Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. I. Band.Die Arbeilerassoemtionen in Großbritannien. Die sociale Frage steht auf der Tagesordnung der Geschichte der Gegen¬ Diese Veränderungen im wirtschaftlichen Leben haben allenthalben zur Die englischen Arbeiter sahen zuerst ein, daß grade der kleine Mann, der Die Arbeilerassoemtionen in Großbritannien. Die sociale Frage steht auf der Tagesordnung der Geschichte der Gegen¬ Diese Veränderungen im wirtschaftlichen Leben haben allenthalben zur Die englischen Arbeiter sahen zuerst ein, daß grade der kleine Mann, der <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0458" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/191688"/> </div> </div> <div n="1"> <head> Die Arbeilerassoemtionen in Großbritannien.</head><lb/> <p xml:id="ID_1340"> Die sociale Frage steht auf der Tagesordnung der Geschichte der Gegen¬<lb/> wart oben an. Seitdem die lange für Träumereien gehaltenen Anschauungen<lb/> und Pläne der Socialisten und Communisten vor Jahrzehnten in Frankreich<lb/> zuerst in die Wirklichkeit getreten sind und zu förmlichen Experimenten inner¬<lb/> halb der bürgerlichen Gesellschuft geführt haben, ist man der einmal angeregten<lb/> Bewegung mit größerer Aufmerksamkeit gefolgt, man ist ihren tieferen Gründen<lb/> und ihrer inneren Berechtigung nachgegangen, man hat die Körnchen Wahr¬<lb/> heit von der Spreu der Lüge, Unklarheit und Selbstsucht gesondert und aner¬<lb/> kannt, daß die socialistischen Schriftsteller sich ein Verdienst erworben haben,<lb/> indem sie die Lage der untern Schichten der bürgerlichen Gesellschaft schärfer,<lb/> als es früher geschehen, an das Licht der Oeffentlichkeit gezogen haben. Die<lb/> Bemühungen der socialistischen Schule Frankreichs haben aus dem neueren<lb/> Entwickelungsgange der Industrie ihre hauptsächlichste Nahrung gesogen; denn<lb/> fast gleichzeitig mit Aufhebung der alten Zunft, mit dem Fortschritte der neue¬<lb/> ren Industrie, mit der Einführung des Maschinenwesens und den großartigen<lb/> Entdeckungen aus dem Gebiete der Physik. Chemie und Mechanik trat eine<lb/> Uebergangsperiode von dem alten zu einem neuen Betriebe ein. die in ein¬<lb/> zelnen Ländern und Gegenden noch jetzt fortdauert und aus welcher die Noth<lb/> der arbeitenden Classen herstammt.</p><lb/> <p xml:id="ID_1341"> Diese Veränderungen im wirtschaftlichen Leben haben allenthalben zur<lb/> Association, als dem einzigen Rettungsmittel für die unbemittelten Arbeiter und<lb/> Handwerkerclassen geführt. In England war man bereits im vorigen Jahr¬<lb/> hundert zu der Ueberzeugung gelangt, daß die aus dem Mittelalter übrig¬<lb/> gebliebenen Zünfte zum Uebel geworden seien und einer neuen Form weichen<lb/> müßten, wenn nicht die alte Handwerker- und Arbeiterwelt der neuen Dampf¬<lb/> maschinen- und Fabrikwelt gegenüber verkümmern sollte.</p><lb/> <p xml:id="ID_1342"> Die englischen Arbeiter sahen zuerst ein, daß grade der kleine Mann, der<lb/> mittellose Handwerker, der Geselle, der Fabrikarbeiter, der Tagelöhner die<lb/> nöthigsten Lebensbedürfnisse unverhältnißmäßig theuerer bezahlen müsse als<lb/> jeder andere, und gründeten deshalb die Consumvereine. In diesen Vereinen<lb/> erwarben sie sich die wichtigsten Bedingungen zu weiterer Selbsthilfe, nämlich<lb/> Schulung in der Selbstverwaltung und Capital. Bald berechnete man auch,<lb/> daß der Arbeiter zu viel für seine Wohnung bezahlen müsse und suchte diesem<lb/> Umstand durch Baugenossenschaften abzuhelfen u. s. w.</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0458]
Die Arbeilerassoemtionen in Großbritannien.
Die sociale Frage steht auf der Tagesordnung der Geschichte der Gegen¬
wart oben an. Seitdem die lange für Träumereien gehaltenen Anschauungen
und Pläne der Socialisten und Communisten vor Jahrzehnten in Frankreich
zuerst in die Wirklichkeit getreten sind und zu förmlichen Experimenten inner¬
halb der bürgerlichen Gesellschuft geführt haben, ist man der einmal angeregten
Bewegung mit größerer Aufmerksamkeit gefolgt, man ist ihren tieferen Gründen
und ihrer inneren Berechtigung nachgegangen, man hat die Körnchen Wahr¬
heit von der Spreu der Lüge, Unklarheit und Selbstsucht gesondert und aner¬
kannt, daß die socialistischen Schriftsteller sich ein Verdienst erworben haben,
indem sie die Lage der untern Schichten der bürgerlichen Gesellschaft schärfer,
als es früher geschehen, an das Licht der Oeffentlichkeit gezogen haben. Die
Bemühungen der socialistischen Schule Frankreichs haben aus dem neueren
Entwickelungsgange der Industrie ihre hauptsächlichste Nahrung gesogen; denn
fast gleichzeitig mit Aufhebung der alten Zunft, mit dem Fortschritte der neue¬
ren Industrie, mit der Einführung des Maschinenwesens und den großartigen
Entdeckungen aus dem Gebiete der Physik. Chemie und Mechanik trat eine
Uebergangsperiode von dem alten zu einem neuen Betriebe ein. die in ein¬
zelnen Ländern und Gegenden noch jetzt fortdauert und aus welcher die Noth
der arbeitenden Classen herstammt.
Diese Veränderungen im wirtschaftlichen Leben haben allenthalben zur
Association, als dem einzigen Rettungsmittel für die unbemittelten Arbeiter und
Handwerkerclassen geführt. In England war man bereits im vorigen Jahr¬
hundert zu der Ueberzeugung gelangt, daß die aus dem Mittelalter übrig¬
gebliebenen Zünfte zum Uebel geworden seien und einer neuen Form weichen
müßten, wenn nicht die alte Handwerker- und Arbeiterwelt der neuen Dampf¬
maschinen- und Fabrikwelt gegenüber verkümmern sollte.
Die englischen Arbeiter sahen zuerst ein, daß grade der kleine Mann, der
mittellose Handwerker, der Geselle, der Fabrikarbeiter, der Tagelöhner die
nöthigsten Lebensbedürfnisse unverhältnißmäßig theuerer bezahlen müsse als
jeder andere, und gründeten deshalb die Consumvereine. In diesen Vereinen
erwarben sie sich die wichtigsten Bedingungen zu weiterer Selbsthilfe, nämlich
Schulung in der Selbstverwaltung und Capital. Bald berechnete man auch,
daß der Arbeiter zu viel für seine Wohnung bezahlen müsse und suchte diesem
Umstand durch Baugenossenschaften abzuhelfen u. s. w.
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |