Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. I. Band.Land würde zunächst in Aufregung versetzt werden, der in seiner Bedeutung nicht Man sage nicht, daß dies durch die von uns gewollte Einführung der Verträgt sich die bisherige Organisation der Lokalverwaltung überhaupt Eine gewisse aristokratische Grundlage hat jede Selbstverwaltung immer, Land würde zunächst in Aufregung versetzt werden, der in seiner Bedeutung nicht Man sage nicht, daß dies durch die von uns gewollte Einführung der Verträgt sich die bisherige Organisation der Lokalverwaltung überhaupt Eine gewisse aristokratische Grundlage hat jede Selbstverwaltung immer, <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0224" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/191454"/> <p xml:id="ID_655" prev="#ID_654"> Land würde zunächst in Aufregung versetzt werden, der in seiner Bedeutung nicht<lb/> zu unterschätzende Beamtenstand, durch die dann unvermeidlichen, oft hart treffen¬<lb/> den Pensionirungen persönlich geschädigt und verletzt, würde nicht grade zur<lb/> Beruhigung beitragen, kurz/ vorläufig würde nur Unzufriedenheit aller Orten<lb/> die Folge sein. Und grade der intelligente größere Bauern- und bürgerliche<lb/> Mittelstand, der eigentliche Kern der Bevölkerung und zudem derjenige Theil<lb/> derselben, welcher den deutschen Beruf Preußens am klarsten erfaßt hat und<lb/> deshalb der neuen Regierung am bereitwilligsten entgegengekommen ist, würde<lb/> am empfindlichsten durch die gedachte Organisation verletzt und gegen die Re¬<lb/> gierung eingenommen werden.</p><lb/> <p xml:id="ID_656"> Man sage nicht, daß dies durch die von uns gewollte Einführung der<lb/> Landrathsverfassung nach alipreußischcm Muster' — unter Zurückführung des<lb/> aristokratischen Elements darin auf das unsern Verhältnissen entsprechende Maß<lb/> — demnächst noch schlimmer der Fall sein würde! Der natürliche Verstand<lb/> auch des geringen Mannes weiß sehr wohl den Unterschied zu fühlen zwischen<lb/> der im Interesse der Staatseinheit geschehenden Basirung der Verwaltung auf<lb/> ein von dem bisherigen abweichendes Grundprincip und zwischen der lediglich<lb/> im Interesse der Staatskasse zum Schaden der Einwohner gereichenden Einziehung<lb/> einer Anzahl Behörden, worauf schließlich alle Vermittlungsvorschläge hinaus¬<lb/> laufen.</p><lb/> <p xml:id="ID_657"> Verträgt sich die bisherige Organisation der Lokalverwaltung überhaupt<lb/> principiell mit dem preußischen Verwaltungsorganismus, so ist dann auch eine<lb/> lediglich auf fiscalischen Sparsamkeitsgründen beruhende, den Wünschen der Be¬<lb/> völkerung widerstreitende und dieser durch Zeitverlust?c. wirthschaftliche Nachtheile<lb/> zufügende Reorganisation überall zu vermeiden, oder sie wird bei der Bevöl¬<lb/> kerung, die nach einem tiefern Grunde vergeblich fragt, und Sparsamkeitsrück¬<lb/> sichten allein den reichen Mitteln der Provinz gegenüber als maßgebend nicht<lb/> anerkennen wird, tiefe und nachhaltige Erbitterung erregen. Mögen wir vor<lb/> diesem Schicksale bewahrt bleiben, und möge auch unsrer Provinz bald der Segen<lb/> einer auf gesunder Grundlage ruhenden Selbstverwaltung zu Theil werden, die<lb/> dann auch wieder rückwirkend auf die Landrathsversassung in den alten Provin¬<lb/> zen in manchen Punkten zeitgemäße Mooificationen bewirken wird!