Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. I. Band.längst verlassen hat, verschieden sind; sie stehen den deutschen und englischen numerisch am stärksten, in Südrußland und bei den dorischen Kosaken be¬ Mit ängstlicher Treue halten diese nach Oestreich und in die Türkei aus¬ -) Auch an der preußisch-russischen Grenze, in Ostpreußen lebt eine Kolonie emignrter
russischer Sectirer; diese gehören indessen der popcnlosen Gruppe an und sind wenig zahlreich. längst verlassen hat, verschieden sind; sie stehen den deutschen und englischen numerisch am stärksten, in Südrußland und bei den dorischen Kosaken be¬ Mit ängstlicher Treue halten diese nach Oestreich und in die Türkei aus¬ -) Auch an der preußisch-russischen Grenze, in Ostpreußen lebt eine Kolonie emignrter
russischer Sectirer; diese gehören indessen der popcnlosen Gruppe an und sind wenig zahlreich. <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0282" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/191512"/> <p xml:id="ID_826" prev="#ID_825"> längst verlassen hat, verschieden sind; sie stehen den deutschen und englischen<lb/> Mystikern entschieden näher als irgendwelchen russischen Religionsgesellschaften<lb/> und haben einen mehr oder minder protestantischen Charakter.</p><lb/> <p xml:id="ID_827"> numerisch am stärksten, in Südrußland und bei den dorischen Kosaken be¬<lb/> sonders weit verbreitet sind die hierarchischen Secten, d. h. diejenigen, welche<lb/> einen besondern Klerus beibehalten haben und hauptsächlich in Bezug aus den<lb/> Ritus und gewisse Ceremonien (Kreuzschlagen. Form der Hostie, Aussprache des<lb/> Namens Jesu u. s. w.) von der orthodoxen Kirche abweichen. Vorwiegend<lb/> Anhänger dieser Richtung sind es, welche wir in den östreichischen und türkischen<lb/> Grenzprovinzen in bedeutender Anzahl antreffen und die sich bis in die neueste<lb/> Zeit hinein durch Zuzüge aus Nußland vermehrt und rekrutirt haben/) Wäh¬<lb/> rend die in England, Frankreich und Deutschland lebenden russischen Emigranten<lb/> ausnahmslos den höheren Classen angehören und demgemäß auf dem Boden<lb/> der westeuropäischen Cultur stehen, häufig zu sehr Kosmopoliten sind, um noch<lb/> für echte Russen gelten zu können, haben wir es hier mit einer streng nationalen<lb/> Schichte der Bevölkerung zu thun, die eine specifische Eigenthümlichkeit des Alt-<lb/> russenthums repräsentirt und der in Rußland herrschenden Kirche hauptsächlich<lb/> den Vorwurf macht, westlichen Einflüssen zugänglich gewesen zu sein und die<lb/> Grundlagen der nationalen Bildung und des orientalischen Christenthums ver¬<lb/> lassen und verläugnet zu haben: haben doch die im westeuropäischen Sinne vor¬<lb/> genommenen Reformen Peters des Großen, namentlich die auf Unterordnung<lb/> der Kirche unter den Staat abzielenden Maßregeln dieses Herrschers, die Zahl<lb/> der Sectirer wesentlich vermehrt, die Abneigung derselben gegen die bestehende<lb/> Ordnung so entschieden geschärft, daß diese die Hauptträger der nationalen<lb/> Opposition gegen das fremde Wesen geworden sind.</p><lb/> <p xml:id="ID_828" next="#ID_829"> Mit ängstlicher Treue halten diese nach Oestreich und in die Türkei aus¬<lb/> gewanderten Russen und Kosaken an dem Brauch ihrer Väter und dem natio¬<lb/> nalen Herkommen fest, denn ihre religiösen und politischen Vorstellungen und<lb/> Grundsätze sind untrennbar mit einander verwachsen und das Exil außerhalb<lb/> des Bodens der geheiligten Russia ist — wie sie glauben — an und für sich<lb/> eine Gefahr für die Seele. Die Mehrzahl dieser Familien lebt übrigens erst<lb/> in der dritten und vierten Generation außerhalb des Vaterlandes; unter den<lb/> Nachfolgern Peters des Großen, die in dem altgläubigen Schisma zugleich die<lb/> volksthümliche Opposition gegen die Reform bekämpften, hatte die Verfolgung<lb/> der Sectirer ihren Höhepunkt erreicht, zumal die pugatschewsche Rebellion und<lb/> andere Bauern- und Kosakcnaufstände des vorigen Jahrhunderts hauptsächlich</p><lb/> <note xml:id="FID_16" place="foot"> -) Auch an der preußisch-russischen Grenze, in Ostpreußen lebt eine Kolonie emignrter<lb/> russischer Sectirer; diese gehören indessen der popcnlosen Gruppe an und sind wenig zahlreich.</note><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0282]
längst verlassen hat, verschieden sind; sie stehen den deutschen und englischen
Mystikern entschieden näher als irgendwelchen russischen Religionsgesellschaften
und haben einen mehr oder minder protestantischen Charakter.
