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Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. I. Band.

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Mitwisser und Mithelfer aus dem Vereine straflos blieben. Dies wurde ihm als
"selbstverständlich" zugesagt. Da es sich nun um einen bestimmten Mord han¬
delt, wegen dessen die Commission niedergesetzt worden, so werden die anderen
Fälle strafgesetzlich ignorirt, um Zeugen zu erhalten, wie schuldig diese auch sonst
sein mögen.

Brodhead hat dann, wie man in England sagt: "reine Brust gemacht".
Noch ist das Verhör nicht zu Ende. Aber gestern allein gestand er seine in-
tellectuelle Autorschaft an mehren Morden mit Windbüchse, Todtschläger u. s. w.
oder an schweren Verwundungen ein, letztere namentlich durch Pulverminen
verursacht, die er in den Häusern ungehorsamer Arbeiter anlegen ließ, oder da¬
durch, daß Pulver in die Schleifkästen solcher Vervehmten versteckt wurde, welches
dann beim Gebrauch des Apparats durch die von dem Arbeitenden verursachten
Funken explodirte. Broadhead behauptete: er habe auch in den äußersten Fällen
nie Tödtung beabsichtigt, sondern nur Verwundung als Denk- und Mahnzettel.
Was jedes jod (Geschäftchen) gekostet, nahm er aus der Vereinskasse, denn
er habe nur in deren Interesse gehandelt und seine Handlungsweise für recht
gehalten. Der Mensch ist so vollständig von dieser einen Idee besessen, daß er
noch zur Stunde sich gar nicht seines Unrechts bewußt ist und öfters die Worte
fallen ließ: der Zweck side in all den Fällen die Mittel heiligen müssen. Er
ist auf freiem Fuß, geht und kommt täglich richtig, um sich verhören zu lassen,
ist aber nur mit Mühe vor der Volksjustiz zu schützen. Er weint mitunter über
die traurige Nothwendigkeit, dem Gesetze des Vereins absolute Geltung zu ver.
schaffen gegen fahrlässige Beitragzahler und abtrünnig Gewordene -- alles
w MÄMsm gloMm reipublicae. Wenn befragt, warum er auf den oder
jenen habe schießen lassen, wofür er je nach Wichtigkeit 6 bis 30 Pfund Ster¬
ling aus der Vereinskasse zahlte, so ist meist seine Antwort nach der Fa^on
Robespierre: "Er schadete unserem Vereine der Säger" -- oder: "Er konnte
eine Lohnerniedrigung verursachen" -- oder: "Er hielt mehr Lehrlinge, als der
Verein der 6000 Mitglieder in Sheffield und 600,000 in England zu halten
gestattet, und weil durch deren Arbeit so und so viel erwachsene Arbeiter über¬
flüssig gemacht werden" u. s. w. Der gestrige Bericht, umfassend das Verhör
über eine seit 1849 fortgesetzte Vehme dieser Art, dehnt sich über zwei Ko¬
lumnen aus und immer nur wiederholt sich die Frage: "Wieviel bezahlten Sie
dafür, daß dieses Haus mit Pulver gesprengt wurde oder auf N. geschossen
wurde?" Antwort: "So und so viel". -- "Wer hatte das "Job" auszuführen?"
-- "Der und der".

Daß dergleichen vorging, wußte jedes Vereinsmitglied. Es kannte seine
eigene Gefahr im Falle des Ungehorsams und betrachtete jeden, der nicht dem
Verein beitreten wollte, als einen Feind, der durch Terrorismus gezwungen
werden müsse. Nur die "Morde" sind neu und aus "Vereinsunkosten" von dem


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Mitwisser und Mithelfer aus dem Vereine straflos blieben. Dies wurde ihm als
„selbstverständlich" zugesagt. Da es sich nun um einen bestimmten Mord han¬
delt, wegen dessen die Commission niedergesetzt worden, so werden die anderen
Fälle strafgesetzlich ignorirt, um Zeugen zu erhalten, wie schuldig diese auch sonst
sein mögen.

