Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. I. Band.Seite, wie Probleme des abstracten Siaatsrechts behandeln und ohne jede Die Einfügung der neu annectirten Provinzen in den preußischen Staat Es ist noch nicht vier Wochen her, daß die norddeutsche Bundesverfassung Seite, wie Probleme des abstracten Siaatsrechts behandeln und ohne jede Die Einfügung der neu annectirten Provinzen in den preußischen Staat Es ist noch nicht vier Wochen her, daß die norddeutsche Bundesverfassung <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0202" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/191432"/> <p xml:id="ID_563" prev="#ID_562"> Seite, wie Probleme des abstracten Siaatsrechts behandeln und ohne jede<lb/> Rücksicht aus ihre historische Bedeutung und politische Wirkung nach der Scha¬<lb/> blone lösen — das heißt sicher weder „konservative", noch „große", sondern<lb/> lediglich büreaukratische Politik treiben und über den nächsten kleinen Zwecken<lb/> die ferneren großen Ziele vergessen und außer Augen setzen.</p><lb/> <p xml:id="ID_564"> Die Einfügung der neu annectirten Provinzen in den preußischen Staat<lb/> ist sicher nicht anders als auf Kosten lokaler Annehmlichkeiten und Gewohn¬<lb/> heiten möglich und kann ohne Opfer nicht durchgeführt werden. Das Maß<lb/> dieser Opfer möglichst herabzudrücken und fürs Erste lieber auf eine Uniformität<lb/> zu verzichten, als diese auf Kosten der Gesundheit des Staatskörpers zu er¬<lb/> kaufen, wird aber ebenso durch die Rücksicht auf den gegenwärtigen preußischen,<lb/> wie durch das Interesse des künftigen deutschen Staats gefordert. Je größer<lb/> und ausgedehnter Preußen wird, desto näher liegt diesem Staate die Gefahr<lb/> des Uebercentralisirens, die durch die büreaukratische Organisation desselben<lb/> bereits indicirt und zu deren Verminderung seit Menschengedenken nichts ge¬<lb/> schehen ist. Auf dem Wege der Centralisation und Nivellirung provinzieller<lb/> Verschiedenheit mindestens nicht weiter zu gehen, wird aber im gegenwärtigen<lb/> Augenblick und angesichts der seit dem Sommer 1866 geschaffenen Situation<lb/> besonders nothwendig sein.</p><lb/> <p xml:id="ID_565" next="#ID_566"> Es ist noch nicht vier Wochen her, daß die norddeutsche Bundesverfassung<lb/> in Kraft getreten und schon hat sich bei verschiedenen Kleinstaaten des Bunde«<lb/> das Bedürfniß, oder richtiger gescigt die Nothwendigkeit eines engeren An¬<lb/> schlusses, eines wenigstens theilweisen Aufgehens in den preußischen Großstaat<lb/> geltend gemacht. Dem Beispiel Waldccks werden in einer nicht allzufernen<lb/> Zukunft wahrscheinlich die thüringenschen und andere Bundesländer folgen<lb/> müssen. Diesen Proceß zu erleichtern und möglichst viel Raum zu schaffen<lb/> für die einzelnen Provinzialindividualitäten ist ein Gebot der einfachsten Nüh-<lb/> lichkcitspolitik, das noch geschärft wird durch die Rücksicht auf den Süden, der<lb/> ohnehin geneigt ist, die Octroyirung eines großen bureaukratischen Apparats<lb/> für die unmittelbare Folge jeder Annäherung an Preußen zu halten. Ob und<lb/> in wie weit Octroyirungen wie die in Kurhessen beliebten dazu beitragen werden,<lb/> moralische Eroberungen zu machen und Eroberungen anderer Art zu erleichtern<lb/> und zu consolidiren, braucht nicht erst untersucht zu werden. Es bleibt uns<lb/> vielmehr allein übrig die Hoffnung auszusprechen, die verspätete Eingabe der<lb/> ehemals kurhessischcn Stände werde wenigstens nachträglich ihre Wirkung thun<lb/> und jener Maßnahme, durch welche die Negierung sich die einflußreichsten und<lb/> besten ihrer liberalen Anhänger in den neuen Provinzen am entschiedensten<lb/> entfremdet hat, die Spijze abbrechen. Erwarten läßt sich ferner, die eben<lb/> gemachten Erfahrungen würden der für Hannover noch bevorstehenden Reorga¬<lb/> nisationsarbeit zu Gute kommen und den Einfluß dessen und derer stärken, die</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0202]
Seite, wie Probleme des abstracten Siaatsrechts behandeln und ohne jede
Rücksicht aus ihre historische Bedeutung und politische Wirkung nach der Scha¬
blone lösen — das heißt sicher weder „konservative", noch „große", sondern
lediglich büreaukratische Politik treiben und über den nächsten kleinen Zwecken
die ferneren großen Ziele vergessen und außer Augen setzen.
