Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. I. Band.Kreisen entstanden, und man hatte es dabei ursprünglich nur auf eine Art Ver¬ Welches moralischen und intellectuellen Kalibers die ganze Gesellschaft ge¬ Kreisen entstanden, und man hatte es dabei ursprünglich nur auf eine Art Ver¬ Welches moralischen und intellectuellen Kalibers die ganze Gesellschaft ge¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0430" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/191660"/> <p xml:id="ID_1241" prev="#ID_1240"> Kreisen entstanden, und man hatte es dabei ursprünglich nur auf eine Art Ver¬<lb/> brüderung zwischen französischen und dänischen Journalisten abgesehen, ähnlich<lb/> der auf deutschen Hochschulen üblichen Heimsuchungen einer „Couleur" durch eine<lb/> befreundete von auswärts her. Der schon erwähnte Herr Bille war im Juni<lb/> oder Juli in Paris gewesen; er hatte seine Zeit nicht etwa mit müßiger Be¬<lb/> wunderung der Ausstellungsschätze vergeudet, sondern sämmtliche halbwegs zu¬<lb/> gängliche Redactionsbureaus abgelaufen, um sie für die Sache Dänemarks gegen<lb/> Preußen zu stimmen. Was lag näher, als seine Artigkeit durch einen Massen¬<lb/> besuch in Kopenhagen zu erwiedern? Aus der bloßen Journalistenfahrt aber<lb/> wurde auf eine höchst geheimnißvolle Art — so versichert Herr Bille, der es<lb/> doch wissen muß — ein förmlicher und feierlicher Besuch von Repräsentanten<lb/> des französischen Volkes bei dem dänischen Volke. Dies alles durch die Zuthat<lb/> der beiden Deputirten, die, nachdem sie sich einmal im stillen EinVerständniß<lb/> mit ihrer Negierung für die Nordschleswiger erwärmt hatten, nicht füglich um¬<lb/> hin konnten, die Reise an den Sund mitzumachen. Das Dutzend Jour¬<lb/> nalisten freilich, das außerdem von der Partie war, konnte unmöglich für eine<lb/> angemessene Vertretung der pariser, geschweige der französischen Presse gelten.<lb/> Bekannte Namen wie Henri Martin, Havin, L6on Plee, Alexandre Bonneau<lb/> figuriren nur unter den „entschuldigten", nicht unter den eingetroffenen Gästen;<lb/> von den letzteren nehmen den Hauptplatz zwei Mitarbeiter des mit welsischen<lb/> Gelde gegründeten jungen Blattes „La Situation" ein, deren Hauptrcdacteur<lb/> nach Dagbladts unverdächtigen Zeugniß, ohne selbst angereiht zu sein, das<lb/> wesentlichste Verdienst um das Zustandekommen des Zuges sich erworben hat.</p><lb/> <p xml:id="ID_1242"> Welches moralischen und intellectuellen Kalibers die ganze Gesellschaft ge¬<lb/> wesen sein muß, das verrathen uns natürlich nicht ihre klugen dänischen Wirthe,<lb/> wohl aber die eigenen heimgesandten Berichte der Demonstrationsreisenden. In<lb/> Herbesthal wird ihnen unwohl bei der schnöden Nothwendigkeit, deutsch sprechen<lb/> zu hören: der preußische Zollbeamte fragt sie, ob sie etwas zu declariren hätten,<lb/> und der Witzbold der Gesellschaft antwortet: „ig. guerre", glücklicherweise so<lb/> leise, daß der Preuße ihn aprös Wut nicht versteht. Derselbe Ausbund von<lb/> Geist gelobt in Köln ausdrücklich, den Dom besuchen zu wollen, sobald er<lb/> französisch geworden. Solche Kindereien behält man die lange Fahrt von Köln<lb/> nach Kopenhagen im Sinne, um sie dann schwarz aus weiß nach Paris zu<lb/> schicken, wo sie gedruckt werden, wahrscheinlich nur, weil würdigere Berichte<lb/> fehlen. Ader auch die späteren Schilderungen der Festlichkeiten, welche man in<lb/> Kopenhagen und Umgegend genossen hat, zeugen von einem so mitleidswürdigen<lb/> Mangel an Talent und Uebung, daß man im Interesse der pariser Presse grade-<lb/> zu hoffen muß, sie habe lediglich ihren dritten und vierten Nang zu den Dänen<lb/> geschickt. Was dann freilich nicht für den Werth spricht, den man in Paris<lb/> auf das hingebende Entgegenkommen dieser kleinen Nation legt!</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0430]