Brodhead hat dann, wie man in England sagt: „reine Brust gemacht".
Noch ist das Verhör nicht zu Ende. Aber gestern allein gestand er seine in-
tellectuelle Autorschaft an mehren Morden mit Windbüchse, Todtschläger u. s. w.
oder an schweren Verwundungen ein, letztere namentlich durch Pulverminen
verursacht, die er in den Häusern ungehorsamer Arbeiter anlegen ließ, oder da¬
durch, daß Pulver in die Schleifkästen solcher Vervehmten versteckt wurde, welches
dann beim Gebrauch des Apparats durch die von dem Arbeitenden verursachten
Funken explodirte. Broadhead behauptete: er habe auch in den äußersten Fällen
nie Tödtung beabsichtigt, sondern nur Verwundung als Denk- und Mahnzettel.
Was jedes jod (Geschäftchen) gekostet, nahm er aus der Vereinskasse, denn
er habe nur in deren Interesse gehandelt und seine Handlungsweise für recht
gehalten. Der Mensch ist so vollständig von dieser einen Idee besessen, daß er
noch zur Stunde sich gar nicht seines Unrechts bewußt ist und öfters die Worte
fallen ließ: der Zweck side in all den Fällen die Mittel heiligen müssen. Er
ist auf freiem Fuß, geht und kommt täglich richtig, um sich verhören zu lassen,
ist aber nur mit Mühe vor der Volksjustiz zu schützen. Er weint mitunter über
die traurige Nothwendigkeit, dem Gesetze des Vereins absolute Geltung zu ver.
schaffen gegen fahrlässige Beitragzahler und abtrünnig Gewordene — alles
w MÄMsm gloMm reipublicae. Wenn befragt, warum er auf den oder
jenen habe schießen lassen, wofür er je nach Wichtigkeit 6 bis 30 Pfund Ster¬
ling aus der Vereinskasse zahlte, so ist meist seine Antwort nach der Fa^on
Robespierre: „Er schadete unserem Vereine der Säger" — oder: „Er konnte
eine Lohnerniedrigung verursachen" — oder: „Er hielt mehr Lehrlinge, als der
Verein der 6000 Mitglieder in Sheffield und 600,000 in England zu halten
gestattet, und weil durch deren Arbeit so und so viel erwachsene Arbeiter über¬
flüssig gemacht werden" u. s. w. Der gestrige Bericht, umfassend das Verhör
über eine seit 1849 fortgesetzte Vehme dieser Art, dehnt sich über zwei Ko¬
lumnen aus und immer nur wiederholt sich die Frage: „Wieviel bezahlten Sie
dafür, daß dieses Haus mit Pulver gesprengt wurde oder auf N. geschossen
wurde?" Antwort: „So und so viel". — „Wer hatte das „Job" auszuführen?"
— „Der und der".

Daß dergleichen vorging, wußte jedes Vereinsmitglied. Es kannte seine
eigene Gefahr im Falle des Ungehorsams und betrachtete jeden, der nicht dem
Verein beitreten wollte, als einen Feind, der durch Terrorismus gezwungen
werden müsse. Nur die „Morde" sind neu und aus „Vereinsunkosten" von dem


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[0461] Mitwisser und Mithelfer aus dem Vereine straflos blieben. Dies wurde ihm als „selbstverständlich" zugesagt. Da es sich nun um einen bestimmten Mord han¬ delt, wegen dessen die Commission niedergesetzt worden, so werden die anderen Fälle strafgesetzlich ignorirt, um Zeugen zu erhalten, wie schuldig diese auch sonst sein mögen. Brodhead hat dann, wie man in England sagt: „reine Brust gemacht". Noch ist das Verhör nicht zu Ende. Aber gestern allein gestand er seine in- tellectuelle Autorschaft an mehren Morden mit Windbüchse, Todtschläger u. s. w. oder an schweren Verwundungen ein, letztere namentlich durch Pulverminen verursacht, die er in den Häusern ungehorsamer Arbeiter anlegen ließ, oder da¬ durch, daß Pulver in die Schleifkästen solcher Vervehmten versteckt wurde, welches dann beim Gebrauch des Apparats durch die von dem Arbeitenden verursachten Funken explodirte. Broadhead behauptete: er habe auch in den äußersten Fällen nie Tödtung beabsichtigt, sondern nur Verwundung als Denk- und Mahnzettel. Was jedes jod (Geschäftchen) gekostet, nahm er aus der Vereinskasse, denn er habe nur in deren Interesse gehandelt und seine Handlungsweise für recht gehalten. Der Mensch ist so vollständig von dieser einen Idee besessen, daß er noch zur Stunde sich gar nicht seines Unrechts bewußt ist und öfters die Worte fallen ließ: der Zweck side in all den Fällen die Mittel heiligen müssen. Er ist auf freiem Fuß, geht und kommt täglich richtig, um sich verhören zu lassen, ist aber nur mit Mühe vor der Volksjustiz zu schützen. Er weint mitunter über die traurige Nothwendigkeit, dem Gesetze des Vereins absolute Geltung zu ver. schaffen gegen fahrlässige Beitragzahler und abtrünnig Gewordene — alles w MÄMsm gloMm reipublicae. Wenn befragt, warum er auf den oder jenen habe schießen lassen, wofür er je nach Wichtigkeit 6 bis 30 Pfund Ster¬ ling aus der Vereinskasse zahlte, so ist meist seine Antwort nach der Fa^on Robespierre: „Er schadete unserem Vereine der Säger" — oder: „Er konnte eine Lohnerniedrigung verursachen" — oder: „Er hielt mehr Lehrlinge, als der Verein der 6000 Mitglieder in Sheffield und 600,000 in England zu halten gestattet, und weil durch deren Arbeit so und so viel erwachsene Arbeiter über¬ flüssig gemacht werden" u. s. w. Der gestrige Bericht, umfassend das Verhör über eine seit 1849 fortgesetzte Vehme dieser Art, dehnt sich über zwei Ko¬ lumnen aus und immer nur wiederholt sich die Frage: „Wieviel bezahlten Sie dafür, daß dieses Haus mit Pulver gesprengt wurde oder auf N. geschossen wurde?" Antwort: „So und so viel". — „Wer hatte das „Job" auszuführen?" — „Der und der". Daß dergleichen vorging, wußte jedes Vereinsmitglied. Es kannte seine eigene Gefahr im Falle des Ungehorsams und betrachtete jeden, der nicht dem Verein beitreten wollte, als einen Feind, der durch Terrorismus gezwungen werden müsse. Nur die „Morde" sind neu und aus „Vereinsunkosten" von dem S7*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_191229/461>, abgerufen am 15.01.2025.