinbarenden Valvations¬
tabelle. Diese Tabelle wurde dann unter dem 23. April 1836 verkündigt, sie
setzt das Verhältniß der Thaler zu den Gulden fest — 4:7.

In weiterer Folge des Zollvereinsvertrags und seines Artikels 11 entstand
die Münzconvention vom 25. August 1837 zwischen den süddeutschen Staaten,
basirt aus den 14'/»-Guldensuß, der factisch schon fast überall eingeführt war.
Man wollte auf solche Weise die Verständigung mit den norddeutschen
Staaten des 14-Thalerfußes anbahnen. Dem Herzogthume Nassau und seiner
Regierung hätte es damals wohl angestanden, die Frage in Berathung zu
ziehen, ob nicht der Uebergang zur Thalerwährung nützlicher sei, da die Hälfte
des Landes, der ganze Theil nördlich der Lahn, fast nur preußisches Geld cir-
culiren ließ, die groben Silbermünzen dieser Währung sich aber überall ein¬
gebürgert hatten. Man blieb aber bei dem Gulden.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_191229/475>, abgerufen am 15.01.2025.