Kreisen entstanden, und man hatte es dabei ursprünglich nur auf eine Art Ver¬
brüderung zwischen französischen und dänischen Journalisten abgesehen, ähnlich
der auf deutschen Hochschulen üblichen Heimsuchungen einer „Couleur" durch eine
befreundete von auswärts her. Der schon erwähnte Herr Bille war im Juni
oder Juli in Paris gewesen; er hatte seine Zeit nicht etwa mit müßiger Be¬
wunderung der Ausstellungsschätze vergeudet, sondern sämmtliche halbwegs zu¬
gängliche Redactionsbureaus abgelaufen, um sie für die Sache Dänemarks gegen
Preußen zu stimmen. Was lag näher, als seine Artigkeit durch einen Massen¬
besuch in Kopenhagen zu erwiedern? Aus der bloßen Journalistenfahrt aber
wurde auf eine höchst geheimnißvolle Art — so versichert Herr Bille, der es
doch wissen muß — ein förmlicher und feierlicher Besuch von Repräsentanten
des französischen Volkes bei dem dänischen Volke. Dies alles durch die Zuthat
der beiden Deputirten, die, nachdem sie sich einmal im stillen EinVerständniß
mit ihrer Negierung für die Nordschleswiger erwärmt hatten, nicht füglich um¬
hin konnten, die Reise an den Sund mitzumachen. Das Dutzend Jour¬
nalisten freilich, das außerdem von der Partie war, konnte unmöglich für eine
angemessene Vertretung der pariser, geschweige der französischen Presse gelten.
Bekannte Namen wie Henri Martin, Havin, L6on Plee, Alexandre Bonneau
figuriren nur unter den „entschuldigten", nicht unter den eingetroffenen Gästen;
von den letzteren nehmen den Hauptplatz zwei Mitarbeiter des mit welsischen
Gelde gegründeten jungen Blattes „La Situation" ein, deren Hauptrcdacteur
nach Dagbladts unverdächtigen Zeugniß, ohne selbst angereiht zu sein, das
wesentlichste Verdienst um das Zustandekommen des Zuges sich erworben hat.
Welches moralischen und intellectuellen Kalibers die ganze Gesellschaft ge¬
wesen sein muß, das verrathen uns natürlich nicht ihre klugen dänischen Wirthe,
wohl aber die eigenen heimgesandten Berichte der Demonstrationsreisenden. In
Herbesthal wird ihnen unwohl bei der schnöden Nothwendigkeit, deutsch sprechen
zu hören: der preußische Zollbeamte fragt sie, ob sie etwas zu declariren hätten,
und der Witzbold der Gesellschaft antwortet: „ig. guerre", glücklicherweise so
leise, daß der Preuße ihn aprös Wut nicht versteht. Derselbe Ausbund von
Geist gelobt in Köln ausdrücklich, den Dom besuchen zu wollen, sobald er
französisch geworden. Solche Kindereien behält man die lange Fahrt von Köln
nach Kopenhagen im Sinne, um sie dann schwarz aus weiß nach Paris zu
schicken, wo sie gedruckt werden, wahrscheinlich nur, weil würdigere Berichte
fehlen. Ader auch die späteren Schilderungen der Festlichkeiten, welche man in
Kopenhagen und Umgegend genossen hat, zeugen von einem so mitleidswürdigen
Mangel an Talent und Uebung, daß man im Interesse der pariser Presse grade-
zu hoffen muß, sie habe lediglich ihren dritten und vierten Nang zu den Dänen
geschickt. Was dann freilich nicht für den Werth spricht, den man in Paris
auf das hingebende Entgegenkommen dieser kleinen Nation legt!
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