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Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. I. Band.

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tätsanstalten und Beamten in Anwendung zu bringen. Den östreichischen Mili¬
tärärzten ist diese Notifikation gewiß ebensowenig als den Commandirenden
des kaiserlichen Heeres bekannt geworden; denn sonst würden jene beiden Ver¬
wundeten auf den Verbandplätzen geblieben sein und diese das Anerbieten, die
gefangenen Verwundeten ihnen übergeben zu wollen, angenommen haben. Erst
nach dem Beitritt zur Convention übernahm der Professor Dr. von Dumreicher
im Auftrage seiner Negierung gegen Ende August die in 17 preußischen Feld-
lazarcthen Böhmens zurückgebliebenen Verwundeten zur Behandlung durch östrei¬
chische Aerzte.

Wenn somit die Convention in diesem Kriege noch nicht zur Anwendung
und Prüfung, die segensreiche Wirkung derselben noch nicht zum vollen Aus¬
druck gebracht werden konnte; so haben doch die in demselben gemachten Er¬
fahrungen und eine unbefangene Beurtheilung der Fassung jener Conventions-
artilel zu der Ueberzeugung geführt, daß durch dieselbe den Anforderungen der
Humanität nicht in dem Umfange entsprochen und der Zweck nicht in dem Grade
erreicht werden kann, als nothwendig und zulässig ist, wenn die Kiäfte und
Mittel, welche zu Gebote gestellt wetten, volle Verwendung finden sollen.

Es haben sich über die Mängel dieses menschenfreundlichen Bundes bereits
wiederholt bcmcrkensw>rede Stimmen vernehmen lassen. Dr. von Haurowitz,*)
Gcneralinspcctor des Saniiätswcsens der kaiserlich russischen Marine, hält die
Aueführung der Convention nicht nur für höchst schwierig, sondern unter ge¬
wissen Umstanden für ganz unmöglich. Ihm scheint die gesammte Convention
trotz ihres edlen Charakters wenig mehr als eine doctrinäre Illusion zu sein, der
man sich zwar in der besten Absicht hingegeben haben, die aber um so hemmender
wirken könne, als man sich leicht dem Glauben hingeben könne, durch dieselbe
bereits genügende Mittel zur Abhilfe des menschlichen Elends auf dem Schlacht-
felde gesunden zu haben. -- Es ist ferner vom Professor von Dumreicher**) und
von Dr. Samuel***) den Artikeln der genfer Uebereinkunft mit Recht ein Mangel
an Präcision des Ausdrucks zum Voiwurs gemacht und hervorgehoben worden,
daß dieselben eine verschiedene Deutung zulassen. -- Der Verfasser möchte für
die Hauptursache dieser Mängel die Unklarheit der Redactionscommission über
die im Kriege und nach Schlachten vorkommenden Zustände und der Bedürfnisse
halten, welche die Concessionen zur Erreichung des edlen Zweckes zur Voraus¬
setzung genommen haben. Es bestand die Berathungscommission der 26 Be¬
vollmächtigten zu Genf aus 10 Aerzten, 8 Gesandten, 3 Offizieren. 2 Mllitär-
bcamten, 1 Geistlichen und 2 Privaten, und die Redactionscommission für den




'1 Das Mililärsoniteitswcsen in den vereinigten Staaten von Nordamerika. Stuttgart,
1866, S, 4 ff.
Zur Lazeircihfrage, Erwiderung von Professor von Dumreicher "n Professor von Lan-
genbttt. Wien, 1867; S. 48, -- "*) Preußische Jahrbücher; 1867, April; S, 408. --

tätsanstalten und Beamten in Anwendung zu bringen. Den östreichischen Mili¬
tärärzten ist diese Notifikation gewiß ebensowenig als den Commandirenden
des kaiserlichen Heeres bekannt geworden; denn sonst würden jene beiden Ver¬
wundeten auf den Verbandplätzen geblieben sein und diese das Anerbieten, die
gefangenen Verwundeten ihnen übergeben zu wollen, angenommen haben. Erst
nach dem Beitritt zur Convention übernahm der Professor Dr. von Dumreicher
im Auftrage seiner Negierung gegen Ende August die in 17 preußischen Feld-
lazarcthen Böhmens zurückgebliebenen Verwundeten zur Behandlung durch östrei¬
chische Aerzte.

Wenn somit die Convention in diesem Kriege noch nicht zur Anwendung
und Prüfung, die segensreiche Wirkung derselben noch nicht zum vollen Aus¬
druck gebracht werden konnte; so haben doch die in demselben gemachten Er¬
fahrungen und eine unbefangene Beurtheilung der Fassung jener Conventions-
artilel zu der Ueberzeugung geführt, daß durch dieselbe den Anforderungen der
Humanität nicht in dem Umfange entsprochen und der Zweck nicht in dem Grade
erreicht werden kann, als nothwendig und zulässig ist, wenn die Kiäfte und
Mittel, welche zu Gebote gestellt wetten, volle Verwendung finden sollen.

