Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. I. Band.Schulen anzulegen, und diese unter den Schutz Alexander Herzens zu stellen. Im November 1861 reiste der bereits erwähnte Pafnuty im Auftrage der Schulen anzulegen, und diese unter den Schutz Alexander Herzens zu stellen. Im November 1861 reiste der bereits erwähnte Pafnuty im Auftrage der <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0356" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/191586"/> <p xml:id="ID_1038" prev="#ID_1037"> Schulen anzulegen, und diese unter den Schutz Alexander Herzens zu stellen.<lb/> Von London aus sollte der „wahre Glaube" die Herrschaft, die ihm von<lb/> Rechts wegen gebührte, übernehmen und mit Hilfe des einflußreichen Beherrschers<lb/> der russischen öffentlichen Meinung eine radicale Umgestaltung der bestehenden<lb/> Verhältnisse herbeiführen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1039" next="#ID_1040"> Im November 1861 reiste der bereits erwähnte Pafnuty im Auftrage der<lb/> moskauer Aeltestenversammlung nach London ab, wo er wirklich mit der russi¬<lb/> schen Emigration in Verbindung trat. Den Mittelsmann zwischen dem in<lb/> excentrischen religiösen Vorstellungen befangenen Mönch, der das Altrussenthum<lb/> in seiner schroffsten Gestalt repräsentirte und dem atheistischen Vertreter des im<lb/> Grunde kosmopolitisch-revolutionären Jungrussenthums machte ein als Histo¬<lb/> riker der altgläubigen Secten und ihrer Leidensgeschichte bekannter Schriftsteller,<lb/> Kelsfiew. Herzen, der schon lange darauf gerechnet hatte, die durch die große<lb/> Anzahl ihrer Anhänger wichtige Secte in den Dienst der Revolution zu ziehen,<lb/> nahm den merkwürdigen Fremdling höchst zuvorkommend bei sich auf und beobach¬<lb/> tete alle denkbaren Rücksichten auf die religiösen Vorurtheile dieses wunderlichen<lb/> Heiligen, in dessen Gegenwart z. B. nicht geraucht werden durfte (die Alt¬<lb/> gläubigen halten das Tabakrauchen für Sünde). Auch Bakunin, der dreizehn<lb/> Jahre früher neben Olympius, dem uns bekannten Freunde Pafnutys, auf den<lb/> Barrikaden von Prag gefochten hatte, nahm an den Conferenzen theil. So<lb/> gering auch die weltliche Bildung des ausschließlich in den Vorstellungen und<lb/> Interessen seiner Secte lebenden Mönchs war. dieser merkte bald, daß der Geist,<lb/> dem die londoner Emigranten huldigten, von dem, der seine Neligionsgesellschaft<lb/> beherrschte, zu verschieden war, um ein auch nur zeitweiliges Zusammengehen<lb/> möglich zu machen. Insbesondere der freche Cynismus Bakunins, der aus<lb/> seiner Verachtung aller Religion nur mühsam ein Hehl machte und in Pafnutys<lb/> Gegenwart liturgische Gesänge wie Opernchansons trillerte, verletzte den asketi¬<lb/> schen Mönch aufs empfindlichste; aber auch zu Herzen, dessen Schriften er zu<lb/> studiren begonnen hatte, konnte dieser kein Vertrauen fassen. Er ließ zwar<lb/> einige der mitgebrachten Manuscripte in der „freien" Druckerei seines neuen<lb/> Bekannten drucken, reiste aber bald wieder ab. ohne ein bestimmtes Ueberein¬<lb/> kommen getroffen zu haben. Wiederum in Moskau angelangt, erklärte er den<lb/> „Brüdern", daß eine Gemeinschaft der Gerechten mit den frivolen, materialistisch<lb/> gesinnten londoner Weltkindern nicht möglich sei und daß die gleiche Abneigung<lb/> beider gegen die Intoleranz der Regierung noch keine genügende Basis für die<lb/> Cooperation biete. Alle Versuche, die Herzen später anstellte, um mit Pafnuty<lb/> und dessen Freunden wieder anzuknüpfen, blieben resultatlos; vergebens wurde<lb/> zu London ein eigenes Organ zur Unterstützung der altgläubigen Interessen<lb/> gegründet, vergebens setzte sich Kelssiew. der beimlick nach Moskau kam, den<lb/> größten Gefahren aus. um ein Bündniß gegen den gemeinsamen Gegner zu</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0356]
Schulen anzulegen, und diese unter den Schutz Alexander Herzens zu stellen.