</p><lb/> <p xml:id="ID_658" next="#ID_659"> Eine gewisse aristokratische Grundlage hat jede Selbstverwaltung immer,<lb/> und muß sie haben: aber nur die besten sind es, die ihre Kräfte hingebend dem<lb/> Gemeinwohl widmen; auch ein gewisser conservativer Grundzug wird der<lb/> Selbstverwaltung immer eigen sein; die eigne Wahrung der eignen Interessen<lb/> führt dies von selbst herbei, wie ja auch England zeigt, dessen Friedensrichter<lb/> bekanntlich im kontinentalen Sinne weit mehr Lokalverwaltungsbeamte als eigent¬<lb/> liche Richter sind. Aber vor allem muß wie bei jedem Institut auch hier den<lb/> factischen Verhältnissen Rechnung getragen werden, und diese streiten eben gegen</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0224]
Land würde zunächst in Aufregung versetzt werden, der in seiner Bedeutung nicht
zu unterschätzende Beamtenstand, durch die dann unvermeidlichen, oft hart treffen¬
den Pensionirungen persönlich geschädigt und verletzt, würde nicht grade zur
Beruhigung beitragen, kurz/ vorläufig würde nur Unzufriedenheit aller Orten
die Folge sein. Und grade der intelligente größere Bauern- und bürgerliche
Mittelstand, der eigentliche Kern der Bevölkerung und zudem derjenige Theil
derselben, welcher den deutschen Beruf Preußens am klarsten erfaßt hat und
deshalb der neuen Regierung am bereitwilligsten entgegengekommen ist, würde
am empfindlichsten durch die gedachte Organisation verletzt und gegen die Re¬
gierung eingenommen werden.
Man sage nicht, daß dies durch die von uns gewollte Einführung der
Landrathsverfassung nach alipreußischcm Muster' — unter Zurückführung des
aristokratischen Elements darin auf das unsern Verhältnissen entsprechende Maß
— demnächst noch schlimmer der Fall sein würde! Der natürliche Verstand
auch des geringen Mannes weiß sehr wohl den Unterschied zu fühlen zwischen
der im Interesse der Staatseinheit geschehenden Basirung der Verwaltung auf
ein von dem bisherigen abweichendes Grundprincip und zwischen der lediglich
im Interesse der Staatskasse zum Schaden der Einwohner gereichenden Einziehung
einer Anzahl Behörden, worauf schließlich alle Vermittlungsvorschläge hinaus¬
laufen.
Verträgt sich die bisherige Organisation der Lokalverwaltung überhaupt
principiell mit dem preußischen Verwaltungsorganismus, so ist dann auch eine
lediglich auf fiscalischen Sparsamkeitsgründen beruhende, den Wünschen der Be¬
völkerung widerstreitende und dieser durch Zeitverlust?c. wirthschaftliche Nachtheile
zufügende Reorganisation überall zu vermeiden, oder sie wird bei der Bevöl¬
kerung, die nach einem tiefern Grunde vergeblich fragt, und Sparsamkeitsrück¬
sichten allein den reichen Mitteln der Provinz gegenüber als maßgebend nicht
anerkennen wird, tiefe und nachhaltige Erbitterung erregen. Mögen wir vor
diesem Schicksale bewahrt bleiben, und möge auch unsrer Provinz bald der Segen
einer auf gesunder Grundlage ruhenden Selbstverwaltung zu Theil werden, die
dann auch wieder rückwirkend auf die Landrathsversassung in den alten Provin¬
zen in manchen Punkten zeitgemäße Mooificationen bewirken wird!
Eine gewisse aristokratische Grundlage hat jede Selbstverwaltung immer,
und muß sie haben: aber nur die besten sind es, die ihre Kräfte hingebend dem
Gemeinwohl widmen; auch ein gewisser conservativer Grundzug wird der
Selbstverwaltung immer eigen sein; die eigne Wahrung der eignen Interessen
führt dies von selbst herbei, wie ja auch England zeigt, dessen Friedensrichter
bekanntlich im kontinentalen Sinne weit mehr Lokalverwaltungsbeamte als eigent¬
liche Richter sind. Aber vor allem muß wie bei jedem Institut auch hier den
factischen Verhältnissen Rechnung getragen werden, und diese streiten eben gegen
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