Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. I. Band.in der weder kaiserliche und päpstliche, noch auch bürgerliche Schreiben fehlten, Da war bald hier, bald da eine Lücke und der Gedanke lag nahe, den Die Schüler mußten ähnliche Themata bearbeiten, der Lehrer corrigirte sie. Mancher Codex ist aus Excerpten älterer Sammlungen, aus Original- In ähnlicher Form als ein Noth- und Hilfsbuch für Notare und Geschäftsleute Aber die Kenntniß dieser Verhältnisse hat für uns nicht blos einen literar- ") Riehl, CulturstMen. S. 24.
in der weder kaiserliche und päpstliche, noch auch bürgerliche Schreiben fehlten, Da war bald hier, bald da eine Lücke und der Gedanke lag nahe, den Die Schüler mußten ähnliche Themata bearbeiten, der Lehrer corrigirte sie. Mancher Codex ist aus Excerpten älterer Sammlungen, aus Original- In ähnlicher Form als ein Noth- und Hilfsbuch für Notare und Geschäftsleute Aber die Kenntniß dieser Verhältnisse hat für uns nicht blos einen literar- ") Riehl, CulturstMen. S. 24.
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in der weder kaiserliche und päpstliche, noch auch bürgerliche Schreiben fehlten,
für alle Begegnisse des täglichen Lebens.
Da war bald hier, bald da eine Lücke und der Gedanke lag nahe, den
Mangel eines echten Briefes durch frei erdichtete zu ersetzen. Dazu drängte das
Selbstgefühl der auf ihre Fertigkeit stolzen Meister, sich in eignen Productionen
zu ergehen, Kaiser und Päpste, Fürsten und Bischöfe mit ihren Worten reden
zu lassen. Bald finden wir daher ganze Briefwechsel, welche ein durch die Er¬
eignisse des Tages an die Hand gegebenes Thema — den Streit Lothars gegen
die staufischen Brüder, die Belagerung Gaetas durch Friedrich den Zweiten —,
behandeln oder einen ganz frei gewählten Gegenstand, wie den Briefwechsel
zwischen Seele und Körper,
Die Schüler mußten ähnliche Themata bearbeiten, der Lehrer corrigirte sie.
Daneben fuhr man fort Sammlungen echter Briefe anzulegen oder echte mit
erdichteten zu verbinden.
Mancher Codex ist aus Excerpten älterer Sammlungen, aus Original-
Urkunden und Originalbriefen in der Weise erwachsen, daß die Schriften der ver¬
schiedensten Hände, das verschiedenste Material — Pergament, Papier — ohne
Ordnung und Plan'zum nächsten praktischen Gebrauch zusammengehäuft wurden;
andere Sammlungen dagegen sind mit der größten Sorgfalt gemacht. Hatte
schon im neunten Jahrhundert das constanzer Formelbuch gewisse theoretische
Hinweise zwischen die Musterformeln eingestreut, so schicken die Meister des zwölften
und dreizehnten Jahrhunderts eine ausgebildete Theorie des Briefstils voraus,
nebst einer Anzahl zierlicher Briefeingänge, künstlicher Wendungen, und schöner
Sinnsprüche zum bequemen Gebrauch der Schreibenden und fügen auch eine
Zusammenstellung der wichtigsten Rechtsregeln bei. Der Brief dürfte damals
gewisser Zierrathen, eines geistreichen Anstrichs nicht entbehren und das Formel¬
buch sollte alles enthalten, was >der angehende Notar brauchte; zugleich aber
sollte dieser nicht nur nach der Schablone der Muster die im gegebenen Falle
nöthige Urkunde nachbilden, er sollte auch eine allgemeine Belehrung über sein
Fach empfangen.
In ähnlicher Form als ein Noth- und Hilfsbuch für Notare und Geschäftsleute
wurden die Briefsteller noch im siebzehnten Jahrhundert gebraucht und gelehrte
Herren waren stolz darauf, einen solchen verfaßt zu haben; in lateinischen Ver¬
sen, die er seinem 1663 erschienenen Briefsteller beigab"), ließ sich deshalb der
kaiserliche Notar Alhard Moller preisen.
Aber die Kenntniß dieser Verhältnisse hat für uns nicht blos einen literar-
historischen Werth, diese Formelsammlungen haben uns vielmehr eine Reihe der
") Riehl, CulturstMen. S. 24.
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