Von London aus sollte der „wahre Glaube" die Herrschaft, die ihm von
Rechts wegen gebührte, übernehmen und mit Hilfe des einflußreichen Beherrschers
der russischen öffentlichen Meinung eine radicale Umgestaltung der bestehenden
Verhältnisse herbeiführen.
Im November 1861 reiste der bereits erwähnte Pafnuty im Auftrage der
moskauer Aeltestenversammlung nach London ab, wo er wirklich mit der russi¬
schen Emigration in Verbindung trat. Den Mittelsmann zwischen dem in
excentrischen religiösen Vorstellungen befangenen Mönch, der das Altrussenthum
in seiner schroffsten Gestalt repräsentirte und dem atheistischen Vertreter des im
Grunde kosmopolitisch-revolutionären Jungrussenthums machte ein als Histo¬
riker der altgläubigen Secten und ihrer Leidensgeschichte bekannter Schriftsteller,
Kelsfiew. Herzen, der schon lange darauf gerechnet hatte, die durch die große
Anzahl ihrer Anhänger wichtige Secte in den Dienst der Revolution zu ziehen,
nahm den merkwürdigen Fremdling höchst zuvorkommend bei sich auf und beobach¬
tete alle denkbaren Rücksichten auf die religiösen Vorurtheile dieses wunderlichen
Heiligen, in dessen Gegenwart z. B. nicht geraucht werden durfte (die Alt¬
gläubigen halten das Tabakrauchen für Sünde). Auch Bakunin, der dreizehn
Jahre früher neben Olympius, dem uns bekannten Freunde Pafnutys, auf den
Barrikaden von Prag gefochten hatte, nahm an den Conferenzen theil. So
gering auch die weltliche Bildung des ausschließlich in den Vorstellungen und
Interessen seiner Secte lebenden Mönchs war. dieser merkte bald, daß der Geist,
dem die londoner Emigranten huldigten, von dem, der seine Neligionsgesellschaft
beherrschte, zu verschieden war, um ein auch nur zeitweiliges Zusammengehen
möglich zu machen. Insbesondere der freche Cynismus Bakunins, der aus
seiner Verachtung aller Religion nur mühsam ein Hehl machte und in Pafnutys
Gegenwart liturgische Gesänge wie Opernchansons trillerte, verletzte den asketi¬
schen Mönch aufs empfindlichste; aber auch zu Herzen, dessen Schriften er zu
studiren begonnen hatte, konnte dieser kein Vertrauen fassen. Er ließ zwar
einige der mitgebrachten Manuscripte in der „freien" Druckerei seines neuen
Bekannten drucken, reiste aber bald wieder ab. ohne ein bestimmtes Ueberein¬
kommen getroffen zu haben. Wiederum in Moskau angelangt, erklärte er den
„Brüdern", daß eine Gemeinschaft der Gerechten mit den frivolen, materialistisch
gesinnten londoner Weltkindern nicht möglich sei und daß die gleiche Abneigung
beider gegen die Intoleranz der Regierung noch keine genügende Basis für die
Cooperation biete. Alle Versuche, die Herzen später anstellte, um mit Pafnuty
und dessen Freunden wieder anzuknüpfen, blieben resultatlos; vergebens wurde
zu London ein eigenes Organ zur Unterstützung der altgläubigen Interessen
gegründet, vergebens setzte sich Kelssiew. der beimlick nach Moskau kam, den
größten Gefahren aus. um ein Bündniß gegen den gemeinsamen Gegner zu
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