Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. I. Band.jichö Heidenapostel: derjenige, der allein diesen Namen verdiente, mußte froh Gleichwohl hatten die Pauliner als die bisher angefeindete Minderheit Aus den Mitteln, zu welchen der Verfasser dieser Tendenzschrift greift, er¬ jichö Heidenapostel: derjenige, der allein diesen Namen verdiente, mußte froh Gleichwohl hatten die Pauliner als die bisher angefeindete Minderheit Aus den Mitteln, zu welchen der Verfasser dieser Tendenzschrift greift, er¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0232" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/191462"/> <p xml:id="ID_679" prev="#ID_678"> jichö Heidenapostel: derjenige, der allein diesen Namen verdiente, mußte froh<lb/> sein, wenn er als „Mitapostel" ein Plätzchen neben ihm erhielt.</p><lb/> <p xml:id="ID_680"> Gleichwohl hatten die Pauliner als die bisher angefeindete Minderheit<lb/> das Interesse, die sich hiermit eröffnende Basis einer Verständigung festzuhalten.<lb/> Von Seiten der Orthodoxen lag ein bedeutendes, wenn auch im Grund un¬<lb/> freiwilliges Zugeständnis; vor, von ihrer Seite konnte man ein gleiches erwarten.<lb/> Sie sahen den Kern ihrer Sache anerkannt, wenn sie die Persönlichkeit, die<lb/> geschichtliche Stellung ihres Haupts preisgaben. Es kam nur darauf an, von<lb/> diesem Standpunkt aus noch so viel als möglich zu retten, um ihrem Apostel<lb/> neben dem Petrus eine möglichst ebenbürtige Stelle in der Kirche zu sichern.<lb/> Und dies ist nun das Interesse, in welchem der Verfasser der Apostelgeschichte,<lb/> ein Pauliner, es unternahm, eine Darstellung von der Wirksamkeit des Petrus<lb/> wie des Paulus zu versuchen, durch welche aller Anstoß, den die Judenchristen<lb/> bisher an Paulus genommen hatten, beseitigt werden sollte. Zu diesem Zweck<lb/> wurde vor allem das persönliche Verhältniß des Paulus zu den Uraposteln<lb/> ganz anders dargestellt, als es in Wirklichkeit gewesen war. Von heftigen persön¬<lb/> lichen Conflicten keine Spur mehr, die Scene von Antiochia sorgfältig getilgt,<lb/> die Simonsage unschädlich gemacht und außer Beziehung zu Paulus gesetzt,<lb/> aus jenem Kompromiß von Jerusalem eine feierliche Apostelversammlung gemacht,<lb/> in welcher die Urapostel selbst zu dem Vorschlag, das Evangelium auf die<lb/> Heiden auszudehnen, die Initiative ergreifen, Paulus also durch die Urapostel<lb/> selbst zur Heidenmission legitimirt, im Uebrigen ebenso ängstlich als gesetzes¬<lb/> frommer Jude, als Befolgcr des jüdischen Rituals dargestellt, wie Petrus als<lb/> der Vertreter freisinniger Grundsätze erscheint, beide Apostel auf eine brüderliche<lb/> Linie gestellt, in Lehre wie in Thaten einander nahegerückt, ein Schleier über<lb/> ihre dogmatischen Streitpunkte geworfen, und das Einvernehmen der beiden<lb/> Parteien, wie es der Verfasser erst beabsichtigt, in die urchristliche Vergangenheit<lb/> zurückdatirt — so ist dich' Schrift der geschickte Versuch eines Pauliners, die<lb/> Anerkennung der Grundsätze seiner Partei dadurch zu sichern, daß sie auf die<lb/> Urgemeinde selbst übertragen werden und Paulus zwar um seine historische<lb/> Stellung gebracht, aber dafür gleichberechtigt an die Stelle des Petrus ge¬<lb/> rückt wird.</p><lb/> <p xml:id="ID_681" next="#ID_682"> Aus den Mitteln, zu welchen der Verfasser dieser Tendenzschrift greift, er¬<lb/> kennen wir am deutlichsten, welche Vorurtheile damals, im zweiten oder dritte»<lb/> Decennium des zweiten Jahrhunderts, den Pauliner,, noch von Seite des Herr-<lb/> schenden Judenchristenthums entgegenstanden. Ein solcher Paulus, wie er in<lb/> dieser Schrift dargestellt ist konnte freilich der Gegenpartei nichts Anstößiges<lb/> mehr haben, und in der That ist. die Darstellung der Apostelgeschichte epoche¬<lb/> machend für den beginnenden Ausgleich geworden. Immerhin aber steht es<lb/> noch mehre Decennien an, und waren noch Annäherungsversuche aus andern</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0232]
jichö Heidenapostel: derjenige, der allein diesen Namen verdiente, mußte froh
sein, wenn er als „Mitapostel" ein Plätzchen neben ihm erhielt.