Es haben sich über die Mängel dieses menschenfreundlichen Bundes bereits
wiederholt bcmcrkensw>rede Stimmen vernehmen lassen. Dr. von Haurowitz,*)
Gcneralinspcctor des Saniiätswcsens der kaiserlich russischen Marine, hält die
Aueführung der Convention nicht nur für höchst schwierig, sondern unter ge¬
wissen Umstanden für ganz unmöglich. Ihm scheint die gesammte Convention
trotz ihres edlen Charakters wenig mehr als eine doctrinäre Illusion zu sein, der
man sich zwar in der besten Absicht hingegeben haben, die aber um so hemmender
wirken könne, als man sich leicht dem Glauben hingeben könne, durch dieselbe
bereits genügende Mittel zur Abhilfe des menschlichen Elends auf dem Schlacht-
felde gesunden zu haben. — Es ist ferner vom Professor von Dumreicher**) und
von Dr. Samuel***) den Artikeln der genfer Uebereinkunft mit Recht ein Mangel
an Präcision des Ausdrucks zum Voiwurs gemacht und hervorgehoben worden,
daß dieselben eine verschiedene Deutung zulassen. — Der Verfasser möchte für
die Hauptursache dieser Mängel die Unklarheit der Redactionscommission über
die im Kriege und nach Schlachten vorkommenden Zustände und der Bedürfnisse
halten, welche die Concessionen zur Erreichung des edlen Zweckes zur Voraus¬
setzung genommen haben. Es bestand die Berathungscommission der 26 Be¬
vollmächtigten zu Genf aus 10 Aerzten, 8 Gesandten, 3 Offizieren. 2 Mllitär-
bcamten, 1 Geistlichen und 2 Privaten, und die Redactionscommission für den




'1 Das Mililärsoniteitswcsen in den vereinigten Staaten von Nordamerika. Stuttgart,
1866, S, 4 ff.
Zur Lazeircihfrage, Erwiderung von Professor von Dumreicher «n Professor von Lan-
genbttt. Wien, 1867; S. 48, — "*) Preußische Jahrbücher; 1867, April; S, 408. —
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[0292] tätsanstalten und Beamten in Anwendung zu bringen. Den östreichischen Mili¬ tärärzten ist diese Notifikation gewiß ebensowenig als den Commandirenden des kaiserlichen Heeres bekannt geworden; denn sonst würden jene beiden Ver¬ wundeten auf den Verbandplätzen geblieben sein und diese das Anerbieten, die gefangenen Verwundeten ihnen übergeben zu wollen, angenommen haben. Erst nach dem Beitritt zur Convention übernahm der Professor Dr. von Dumreicher im Auftrage seiner Negierung gegen Ende August die in 17 preußischen Feld- lazarcthen Böhmens zurückgebliebenen Verwundeten zur Behandlung durch östrei¬ chische Aerzte. Wenn somit die Convention in diesem Kriege noch nicht zur Anwendung und Prüfung, die segensreiche Wirkung derselben noch nicht zum vollen Aus¬ druck gebracht werden konnte; so haben doch die in demselben gemachten Er¬ fahrungen und eine unbefangene Beurtheilung der Fassung jener Conventions- artilel zu der Ueberzeugung geführt, daß durch dieselbe den Anforderungen der Humanität nicht in dem Umfange entsprochen und der Zweck nicht in dem Grade erreicht werden kann, als nothwendig und zulässig ist, wenn die Kiäfte und Mittel, welche zu Gebote gestellt wetten, volle Verwendung finden sollen. Es haben sich über die Mängel dieses menschenfreundlichen Bundes bereits wiederholt bcmcrkensw>rede Stimmen vernehmen lassen. Dr. von Haurowitz,*) Gcneralinspcctor des Saniiätswcsens der kaiserlich russischen Marine, hält die Aueführung der Convention nicht nur für höchst schwierig, sondern unter ge¬ wissen Umstanden für ganz unmöglich. Ihm scheint die gesammte Convention trotz ihres edlen Charakters wenig mehr als eine doctrinäre Illusion zu sein, der man sich zwar in der besten Absicht hingegeben haben, die aber um so hemmender wirken könne, als man sich leicht dem Glauben hingeben könne, durch dieselbe bereits genügende Mittel zur Abhilfe des menschlichen Elends auf dem Schlacht- felde gesunden zu haben. — Es ist ferner vom Professor von Dumreicher**) und von Dr. Samuel***) den Artikeln der genfer Uebereinkunft mit Recht ein Mangel an Präcision des Ausdrucks zum Voiwurs gemacht und hervorgehoben worden, daß dieselben eine verschiedene Deutung zulassen. — Der Verfasser möchte für die Hauptursache dieser Mängel die Unklarheit der Redactionscommission über die im Kriege und nach Schlachten vorkommenden Zustände und der Bedürfnisse halten, welche die Concessionen zur Erreichung des edlen Zweckes zur Voraus¬ setzung genommen haben. Es bestand die Berathungscommission der 26 Be¬ vollmächtigten zu Genf aus 10 Aerzten, 8 Gesandten, 3 Offizieren. 2 Mllitär- bcamten, 1 Geistlichen und 2 Privaten, und die Redactionscommission für den '1 Das Mililärsoniteitswcsen in den vereinigten Staaten von Nordamerika. Stuttgart, 1866, S, 4 ff. Zur Lazeircihfrage, Erwiderung von Professor von Dumreicher «n Professor von Lan- genbttt. Wien, 1867; S. 48, — "*) Preußische Jahrbücher; 1867, April; S, 408. —

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_191229/292>, abgerufen am 15.01.2025.