numerisch am stärksten, in Südrußland und bei den dorischen Kosaken be¬
sonders weit verbreitet sind die hierarchischen Secten, d. h. diejenigen, welche
einen besondern Klerus beibehalten haben und hauptsächlich in Bezug aus den
Ritus und gewisse Ceremonien (Kreuzschlagen. Form der Hostie, Aussprache des
Namens Jesu u. s. w.) von der orthodoxen Kirche abweichen. Vorwiegend
Anhänger dieser Richtung sind es, welche wir in den östreichischen und türkischen
Grenzprovinzen in bedeutender Anzahl antreffen und die sich bis in die neueste
Zeit hinein durch Zuzüge aus Nußland vermehrt und rekrutirt haben/) Wäh¬
rend die in England, Frankreich und Deutschland lebenden russischen Emigranten
ausnahmslos den höheren Classen angehören und demgemäß auf dem Boden
der westeuropäischen Cultur stehen, häufig zu sehr Kosmopoliten sind, um noch
für echte Russen gelten zu können, haben wir es hier mit einer streng nationalen
Schichte der Bevölkerung zu thun, die eine specifische Eigenthümlichkeit des Alt-
russenthums repräsentirt und der in Rußland herrschenden Kirche hauptsächlich
den Vorwurf macht, westlichen Einflüssen zugänglich gewesen zu sein und die
Grundlagen der nationalen Bildung und des orientalischen Christenthums ver¬
lassen und verläugnet zu haben: haben doch die im westeuropäischen Sinne vor¬
genommenen Reformen Peters des Großen, namentlich die auf Unterordnung
der Kirche unter den Staat abzielenden Maßregeln dieses Herrschers, die Zahl
der Sectirer wesentlich vermehrt, die Abneigung derselben gegen die bestehende
Ordnung so entschieden geschärft, daß diese die Hauptträger der nationalen
Opposition gegen das fremde Wesen geworden sind.
Mit ängstlicher Treue halten diese nach Oestreich und in die Türkei aus¬
gewanderten Russen und Kosaken an dem Brauch ihrer Väter und dem natio¬
nalen Herkommen fest, denn ihre religiösen und politischen Vorstellungen und
Grundsätze sind untrennbar mit einander verwachsen und das Exil außerhalb
des Bodens der geheiligten Russia ist — wie sie glauben — an und für sich
eine Gefahr für die Seele. Die Mehrzahl dieser Familien lebt übrigens erst
in der dritten und vierten Generation außerhalb des Vaterlandes; unter den
Nachfolgern Peters des Großen, die in dem altgläubigen Schisma zugleich die
volksthümliche Opposition gegen die Reform bekämpften, hatte die Verfolgung
der Sectirer ihren Höhepunkt erreicht, zumal die pugatschewsche Rebellion und
andere Bauern- und Kosakcnaufstände des vorigen Jahrhunderts hauptsächlich
-) Auch an der preußisch-russischen Grenze, in Ostpreußen lebt eine Kolonie emignrter
russischer Sectirer; diese gehören indessen der popcnlosen Gruppe an und sind wenig zahlreich.
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