Gleichwohl hatten die Pauliner als die bisher angefeindete Minderheit
das Interesse, die sich hiermit eröffnende Basis einer Verständigung festzuhalten.
Von Seiten der Orthodoxen lag ein bedeutendes, wenn auch im Grund un¬
freiwilliges Zugeständnis; vor, von ihrer Seite konnte man ein gleiches erwarten.
Sie sahen den Kern ihrer Sache anerkannt, wenn sie die Persönlichkeit, die
geschichtliche Stellung ihres Haupts preisgaben. Es kam nur darauf an, von
diesem Standpunkt aus noch so viel als möglich zu retten, um ihrem Apostel
neben dem Petrus eine möglichst ebenbürtige Stelle in der Kirche zu sichern.
Und dies ist nun das Interesse, in welchem der Verfasser der Apostelgeschichte,
ein Pauliner, es unternahm, eine Darstellung von der Wirksamkeit des Petrus
wie des Paulus zu versuchen, durch welche aller Anstoß, den die Judenchristen
bisher an Paulus genommen hatten, beseitigt werden sollte. Zu diesem Zweck
wurde vor allem das persönliche Verhältniß des Paulus zu den Uraposteln
ganz anders dargestellt, als es in Wirklichkeit gewesen war. Von heftigen persön¬
lichen Conflicten keine Spur mehr, die Scene von Antiochia sorgfältig getilgt,
die Simonsage unschädlich gemacht und außer Beziehung zu Paulus gesetzt,
aus jenem Kompromiß von Jerusalem eine feierliche Apostelversammlung gemacht,
in welcher die Urapostel selbst zu dem Vorschlag, das Evangelium auf die
Heiden auszudehnen, die Initiative ergreifen, Paulus also durch die Urapostel
selbst zur Heidenmission legitimirt, im Uebrigen ebenso ängstlich als gesetzes¬
frommer Jude, als Befolgcr des jüdischen Rituals dargestellt, wie Petrus als
der Vertreter freisinniger Grundsätze erscheint, beide Apostel auf eine brüderliche
Linie gestellt, in Lehre wie in Thaten einander nahegerückt, ein Schleier über
ihre dogmatischen Streitpunkte geworfen, und das Einvernehmen der beiden
Parteien, wie es der Verfasser erst beabsichtigt, in die urchristliche Vergangenheit
zurückdatirt — so ist dich' Schrift der geschickte Versuch eines Pauliners, die
Anerkennung der Grundsätze seiner Partei dadurch zu sichern, daß sie auf die
Urgemeinde selbst übertragen werden und Paulus zwar um seine historische
Stellung gebracht, aber dafür gleichberechtigt an die Stelle des Petrus ge¬
rückt wird.
Aus den Mitteln, zu welchen der Verfasser dieser Tendenzschrift greift, er¬
kennen wir am deutlichsten, welche Vorurtheile damals, im zweiten oder dritte»
Decennium des zweiten Jahrhunderts, den Pauliner,, noch von Seite des Herr-
schenden Judenchristenthums entgegenstanden. Ein solcher Paulus, wie er in
dieser Schrift dargestellt ist konnte freilich der Gegenpartei nichts Anstößiges
mehr haben, und in der That ist. die Darstellung der Apostelgeschichte epoche¬
machend für den beginnenden Ausgleich geworden. Immerhin aber steht es
noch mehre Decennien an, und waren noch Annäherungsversuche aus andern
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |