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Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. I. Band.

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Zu der Dürftigkeit und Unbedeutendheit der Deputation stand der officielle
Pomp ihres Empfanges im schneidendsten Contrast. In Pari" ist die Tages¬
presse doch nur einer der im Vordergrunde stehenden, tonangebenden Factoren der
öffentlichen Meinung, in Kopenhagen aber ist sie nicht viel weniger als allmächtig.
Um die souveräne Rolle, welche sie dort spielt, zu bezeichnen, genügt es anzu¬
führen, daß ihre Leiter bis ganz vor kurzem anerkanntermaßen die Stadtver¬
ordneten vorschlugen, und daß sie selbst erst auf dieses vielleicht mehr lästige
als erfreuliche Vorrecht haben aus freien Stücken verzichten müssen. Wenn
diese Presse also einen politischen Besuch empfing, dessen Tendenz in der Rich¬
tung der herrschenden nationalen Gefühle lag, so konnte derselbe kaum anders
als sich zu einem Besuch bei dem dänischen Volke erweitern. So wurden denn
jene französischen niemands und Soundsos aufgenommen, als gehe Frankreich
in eigener Person bei Dänemark zu Gaste. Der führende Staatsmann der
Nativnalliberalen und ehemalige Minister Orla Lehmann, der den ersten Stock
des Schlosses Fredensbvrg bewohnt, nahm ihrer drei bei sich auf. Dem Fest¬
mahl in Klampenborg präsidirte der frühere Ministerpräsident Hall, dem Fest¬
mahl in Marienlyst der frühere Ministerpräsident Madvig. Und nicht allein
die Koryphäen der nationalliberalen Partei wetteiferten in den Begrüßungs- und
Aufnahmekosten; Geheimrath Braestrup, nach dem Krieg von 1864 Bevoll¬
mächtigter in Berlin, und der vormalige Finanzminister David, eine wissen¬
schaftliche Zierde seines Vaterlandes, waren im Namen der conservativen Partei
zur Stelle. Ja der König ließ sich herab, den sämmtlichen Gästen Audienz,
und den beiden Volksvertretern unter ihnen das rothe Bcindchcn zu gewähren,
nach welchem sich jedes französische Knopfloch sehnt. In dieser Beziehung, bei¬
läufig bemerkt, sind Franzosen und Dänen einander wirklich verwandt wie
Brüder: die demokratischen Principien von 1789 im Herzen, verlangen sie auf
dem Rocke zu mehrer Bekräftigung ein Ordensband zu haben und lassen es
dann sicher nie zu Hause.

Den Verlauf der fünf bis sechs Tage hierzu schildern oder auch nur zu resumiren,
kann uns natürlich nicht einfallen. Man tödtete die braven Reisenden fast mit Eisen¬
bahn- und Dampfschifffahrten, Besichtigungen. Anreden, Blumenregen, Illumi¬
nationen, Bällen und Banketen. Die dänischen Sprecher überboten sich in
kühnen und freien Versuchen, die Fremdlinge für Dänemarks Sache gegen
Preußen zu engagiren; die Fremdlinge antworteten, so gut sie es vermochten.
Man muß nur den Bericht über den ersten großen Festschmaus lesen, in der
Badeanstalt Klampenborg am 13. August, um den Gegensatz zwischen den gedanken¬
vollen, formschönen dänischen Reden und den glatten Phrasen der Pariser leb¬
haft zu empfinden. Namentlich Orla Lehmann übertraf sich an jenem Abend
selbst. Er sprach wie seine Landeleute natürlich nothgedrungen immer fran-
Msch, da es zuviel verlangt gewesen wäre, daß diese französischen Schwärmer


Zu der Dürftigkeit und Unbedeutendheit der Deputation stand der officielle
Pomp ihres Empfanges im schneidendsten Contrast. In Pari« ist die Tages¬
presse doch nur einer der im Vordergrunde stehenden, tonangebenden Factoren der
öffentlichen Meinung, in Kopenhagen aber ist sie nicht viel weniger als allmächtig.
Um die souveräne Rolle, welche sie dort spielt, zu bezeichnen, genügt es anzu¬
führen, daß ihre Leiter bis ganz vor kurzem anerkanntermaßen die Stadtver¬
ordneten vorschlugen, und daß sie selbst erst auf dieses vielleicht mehr lästige
als erfreuliche Vorrecht haben aus freien Stücken verzichten müssen. Wenn
diese Presse also einen politischen Besuch empfing, dessen Tendenz in der Rich¬
tung der herrschenden nationalen Gefühle lag, so konnte derselbe kaum anders
als sich zu einem Besuch bei dem dänischen Volke erweitern. So wurden denn
jene französischen niemands und Soundsos aufgenommen, als gehe Frankreich
in eigener Person bei Dänemark zu Gaste. Der führende Staatsmann der
Nativnalliberalen und ehemalige Minister Orla Lehmann, der den ersten Stock
des Schlosses Fredensbvrg bewohnt, nahm ihrer drei bei sich auf. Dem Fest¬
mahl in Klampenborg präsidirte der frühere Ministerpräsident Hall, dem Fest¬
mahl in Marienlyst der frühere Ministerpräsident Madvig. Und nicht allein
die Koryphäen der nationalliberalen Partei wetteiferten in den Begrüßungs- und
Aufnahmekosten; Geheimrath Braestrup, nach dem Krieg von 1864 Bevoll¬
mächtigter in Berlin, und der vormalige Finanzminister David, eine wissen¬
schaftliche Zierde seines Vaterlandes, waren im Namen der conservativen Partei
zur Stelle. Ja der König ließ sich herab, den sämmtlichen Gästen Audienz,
und den beiden Volksvertretern unter ihnen das rothe Bcindchcn zu gewähren,
nach welchem sich jedes französische Knopfloch sehnt. In dieser Beziehung, bei¬
läufig bemerkt, sind Franzosen und Dänen einander wirklich verwandt wie
Brüder: die demokratischen Principien von 1789 im Herzen, verlangen sie auf
dem Rocke zu mehrer Bekräftigung ein Ordensband zu haben und lassen es
dann sicher nie zu Hause.

Den Verlauf der fünf bis sechs Tage hierzu schildern oder auch nur zu resumiren,
kann uns natürlich nicht einfallen. Man tödtete die braven Reisenden fast mit Eisen¬
bahn- und Dampfschifffahrten, Besichtigungen. Anreden, Blumenregen, Illumi¬
nationen, Bällen und Banketen. Die dänischen Sprecher überboten sich in
kühnen und freien Versuchen, die Fremdlinge für Dänemarks Sache gegen
Preußen zu engagiren; die Fremdlinge antworteten, so gut sie es vermochten.
Man muß nur den Bericht über den ersten großen Festschmaus lesen, in der
Badeanstalt Klampenborg am 13. August, um den Gegensatz zwischen den gedanken¬
vollen, formschönen dänischen Reden und den glatten Phrasen der Pariser leb¬
haft zu empfinden. Namentlich Orla Lehmann übertraf sich an jenem Abend
selbst. Er sprach wie seine Landeleute natürlich nothgedrungen immer fran-
Msch, da es zuviel verlangt gewesen wäre, daß diese französischen Schwärmer


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[0431] Zu der Dürftigkeit und Unbedeutendheit der Deputation stand der officielle Pomp ihres Empfanges im schneidendsten Contrast. In Pari« ist die Tages¬ presse doch nur einer der im Vordergrunde stehenden, tonangebenden Factoren der öffentlichen Meinung, in Kopenhagen aber ist sie nicht viel weniger als allmächtig. Um die souveräne Rolle, welche sie dort spielt, zu bezeichnen, genügt es anzu¬ führen, daß ihre Leiter bis ganz vor kurzem anerkanntermaßen die Stadtver¬ ordneten vorschlugen, und daß sie selbst erst auf dieses vielleicht mehr lästige als erfreuliche Vorrecht haben aus freien Stücken verzichten müssen. Wenn diese Presse also einen politischen Besuch empfing, dessen Tendenz in der Rich¬ tung der herrschenden nationalen Gefühle lag, so konnte derselbe kaum anders als sich zu einem Besuch bei dem dänischen Volke erweitern. So wurden denn jene französischen niemands und Soundsos aufgenommen, als gehe Frankreich in eigener Person bei Dänemark zu Gaste. Der führende Staatsmann der Nativnalliberalen und ehemalige Minister Orla Lehmann, der den ersten Stock des Schlosses Fredensbvrg bewohnt, nahm ihrer drei bei sich auf. Dem Fest¬ mahl in Klampenborg präsidirte der frühere Ministerpräsident Hall, dem Fest¬ mahl in Marienlyst der frühere Ministerpräsident Madvig. Und nicht allein die Koryphäen der nationalliberalen Partei wetteiferten in den Begrüßungs- und Aufnahmekosten; Geheimrath Braestrup, nach dem Krieg von 1864 Bevoll¬ mächtigter in Berlin, und der vormalige Finanzminister David, eine wissen¬ schaftliche Zierde seines Vaterlandes, waren im Namen der conservativen Partei zur Stelle. Ja der König ließ sich herab, den sämmtlichen Gästen Audienz, und den beiden Volksvertretern unter ihnen das rothe Bcindchcn zu gewähren, nach welchem sich jedes französische Knopfloch sehnt. In dieser Beziehung, bei¬ läufig bemerkt, sind Franzosen und Dänen einander wirklich verwandt wie Brüder: die demokratischen Principien von 1789 im Herzen, verlangen sie auf dem Rocke zu mehrer Bekräftigung ein Ordensband zu haben und lassen es dann sicher nie zu Hause. Den Verlauf der fünf bis sechs Tage hierzu schildern oder auch nur zu resumiren, kann uns natürlich nicht einfallen. Man tödtete die braven Reisenden fast mit Eisen¬ bahn- und Dampfschifffahrten, Besichtigungen. Anreden, Blumenregen, Illumi¬ nationen, Bällen und Banketen. Die dänischen Sprecher überboten sich in kühnen und freien Versuchen, die Fremdlinge für Dänemarks Sache gegen Preußen zu engagiren; die Fremdlinge antworteten, so gut sie es vermochten. Man muß nur den Bericht über den ersten großen Festschmaus lesen, in der Badeanstalt Klampenborg am 13. August, um den Gegensatz zwischen den gedanken¬ vollen, formschönen dänischen Reden und den glatten Phrasen der Pariser leb¬ haft zu empfinden. Namentlich Orla Lehmann übertraf sich an jenem Abend selbst. Er sprach wie seine Landeleute natürlich nothgedrungen immer fran- Msch, da es zuviel verlangt gewesen wäre, daß diese französischen Schwärmer

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_191229/431>, abgerufen am 15.01.2025.