Die Einfügung der neu annectirten Provinzen in den preußischen Staat
ist sicher nicht anders als auf Kosten lokaler Annehmlichkeiten und Gewohn¬
heiten möglich und kann ohne Opfer nicht durchgeführt werden. Das Maß
dieser Opfer möglichst herabzudrücken und fürs Erste lieber auf eine Uniformität
zu verzichten, als diese auf Kosten der Gesundheit des Staatskörpers zu er¬
kaufen, wird aber ebenso durch die Rücksicht auf den gegenwärtigen preußischen,
wie durch das Interesse des künftigen deutschen Staats gefordert. Je größer
und ausgedehnter Preußen wird, desto näher liegt diesem Staate die Gefahr
des Uebercentralisirens, die durch die büreaukratische Organisation desselben
bereits indicirt und zu deren Verminderung seit Menschengedenken nichts ge¬
schehen ist. Auf dem Wege der Centralisation und Nivellirung provinzieller
Verschiedenheit mindestens nicht weiter zu gehen, wird aber im gegenwärtigen
Augenblick und angesichts der seit dem Sommer 1866 geschaffenen Situation
besonders nothwendig sein.
Es ist noch nicht vier Wochen her, daß die norddeutsche Bundesverfassung
in Kraft getreten und schon hat sich bei verschiedenen Kleinstaaten des Bunde«
das Bedürfniß, oder richtiger gescigt die Nothwendigkeit eines engeren An¬
schlusses, eines wenigstens theilweisen Aufgehens in den preußischen Großstaat
geltend gemacht. Dem Beispiel Waldccks werden in einer nicht allzufernen
Zukunft wahrscheinlich die thüringenschen und andere Bundesländer folgen
müssen. Diesen Proceß zu erleichtern und möglichst viel Raum zu schaffen
für die einzelnen Provinzialindividualitäten ist ein Gebot der einfachsten Nüh-
lichkcitspolitik, das noch geschärft wird durch die Rücksicht auf den Süden, der
ohnehin geneigt ist, die Octroyirung eines großen bureaukratischen Apparats
für die unmittelbare Folge jeder Annäherung an Preußen zu halten. Ob und
in wie weit Octroyirungen wie die in Kurhessen beliebten dazu beitragen werden,
moralische Eroberungen zu machen und Eroberungen anderer Art zu erleichtern
und zu consolidiren, braucht nicht erst untersucht zu werden. Es bleibt uns
vielmehr allein übrig die Hoffnung auszusprechen, die verspätete Eingabe der
ehemals kurhessischcn Stände werde wenigstens nachträglich ihre Wirkung thun
und jener Maßnahme, durch welche die Negierung sich die einflußreichsten und
besten ihrer liberalen Anhänger in den neuen Provinzen am entschiedensten
entfremdet hat, die Spijze abbrechen. Erwarten läßt sich ferner, die eben
gemachten Erfahrungen würden der für Hannover noch bevorstehenden Reorga¬
nisationsarbeit zu Gute kommen und den Einfluß dessen und derer stärken, die
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